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Die Firma Hunziker in Dietikon ist Herstellerin diverser Migros-Schleckwaren. Der sinkende Zuckerkonsum zwingt sie, in neue Produkte zu investieren. Sie setzt auf teure Bonbons mit medizinischen Zusatzstoffen.
Wer an Schweizer Bonbons denkt, denkt zuerst an Ricola. Doch was kaum jemand weiss: Das mengenmässig meistverkaufte Bonbon hierzulande stammt nicht von der international bekannten Baselbieter Firma, sondern aus Dietikon im Kanton Zürich. Es ist die Cassis Halspastille – bei der Migros im Verkauf und von der Firma «F. Hunziker + Co AG» produziert. Diese ist unter anderem für ihre Bonbons der Marke Halter bekannt, die seit 2004 zur Zürcher Familienholding gehören. Ansonsten produziert sie in erster Linie Eigenmarken wie die «Gomz»-Schleckwaren oder das Eistee-Pulver für die Migros sowie für andere internationale Kunden.
Die süsse Versuchung war jahrelang das Kerngeschäft. Doch Hunziker spürt schon seit Jahren die Zeichen der Zeit: «Der Konsum von Süssigkeiten nimmt generell ab, da die Konsumenten gesundheitsbewusster einkaufen und die Detailhändler die Verkaufsflächen für Süssigkeiten verkleinern», sagt Marketing- und Verkaufsdirektor Patrick Flöscher. «Der Umsatz mit Eistee-Pulver, aber auch mit Gummibärchen, Lakritze oder sauren Zungen ist deshalb seit Jahren rückläufig.»
Die Familienholding, die den drei Enkelinnen von Firmengründer Fritz Hunziker gehört, ist deshalb mit der Frage konfrontiert: Wie weiter? Um die Zukunft der Firma zu sichern, setzt Hunziker verstärkt auf Nahrungsergänzungsmittel in Form von Fruchtgummis, Kaubonbons und Lutschpastillen. In der Branche nennt sich das Functional Food oder Nutraceuticals, eine Wortkombination aus Nutrition (Ernährung) und Pharmaceuticals (Medikamente). Das Unternehmen hat dafür in den letzten Jahren knapp 20 Millionen Franken in die Infrastruktur in Dietikon investiert.
Zudem hat Hunziker vor einigen Monaten erstmals in seiner Geschichte eine eigene Marke namens «Health-iX» lanciert. Unter diesem Namen verkauft sie neu zehn Produkte in der Migros. Die Bonbons beinhalten unter anderem Vitamine für das Immunsystem, Calcium für starke Knochen, Folsäure für werdende Mütter oder Ingwer gegen Reiseübelkeit. Die bisherigen Umsätze seien sehr positiv, sagt Flöscher. Entsprechend sei man auch mit internationalen Händlern in Gesprächen.
Hunziker nimmt mit den Nahrungsergänzungsmitteln vor allem Kinder und ältere Menschen als Zielgruppe ins Visier. «Diese beiden Gruppen möchten oftmals keine Tabletten oder Kapseln schlucken», sagt Flöscher. Gummibonbons auf Gelatinebasis seien angenehmer zu konsumieren, hätten denselben Nutzen und würden dank natürlichen Aromen und Zucker besser schmecken.
Nicht ganz so süss sind die Preise aus Konsumentensicht, die deutlich höher liegen als bei herkömmlichen Schleckwaren. So kosten die Vitamin-Bonbons auf ein Kilo hochgerechnet in der Migros rund 74 Franken. Flöscher rechtfertigt dies mit den gesundheitlichen Zusatznutzen der Health-iX-Produkte, welche teurere Pharma-Rohstoffe, Sicherheitsauflagen und Produktanalysen benötigten. Zudem sei «Health-iX» rund halb so teuer als vergleichbare Produkte in Apotheken.
Der Versuch, mit einer eigenen Marke im Detailhandel zu reüssieren, ist für Hunziker eine Premiere. Mit der Herstellung solcher Nahrungsergänzungsmittel ist die Firma aber schon seit mehr als zehn Jahren vertraut. Laut eigenen Angaben gehört die Firma in Europa zu den führenden Herstellern von Süsswaren mit Zusatzfunktionen. Der Bereich generiert inzwischen knapp 60 Prozent des Umsatzes. Laut Flöscher ist das wachsende Geschäft profitabel. Genaue Zahlen nennt die Firma mit ihren 160 Angestellten keine, auch nicht zum Umsatz.
Das Marktforschungsunternehmen Trans- parency Market Research schätzte den globalen Umsatz mit Gummi-Vitaminen zuletzt auf 2,7 Milliarden Dollar. Bei einem prognostizierten Wachstum von jährlich 5,2 Prozent sollen es 2025 bereits 4,2 Milliarden sein. Der wichtigste Markt für die rezeptfreien Vitamine in Bonbon-Form sind die USA, wo die Dietiker Fruchtgummis in Apotheken und Supermärkten zu haben sind, jedoch als Eigenmarken für internationale Grosskonzerne und nicht unter dem Namen Health-iX.
Konkurrenten sind grosse, internationale Pharma-Konzerne wie Pfizer oder Bayer. Oftmals sind die Grossen aber auch Kunden von Hunziker, da sie die Herstellung von gewissen Gesundheitsbonbons lieber auslagern. Seit einiger Zeit versucht auch Ricola in diesen Markt vorzustossen. Die Baselbieter verkaufen beispielsweise in 18'000 Geschäften in den USA Fruchtgelee-Bonbons unter dem Namen «Herbal Immunity», die das Immunsystem stärken und bei Müdigkeit helfen sollen.
Hunzikers Gesundheitsprodukte sind global im Verkauf. Das Ziel sei es, mittelfristig bis zu 80 Prozent des Umsatzes mit Nahrungsergänzungsmitteln umzusetzen, insbesondere dank des Exports, sagt Patrick Flöscher. Was der Marketing- und Verkaufsdirektor dabei nicht sagt: So würde Hunziker auch unabhängiger vom nicht mehr profitablen Süsswarengeschäft. Am ehemaligen Kerngeschäft wolle man aber auch in Zukunft festhalten.
Schliesslich verhalfen die Süssigkeiten Hunziker mithilfe der Migros zur heutigen Grösse: Firmengründer Fritz Hunziker erhielt nach dem Zweiten Weltkrieg von der Genossenschaft den Auftrag, Süsswaren für sie zu produzieren. Die Verhandlungen führte er noch mit Migros-Gründer Gottlieb «Dutti» Duttweiler persönlich. Dabei blieb es nicht. Hunziker wurde zu einem der wichtigsten Eigenmarken-Lieferanten der Migros. Diese ersetzte in den vergangenen Jahren aber einige Produkte der Dietiker mit günstigeren Alternativen aus dem Ausland.
Die Familienholding wird in der dritten Generation von Christoph Richterich, dem Schwiegersohn von Fritz Hunziker junior präsidiert. Richterich ist in der Öffentlichkeit als Unternehmensberater für Grosskonzerne bekannt. Die vierte Generation befindet sich noch in der Ausbildung. Familienintern besteht aber die klare Absicht, dass Hunziker auch in Zukunft eigenständig bleibt. Das Erreichen dieses Ziels – kein Zuckerschlecken.