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Grosser Andrang an der Schweizer Börse: Der Basler Implantatehersteller Medartis, der Sensorhersteller Sensirion und das Unternehmen A Small World haben diese Woche den Gang an die Börse gewagt.
Die Rechnung ist aufgegangen. Alle drei Firmen, die diese Woche den Gang an die Schweizer Börse wagten, haben nach ihrem Start markant zugelegt. An der Spitze steht der Basler Implantatehersteller Medartis, der im Vergleich zum Ausgabepreis über 29 Prozent nach oben geschossen ist. Dahinter folgt der Sensorhersteller Sensirion mit einem Anstieg von 26 Prozent. In ähnlichem Ausmass hat auch das Unternehmen A Small World zugelegt, ein soziales Netzwerk für Reiche. Allerdings hat die Firma ihre Aktien bloss an der Börse platzieren lassen, frisches Geld hat sie nicht aufgenommen.
Top und Flop – ausgewählte Börsengänge der letzten Jahre:
Schon nächste Woche geht der Reigen an Börsengängen weiter. Der Airline-Caterer Gategroup wird von der chinesischen Inhaberin HNA nächsten Dienstag an die Börse gebracht. Und bereits werden weitere Namen gehandelt. So sollen etwa der Logistikkonzern Ceva Logistics, die Biotechfirma Polyphor und das Verpackungsunternehmen SIG Vorbereitungen für einen Börsengang treffen. Zudem will die stark verschuldete HNA mit Swissport eine ihrer weiteren Schweizer Firmen losschlagen.
Allein mit den drei durchgeführten und einem bevorstehenden werden in diesen ersten drei Monaten mehr Börsengänge durchgeführt als teilweise in vergangenen Jahren insgesamt. Bereits das letzte Jahr war mit sechs Firmen, die an die Börse gingen, eines der besten Jahre seit langem. Zuvor gab es letztmals einen Boom zwischen 1997 und 2001, als sich zwischen 15 und 28 Firmen pro Jahr dem Investorenpublikum in der Schweiz öffneten. Damals waren es vor allem viele Internetfirmen, die später wieder verschwanden.
Die Gründe für den derzeitigen Boom sind vielfältig. Trotz des derzeitigen Tauchers gilt das Börsenumfeld noch immer als freundlich. Zudem unterstütze die gute Wirtschaftslage das Umfeld für Börsenneulinge, sagt Roger Müller, der beim Wirtschaftsprüfer EY Firmen berät, die den Gang an die Börse planen. Vor drei Jahren sei dies noch anders gewesen, als die Nationalbank die Euro-Untergrenze aufgehoben hat. Damals hätten die Investoren abwarten wollen, um zu sehen, wie gut die Unternehmen mit dem starken Franken umgehen können. Inzwischen sehe man, dass dies den Firmen sehr gut gelinge.
Zudem haben die Börsengänge im letzten Jahr gezeigt, dass man die jeweilige Firma mit einer Prämie zu vergleichbaren Unternehmen platzieren konnte, sagt ein Investmentbanker. Dies lässt einen Börsengang attraktiver erscheinen als etwa den Verkauf einer Firma. Ohnehin bietet eine Publikumsöffnung den Inhabern eines Unternehmens die Möglichkeit, einen Teil über die Börse zu verkaufen, aber immer noch an der Firma beteiligt zu bleiben. Gelingt der Börsengang, können die Inhaber dank des steigenden Aktienkurses weiter am Erfolg des Unternehmens teilhaben.
Auch von regulatorischer Seite gibt es Entwarnung. Die Abzocker-Initiative habe nach der Annahme für viele eine grosse Hürde dargestellt. So wurden höhere Kosten etwa durch verschärfte Transparenzvorschriften befürchtet. Inzwischen hätten potenzielle Börsenneulinge festgestellt, dass dieser Zusatzaufwand machbar sei, sagt ein Berater von Börsenaspiranten.
Wie die erfolgreichen Börsengänge diese Woche zeigen, ist der Appetit der Investoren da. Doch die Anleger seien auch selektiv, sagt Martin Lehmann, der einen Anlagefonds verwaltet, in dem sich kleine und mittelgrosse Firmen befinden. So müssten die Unternehmen mit starken Wachstumsaussichten aufwarten können. Dies sei etwa bei Sensirion und Medartis der Fall. Letztere will etwa den Umsatz in den nächsten fünf Jahren verdoppeln. Sensirion peilt derweil mittelfristig eine Wachstumsrate von 10 bis 15 Prozent an.
Bei Gategroup sei unter den Investoren eine grössere Zurückhaltung zu spüren, sagt Lehmann. Einige Beobachter seien von einer Marktkapitalisierung von bis zu 3 Milliarden Franken ausgegangen. Je nach Ausgabepreis bewegt sich nun die Bewertung zwischen 2,1 und 2,6 Milliarden Franken. Eine Rolle für die Vorsicht der Anleger spielen die unklaren Pläne von HNA. Das chinesische Konglomerat wird vorerst rund einen Drittel der Aktien behalten. Zumindest hat sich die Firma darauf während sechs Monaten verpflichtet. Was danach geschieht, ist offen.
Der Umstand, dass gerade jetzt so viele Firmen an die Börse gehen, ist kein Zufall. «Der Frühling ist ein klassischer Zeitpunkt, da die Zahlen des Vorjahres vorliegen und die Investoren so die Leistung des Unternehmens auch im Vergleich mit den vergangenen Jahren bewertet können», sagt Müller. Zudem können die Ergebnisse auch jenen der Konkurrenten gegenübergestellt werden. Ein weiteres Fenster für Börsengänge öffnet sich nach den Sommerferien, wenn die Halbjahreszahlen vorliegen. Spätestens dann dürften weitere Unternehmen folgen.