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Wirtschaft
Die Chefs der Grossbanken finden, ihre strategische Arbeit der letzten Jahre verdiene von Investoren mehr Anerkennung. Doch deren Misstrauen hat gute Gründe.
UBS-Chef Sergio Ermotti hadert schon seit Längerem mit der Börse. Die Vorlage der Jahreszahlen am vergangenen Dienstag gab ihm erneut Grund dazu. Das diversifizierte Geschäftsmodell habe sich 2018 «einmal mehr» bewährt und der Bank insbesondere im turbulenten Schlussquartal die Erzielung einer «soliden Performance» erlaubt, so der CEO. Dennoch schickten die Investoren die Aktien umgehend auf Talfahrt. Der Markt verkenne die Arbeit, die mit der strategischen Neuausrichtung der Bank seit sechs Jahren geleistet werde, moniert Ermotti immer wieder.
Seine Frustration ist nachvollziehbar. Die grösste Schweizer Bank hat sich seit seiner Ankunft an der Spitze im November 2011 stark verändert. Im Zentrum steht das ertragsstabile Vermögensverwaltungsgeschäft mit betuchter Klientel aus aller Welt. Auch das heimische Privat- und Firmenkundengeschäft hat eine deutliche Aufwertung erfahren. Ermotti betont den Erfolg dieser Strategie: Seit 2014 habe die UBS kumulierte Gewinne von 19 Milliarden Franken eingefahren und dabei enorme ausserordentliche Kosten absorbiert. Zur Bereinigung von Altlasten habe man Rückstellungen für Rechtsrisiken im Wert von 5,4 Milliarden gebildet und für die Erfüllung erhöhter regulatorischer Anforderungen 3,5 Milliarden ausgelegt. Trotzdem kostet eine UBS-Aktie an der Börse immer noch weniger als das zugrunde liegende Eigenkapital. «Unsere Ziele werden im Markt entweder nicht verstanden, oder wir haben sie nicht gut genug erklärt», sagt Ermotti.
Missverständnisse entstehen zwar per Definition aus Kommunikationsfehlern. Aber der Grund für eine Wahrnehmungsdifferenz muss kein Missverständnis sein. Gerade der Fall UBS zeigt, dass das Problem tatsächlich tiefer liegt. Im grenzüberschreitenden Vermögensverwaltungsgeschäft reklamiert das Institut immer noch die Weltmarktführerschaft für sich. Doch irgendwo auf dem Weg zum Aktionär gehen diese Grössenvorteile verloren. Das zeigt die Statistik für den Schweizer Bankenplatz eindrücklich. 2007 verwalteten die Banken in der Schweiz Vermögen von einheimischen und ausländischen Kunden total knapp 7100 Milliarden. Daraus zogen sie Kommissionseinnahmen von total 37 Milliarden. 2017 belief sich das verwaltete Vermögen auf 7300 Milliarden, aber die Erträge daraus fielen auf 22 Milliarden.
Diese Wettbewerbs-Verschärfung hat vielschichtige Gründe. In den 1990ern operierten Banken in der Schweiz noch in einem weitgehend geschützten Umfeld. Keine Bank machte Anstalten, an dem Ast zu sägen, auf dem sich alle gut eingerichtet hatten. Mit dem Internet dann machten sich Anbieter von Bankgeschäften überall auf dem Baum breit. Doch die neuen Bewohner folgen eigenen Regeln. Grosse und kleine Technologiefirmen buhlen mit preislich attraktiven und benutzerfreundlichen Angeboten um die Gunst der Bankkunden. Und sie profitieren von einer Markttransparenz, wie sie in den Neunzigern unvorstellbar war. Noch punkten diese Neulinge vorab bei den jüngeren Generationen, doch die altersmässige Akzeptanzschwelle bewegt sich nach oben. Der Vertrauensvorschuss vieler Kunden gegenüber Banken schwindet. So figurierten UBS und Credit Suisse vor zehn Jahren noch unter den 100 bekanntesten Markennamen der Welt. Doch schon vor Jahren sind sie still und leise aus der Rangliste gefallen. Dort stehen nun Firmen wie Google oder Apple zuvorderst.
Leistungsversprechen werden über starke Marken transportiert. Die Banken müssten wissen, dass sie hier mächtig nachbessern müssen, um in diesem neuen Wettbewerb langfristig bestehen zu können. Allerdings scheinen in den Finanzmärkten Zweifel darüber zu bestehen, dass diese Erkenntnis wirklich durchgedrungen ist. Die Aktionäre ahnen jedenfalls, dass die Zukunftssicherung der Banken bei unsicheren Erfolgsaussichten noch einen Haufen Geld kosten wird. Deshalb ist Sergio Ermottis Rechnung unvollständig und die Reaktion der Börse kein Missverständnis, sondern ein Fanal.