Onlinefirmen jagen dem klassischen Detailhandel immer mehr Kunden ab. Nun greift auch Amazon noch stärker nach der Schweizer Kundschaft. Ein Deal mit der Post macht das möglich.
Raphael Bühlmann
Nie war es einfacher, an eine gewünschte Ware zu kommen als heute. Der Aufwand wird immer kleiner. Wozu man früher noch gut und gerne einen ganzen Nachmittag opfern musste, lässt sich heute mit ein paar simplen Klicks von zu Hause aus erledigen. Auch die Lieferzeiten werden immer kürzer.
Das Onlinehandel-Fieber hat auch die Schweiz gepackt. Für etablierte Detailhändler werden dadurch aber die Karten neu gemischt. «Es wird zu einer weiteren Marktbereinigung kommen, die durchaus auch Schweizer Platzhirsche, zumindest in gewissen Segmenten, treffen kann», sagt Dagmar Jenni, Geschäftsführerin der Swiss Retail Federation, dem Verband der mittelständischen Detailhandelsunternehmen (stationär und online) in der Schweiz.
Inmitten harter Preiskämpfe erhält nun mit Amazon niemand Geringerer als der weltgrösste Onlinehändler einen leichteren Zugang zum Schweizer Markt. Wie das Westschweizer Fernsehen RTS diese Woche berichtete, vereinfacht eine Vereinbarung zwischen dem US-Giganten und der Schweizerischen Post künftig die Bestellungen.
«Bis jetzt wurden Sendungen von Amazon auf dem Postweg einzeln verzollt», erklärt Oliver Flüeler, Mediensprecher der Post. Nun nutze Amazon die sogenannte Digitalverzollung. Anstatt jedes einzelne Paket von Menschenhand zu prüfen, würden Importpakete digital erfasst und verzollt. «Dies erlaubt es einerseits, dass der Kunde beim Kauf der Ware Zoll und Mehrwertsteuer direkt beim Onlinehändler bezahlt und die gelieferte Lastwagenladung direkt in den Verteilzentren Daillens oder Urdorf auf die Postboten sortiert werden kann – eine logistische Vereinfachung», sagt Flüeler. Dies sei eine Standardlösung, wie sie bereits bei anderen Onlinehändlern wie etwa Zalando in ähnlicher Form angewandt werde. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen rechnet die Post nicht damit, dass sie wegen der Vereinfachung von einer Bestellflut überrollt werden wird.
«Der entscheidende Treiber hinter dem Onlinehandel ist und bleibt der Konsument mit seinem Einkaufsverhalten und nicht die Post.» Laut Flüeler unbestritten sei aber, dass die Bestellungen im Internet weiter zunehmen würden. «Bei Paketen haben wir in den letzten drei Jahren jeweils immer neue Rekorde verzeichnen können.» Letztes Jahr habe die Post täglich rund 600 000 Pakete zugestellt, wovon 80000 bis 100000 im Ausland aufgegeben worden seien.
Klar aber scheint, dass der Preisdruck im Schweizer Detailhandel mit der vereinfachten Bestellung bei Amazon weiter zunehmen wird. Generell seien die Preise heute einfacher vergleichbar, stellt die Swiss Retail Federation weiter fest. «Der Druck durch den Onlinehandel und das starke Wachstum ist gross. Insbesondere ausländische Player werden auf dem Schweizer Markt weiter zu einer Flurbereinigung im Detailhandel führen», ist Geschäftsführerin Jenni überzeugt.
Was aber bleibt dem klassischen Verkauf? Jenni sagt, dass sich dieser den Onlinehandel als «Vorhof des stationären Handels» zu Nutze machen könne. «Er kann die Onlinepräsenz ergänzen und abrunden mit stärkerer Sichtbarkeit der Produkte, persönlichem Service und Sortimentsvorauswahl.» Zudem könne er sich als Begegnungsort positionieren, als Ort zum Verweilen, der zur lokalen Identität beitrage. Grundsätzlich hält die Swiss Retail Federation fest, dass man sich der grenzüberschreitenden Konkurrenz stellen werde. «Konkurrenz belebt das Geschäft», sagt Jenni.