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Giroflex bleibt – und der Standort? «Koblenz konkurriert mit Norwegen, Niederlande und Schweden»

Die neuen Eigentümer des Bürostuhl-Hersteller Giroflex wollen in Skandinavien expandieren. Die Produktion in Koblenz steht auf der Kippe.

Philipp Zimmermann
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Giroflex-CEO Frank Forster: «Es ist klar, dass vor allem der Produktionsstandort Schweiz auf dem Prüfstand steht.»

Giroflex-CEO Frank Forster: «Es ist klar, dass vor allem der Produktionsstandort Schweiz auf dem Prüfstand steht.»

Philipp Zimmermann/TeleM1

An der Grenze zu Deutschland gelegen, gilt Giroflex als typisch schweizerische Qualitätsmarke – obschon sie auf einen Deutschen zurückgeht. Es war 1872, als Albert Stoll in Koblenz AG eine Stuhlfabrik eröffnete, als Zweigstelle für die Hauptproduktion in Waldshut (D). Nachdem der gleichnamige Enkel später das Zepter übernommen hatte, entwickelte sich daraus Giroflex, eine Marke, die für innovative Bürostuhl-Technik steht, wie sie heute international verbreitet ist.

Nun ist der Standort Koblenz in Gefahr. Der norwegische Möbel-Riese Flokk hat die Giroflex-Aktien übernommen. Zum Unternehmen gehören Tochtergesellschaften in Deutschland, Belgien und den Niederlanden. Zum Verkaufspreis wurde Stillschweigen vereinbart. Flokk ist Marktführer in Skandinavien und in der Branche unter seinem vormaligen Namen «Scandinavian Business Seating» ein Begriff.

2016 hat es bei 650 Mitarbeitenden einen Umsatz von 156 Millionen Franken erzielt. Eigentümer ist seit fast drei Jahren das Private-Equity-Unternehmen Triton. Erst vor kurzem hat sich Flokk den schwedischen Bürostuhl-Hersteller Malmstolen sowie den Lounge-Möbel-Spezialisten Offecct in seine Gruppe einverleibt.

Das ist der Standort von Bürostuhl-Hersteller Giroflex Hier in Koblenz, wenige hundert Meter vom Grenzübergang zu Waldshut (D), befindet sich der Hauptsitz und Produktionsstandort von Giroflex. Im Jahr 1972 eröffnete hier Albert Stoll eine Fabrik, die im Laufe der Jahre zu einem Traditionsbetrieb wurde. 
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Hier befindet sich der Eingang. 200 Mitarbeitende beschäftigt das Unternehmen zurzeit (Juli 2017), 130 an diesem Hauptstandort, 50 weitere bei der Tochter Espisa, die sich auch in Koblenz befindet.
Im Juli 2017 hat der norwegische Möbelkonzern Flokk das Koblenzer Traditionsunternehmen übernommen.
Giroflex in Koblenz
Hier befindet sich auch ein Fabrikladen.
Hier befindet sich auch ein Fabrikladen.
Die Warenannahme von Giroflex.
Werbeplakat von Giroflex neben dem Produktionsort und Hauptsitz an der Kantonsstrasse, die viel befahren wird und die zum Grenzübergang Koblenz-Waldshut führt.
Wenige hundert Meter vom Giroflex-Standort entfernt befindet sich die Grenze zu Deutschland (Waldshut-Tiengen). Ein Drittel der Belegschaft wohnt im deutschen Raum.

Das ist der Standort von Bürostuhl-Hersteller Giroflex Hier in Koblenz, wenige hundert Meter vom Grenzübergang zu Waldshut (D), befindet sich der Hauptsitz und Produktionsstandort von Giroflex. Im Jahr 1972 eröffnete hier Albert Stoll eine Fabrik, die im Laufe der Jahre zu einem Traditionsbetrieb wurde. 

Philipp Zimmermann

Giroflex soll zwar als eigenständige Marke weiterexistieren. Flokk-CEO Lars I. Røiri lässt sich in einer Medienmitteilung mit optimistischen Worten zitieren: «Unsere beiden Unternehmen verfolgen eine ähnliche Philosophie hinsichtlich Produktdesign und Qualität, konkurrenzieren sich aber kaum, da wir grösstenteils auf unterschiedlichen Märkten tätig sind. Giroflex passt perfekt in unsere Strategie.»

Schwacher Euro als Belastung

Dabei handelt es sich um eine Wachstumsstrategie. Giroflex gilt in der Schweiz als führender Produzent von hochwertigen Bürostühlen und hat 2016 einen Umsatz von 46 Millionen Franken erwirtschaftet, 90 Prozent davon in der Schweiz, Deutschland, Österreich, in den Niederlanden und Belgien. Flokk dagegen agiert vornehmlich im skandinavischen Raum.

Sein Umsatz ist mehr als dreimal so hoch. Mit der Übernahme sollen beide ihr geografisches Verkaufsgebiet erweitern. «Der Umsatz von beiden Firmen könnte somit gesteigert werden», sagt Giroflex-CEO Frank Forster der «Nordwestschweiz».

«Die gesamte Branche befindet sich aufgrund der starken Fragmentierung sowie des anhaltenden Kosten- und Konkurrenzdrucks seit 2009 in einer Konsolidierungsphase», sagt Forster. Giroflex wurde stark getroffen, als die Schweizer Nationalbank Anfang 2015 den Euro-Mindestkurs aufhob und der Euro gegenüber dem Franken abstürzte.

Auf Anfang 2016 hat es seine Firmenstrategie angepasst. Die Familie Forster, schon im Besitz von 50 Prozent der Aktien, übernahm auch die restlichen Anteile. «Wir haben aktiv nach strategischen Partnern für Kooperationen gesucht. Ein Verkauf stand nicht im Vordergrund.»

Bestandteil der neuen Strategie war, die Betriebsgrösse an den seit zehn Jahren rückläufigen Umsatz anzupassen. Schrittweise hat sich Giroflex in der Schweiz und den Landesgesellschaften seit 2016 von Mitarbeitenden getrennt. Die Zahl sank von knapp 250 auf 200. «Diese Massnahmen haben dazu geführt, dass wir Ende 2016, erstmals seit 2008, wieder einen Gewinn ausweisen konnten», hält Forster fest. Das Unternehmen stehe auf einer soliden Basis.

Das Urmodell von 1926 der Federdreh mit «Nereg».
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Mit Federung, vier Füssen und vier Rädern ein Federdreh-Modell aus dem Hause Albert Stoll & Co. aus den Dreissigerjahren.
1970er Sanft zur Wirbelsäule, gut für die Arbeitsmoral.
Modernster Komfort der Bürostuhl Giroflex 353.
Giroflex-Bürosthühle

Das Urmodell von 1926 der Federdreh mit «Nereg».

Keystone

Kann Giroflex also dank der Übernahme ein Bekenntnis zu Koblenz als Produktionsstandort und Hauptsitz abgeben? «Zu diesem Zeitpunkt kann dazu noch keine Einschätzung gemacht werden», antwortet Forster. Dazu braucht es nun sorgfältige Analysen. Auf mögliche Synergien angesprochen, sagt er: «Es ist klar, dass vor allem der Produktionsstandort Schweiz auf dem Prüfstand steht. Er steht in direkter Konkurrenz zu den Flokk-Standorten in Norwegen, Niederlande und Schweden.»

Das heisst nichts anderes, als dass eine Verlagerung der Produktion samt weiterem Arbeitsplatz-Abbau möglich ist. Forster hält nichtsdestotrotz fest, dass dieses Szenario auch ohne Übernahme geprüft worden wäre. Mit dem Ziel, «das erfolgreiche Weiterbestehen der Marke Giroflex zu sichern».

Verkäufe von KMU

Vor Giroflex wurden schon diverse andere traditionelle KMUs von ausländischen Firmen übernommen.

Ein prominentes Beispiel ist der Trinkflaschen-Hersteller Sigg, der letztes Jahr von der chinesischen Zhejiang Haers Vacuum Containers gekauft wurde.

Länger zurück liegt der Kauf der Valser Mineralquellen durch Coca-Cola. Beliebt sind auch Hotels. So hat etwa der katarische Staatsfonds das Berner Luxushotel Schweizerhof gekauft. Den Kataris gehört auch das Bürgenstock Resort,
das bald eröffnet wird.