Krisenmanagement
Immerhin: Der historische BIP-Einbruch ist in der Schweiz weniger tief als in Österreich

Für sein Krisenmanagement hatte sich Sebastian Kurz vor einer Weile selbst gelobt. Dieses half – aber gegen einen unglücklichen Branchenmix sind auch Kanzler machtlos.

Niklaus Vontobel
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Machtloser Kanzler: Ein unglücklicher Branchenmix zieht Österreich tiefer in die Krise.

Machtloser Kanzler: Ein unglücklicher Branchenmix zieht Österreich tiefer in die Krise.

Ronald Zak / AP

Minus 10,5 Prozent – um so viel ist die Schweizer Wirtschaft eingebrochen im ersten Halbjahr. Ein historischer Ausfall von einem Zehntel der gesamten Wertschöpfung. Das hat das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) heute bekannt gegeben – und spendet zugleich etwas Trost: Im internationalen Vergleich sei der Einbruch noch «verhältnismässig glimpflich».

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Etwas Licht im Dunkeln mithilfe internationaler Vergleiche zu finden – das ist in der Coronakrise eine beliebte Strategie, auch unter Politikern. Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz leitet aus solchen Vergleichen gerne ein Selbstlob ab. Auf dem Nachrichtendienst Twitter vermeldete er in der Coronakrise, man habe schnell und entschlossen reagiert. «Wir können nun früher als andere wieder hochfahren und rascher aus der Krise kommen.»

Pech gehabt: Ungünstiger Branchenmix

Mittlerweile ist klar: Eine schnelle und entschlossene Reaktion kann helfen, ist aber nicht alles. Das zeigt sich auch in einer Kurzanalyse, welche das Seco heute mitgeliefert hat. So erklärten sich die Unterschiede zwischen den Ländern mit Länge und Schärfe des Lockdowns – aber auch mit dem Branchenmix. Und da war Österreich in der Coronakrise schlechter dran als die Schweiz. Daran kann auch ein entschlossener Kanzler nichts ändern.

Konkret hat in Österreich das besonders betroffene Gastgewerbe einen grösseren Anteil an der Wertschöpfung. Dieser Umstand erklärt laut Seco-Ökonom Roland Indergand zu einem grossen Teil, warum es Österreich im ersten Halbjahr schlimmer erwischt hat als die Schweiz. In Österreich kommt das Gastgewerbe auf einen Anteil von 5,3 Prozent. In der Schweiz sind es bloss 1,8 Prozent.

Dass es anderen Ländern noch schlechter als der Schweiz und Österreich erging, erklärt Indergand mit dem Lockdown. In Ländern wie Italien und Spanien sei er schärfer gewesen als in der Schweiz, mehr Läden mussten schliessen. England hatte sich einen längeren Lockdown auferlegen müssen.

Der Tiefpunkt ist überwunden

Allerdings macht das Wirtschaftswachstum allein bekanntermassen nicht glücklich. Die Höhe der Arbeitslosenquote ist für die Arbeitnehmer oftmals noch wichtiger. Wie die verschiedenen Länder in dieser Hinsicht abschneiden, ist noch offen. Der Länderverein OECD zumindest erwartet für Österreich einen der geringsten Anstiege der Arbeitslosenquote aller Industriestaaten – geringer noch als in der Schweiz. Ob es so kommt, wird man sehen, es wäre wieder eine politische Gelegenheit für Eigenlob.

Die Schweizer Wirtschaft hat das Schlimmste hinter sich. So ist zumindest die Einschätzung des Seco. Nachdem die Schweiz ihre Coronamassnahmen ab April lockern konnte, habe sich die Wirtschaft zügig erholt. Die Arbeitslosigkeit steige seit Mai nur noch langsam. Die wieder steigenden Ansteckungszahlen würden die Wirtschaft bislang kaum bremsen. Ökonom Indergand: «So katastrophal das erste Halbjahr war, der Tiefpunkt ist überwunden.»

Demgegenüber stehen allerdings Warnungen aus Branchen, die wichtige Arbeitgeber sind. Casimir Platzer, Präsident von Gastrosuisse, sagte: Unter den aktuellen Bedingungen könnten Gastgewerbe und Tourismus nicht funktionieren.