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Die Genossenschaft will das traditionsreiche Warenhauskette und das Möbelgeschäft Interio abstossen. Doch weshalb ist dieser Schritt überhaupt nötig geworden? Drei ehemalige Chefs machen die Migros für die Misere verantwortlich.
Die Ankündigung der Migros, sein Warenhaus Globus und das Möbelgeschäft Interio zu verkaufen, war ein Erdbeben im Schweizer Detailhandel. Schliesslich hatte die Migros erst vor zwei Jahren den Flop-Kauf Schild in Globus integriert, und Ende März an der Bilanzmedienkonferenz sprach Migros-Chef Fabrice Zumbrunnen noch davon, dass der defizitäre Globus bis in zwei Jahren wieder auf den Beinen sein soll.
Doch es kam anders. Die Migros will Globus und Interio sowie loswerden, ebenso die Möbelaccessoire-Kette Depot. Das gefällt nicht allen – insbesondere früheren Chefs der beiden Traditionsunternehmen. Werner Kuster stand in den 80er- und 90er-Jahren beiden Geschäften einst vor, bei Interio als CEO und bei Globus als Mitglied der Konzernleitung. „Dass die Migros Globus und Interio verkauft, ist primär ein Problem der Migros und nicht der beiden Unternehmen. Die Migros hat es offensichtlich nicht verstanden, diese Spezialfirmen zu führen und weiterzuentwickeln.“ Für ihn ist dieser Schritt in erster Linie eine Folge einer überstrapazierten Expansion des orangen Riesen, mit der Übernahme von einstigen Jelmoli-Filialen sowie der Einverleibung des Modehändlers Schild und des Schuhhändlers Navyboot. „Damit hat die Migros bloss den Umsatz von Globus gesteigert, aber nicht ihren Ertrag.“
Globus habe einst international als Vorbild für innovative Warenhäuser gegolten mit seinem Sortiment und der Warenpräsentation. Die einstigen Stärken habe die Migros aber in den vergangenen Jahren vernachlässigt, verwässert und zerfallen lassen. Das Argument der Migros, dass der Onlinehandel eine zu grosse Konkurrenz für Globus geworden ist, lässt Kuster nicht gelten. „Es gibt durchaus Detailhändler, die sich mit Erfolg in diesem neuen Umfeld behaupten können. Aber dafür braucht es halt eine klare Strategie und Innovationen.“ Für ihn ist klar: „Es ist ein Armutszeugnis, denn der Verkauf von Globus wäre vermeidbar gewesen.“
Unterstützung erhält Kuster vom ehemaligen Migros-Finanzchef Mario Bonorand, der die Globus-Übernahme am 4. Juli 1997 an vorderster Front miteinfädelte. Der Kaufpreis betrug damals rund 700 Millionen Franken. „Das war eine Nacht- und Nebelaktion“, erinnert sich Bonorand, der danach die Globus-Gruppe quasi im Nebenamt führte. Hauptmotiv für den Kauf seien damals die lukrativen Liegenschaften gewesen, insbesondere das Haus an der Zürcher Bahnhofstrasse. Zudem konnte die Migros dadurch das Zürcher Glattzentrum mit seinen vielen Parkplätzen mehrheitlich übernehmen.
„Das Renommee von Globus war riesig“, sagt Bonorand. „Damals fuhren die Leute von weit her nach Zürich, nur um die speziellen Dekorationen und Schaufenster bei Globus zu sehen, das war eine echte Attraktion.“ Doch auch er macht eine Verwässerung der Strategie in den vergangenen Jahren aus. „Zudem wurde Globus vom Sortiment zu elitär. Die heutige Führung überschätzt die Anzahl Aston-Martin-Fahrer in der Schweiz.“
Zum Globus-Migros-Deal gehörte damals auch Interio sowie die Billigwarenhaus-Kette ABM (Au bon marché) mit rund 40 Innenstadt-Standorten. Diese wurden testweise durch das italienische Modehaus Oviesse ersetzt – ohne Erfolg, genauso wie der zweite Oviesse-Anlauf 2017. Mit dem Kauf der Charles-Vögele-Filialen scheiterten die Italiener hierzulande erneut spektakulär.
Migros-Chef Zumbrunnen nannte als weiteres Verkaufsargument, dass Globus mit seiner Premium-Ausrichtung nicht mehr zur DNA der Migros passe. „Das ist eine billige Ausrede“, sagt Bonorand. „Folglich müsste die Migros auch ihre Golf-Plätze oder Denner mit seinem Alkoholsortiment verkaufen.“
Anfang der 2000er-Jahre wurde Thomas Kern neuer Globus-Chef als Nachfolger Bonorands. Kern sollte später noch Chef des Flughafens Zürich werden. Vor seinem Wechsel an die Warenhaus-Spitze hatte er viele Jahre Interio geleitet. Er will der Migros keine Vorwürfe machen. „Sie war lange Zeit eine gute Eigentümerin und liess Globus seine Freiheiten.“ Sie habe ihr Versprechen bei der Übernahme („Globus bleibt Globus“) gehalten. Härter ins Gericht geht Kern mit der Migros allerdings in Sachen Interio. „Mit der Übernahme der deutschen Billigaccessoire-Kette Depot wurde ein grosser Fehler begangen“, sagt Kern. Denn danach habe die Migros das Depot-Sortiment bei Interio verkauft, was überhaupt nicht zur bisherigen Stilrichtung des Möbelhauses gepasst habe. „Interio verlor seine Identität und die guten Einkäufer.“
Diesen Deal hatte der Ex-Migros-Handelschef Ernst Dieter Berninghaus eingefädelt. Auch Globus entwickelte sich unter seiner Ägide im Zuge des Onlinebooms und Einkaufstourismus zu einer Baustelle bis zu seinem Abgang 2016. Die Ironie dabei: Berninghaus wechselte danach zur deutschen Warenhausgruppe Signa, die nun als mögliche Globus-Käuferin gehandelt wird.
Im Falle von Interio spekulieren manche Branchenkenner auf eine ebenfalls pikante Lösung. Denn das Möbelgeschäft hat seit längerem Geschäfte in Österreich. Diese werden allerdings nicht von der Migros selber geführt, sondern im Franchisesystem von der Wiener Unternehmerin Janet Kath. Und Kath ist keine Unbekannte: Sie ist die Lebenspartnerin von Hansueli Loosli – dem Präsidenten vom Migros-Erzrivale Coop.
Bei einem Punkt sind sich alle drei Ex-Chefs Kuster, Bonorand und Kern einig: Globus müsse als Marke weiterbestehen, egal wer der neue Inhaber werde. Denn die Marke mit ihrer Entstehung im Jahr 1907 stehe für ein Kulturgut der Schweizer Detailhandelsgeschichte und habe noch immer eine grosse Strahlkraft.