Ins Visier der Konzern-Initiative geraten: Baarer Holzhändler bangt um seinen Ruf

Der Fall von Interholco in Baar zeigt, wie sehr die Einschätzung der Aktivitäten eines Konzerns im Ausland eine Frage der Perspektive ist.

Christopher Gilb
Drucken
Konzernchef Ulrich Grauert im Interholco-Hauptsitz in Baar: ein Plädoyer fürs Tropenholz.

Konzernchef Ulrich Grauert im Interholco-Hauptsitz in Baar: ein Plädoyer fürs Tropenholz.

Bild: Nadia Schärli (30. Januar 2020)

Vermutlich habe die Kritik mit diesem romantischen Bild zu tun, das viele vom Regenwald hätten, sagt Ulrich Grauert. Grosse nebeneinanderstehende Bäume und dazwischen allerlei exotische Tiere – «und dann kommt die Holzfirma aus der Schweiz und macht alles kaputt». Dabei habe Tropenholz viele Vorteile. Es sei sehr feuerfest, geradezu prädestiniert für Türen, witterungsbeständig und langlebig, perfekt für Terrassen und den Hausbau.

Die französische Eisenbahn, so Grauert, habe bis in die 70er-Jahre im Schienenbau Tropenholz verwendet. Bis es in Verruf gekommen sei. Dann sei sie umgestiegen auf Betonschwellen und auf europäische Eiche, die aber, um genügend beständig zu sein, erst einmal mit Chemie habe vollgepumpt werden müssen. «Nun setzen sie wieder auf Holz aus Afrika, es ist einfach nachhaltiger.»

Grauert, 54, geboren in Afrika als Sohn eines deutschen Holzhändlers, Absolvent eines Wirtschafts-, Politik- und Philosophiestudiums in England, ist seit 1993 bei Interholco in Baar tätig und seit 1998 deren Geschäftsführer. Interholco gehört zum österreichischen Holzkonzern Danzer und ist dort seit 1962 für das Afrikageschäft zuständig. 25 Angestellte hat die Firma in Baar, 1000 in Afrika. Der Umsatz betrug letztes Jahr 65 Millionen Euro.

Das Konzessionsgebiet im Norden der Republik Kongo ist ein Fünftel so gross wie die Schweiz, 16000 Menschen leben dort, 70000 Gorillas und 400 Elefanten. «Wenn man darüber fliegt, sieht man eine Dreiviertelstunde lang nur Wald, Wald, Wald», sagt Grauert. «Und so wird es auch bleiben.»

Zwei konträre Dokumentationen

Es gab in letzter Zeit zwei Fernsehdokumentationen, die sich mit Interholco beschäftigen. Die eine, «Kongo – Schutz für den Gorillawald» (Link zur Kurzversion der Doku), zeichnet ein positives Bild der Firma. Sie zeigt, dass Interholco keinen Kahlschlag betreibt, sondern höchstens einen Baum auf einem Gebiet von der Grösse zweier Fussballfelder schlägt. Die Konzession wurde dafür in Gebiete unterteilt, die jeweils im Zyklus von 30 Jahren nur für kurze Zeit bearbeitet werden:

So soll sichergestellt werden, dass Bäume nachwachsen und Wege zuwachsen. Zudem dürfen erst Bäume ab einem gewissen Durchmesser gefällt werden, dies in enger Abstimmung mit den Einheimischen. Im Sinne des Labels FSC, das von Unternehmen und NGOs ins Leben gerufen wurde und für nachhaltige Bewirtschaftung steht, betreibt Interholco zudem einen lokalen Entwicklungsfonds und baut in den Dörfern Schulen und Spitäler. Die dortigen Bewohner haben dank Interholco nun ein Auskommen. Und auch um die Tierwelt wird sich gekümmert, so werden Schutzzonen für Gorillas erstellt. Gemäss einer Studie der NGO «Wildlife Conservation Society» hat die Tierpopulation trotz Holzernte, wie Grauert das Fällen nennt, nicht abgenommen. Der Film wurde 2019 mit dem deutschen Naturfilmpreis ausgezeichnet. Er zeige, wie es gelingen könne, der Natur einen Wert zu geben, der letztlich zu ihrem Schutz beiträgt, heisst es in der Begründung.

Die zweite Dokumentation, «Die Ausbeutung der Urwälder», zeichnet ein weniger positives Bild: Sie setzt sich kritisch mit dem Label FSC auseinander, aus dem einzelne NGOs oder deren Sektionen wie Greenpeace Schweiz inzwischen wieder ausgetreten sind, weil die Holzfirmen das Label ihrer Ansicht nach missbrauchen würden, um Kahlschlag und Monokulturen als nachhaltig zu zertifizieren. Der FSC widerspricht dieser Darstellung.

Eines der Unternehmen, das in der Dokumentation thematisiert wird, ist Interholco. Gezeigt wird ein ehemaliger FSC-Kontrolleur im Kongo, demzufolge sich Firmen für die Kontrollen zwar anstrengen, danach die Anforderungen aber schleifen lassen würden. Darauf folgt eine Gruppe Eingeborener, die sich darüber echauffiert, dass ihr von der Firma verboten worden sei, ihre Felder zu bestellen. Zudem dürften sie wegen der Vorgaben des Labels im Wald nicht mehr jagen.

Gezeigt wird auch ein Professor in den USA, der anhand von Satellitenkarten «den deutlichen Einfluss des Holzschlags» aufzeigt. Er kritisiert, durch die Zubringerstrassen würden die Menschen einen unwiderruflichen Fussabdruck hinterlassen. Grauert nennt diese Vorwürfe schlecht recherchiert und willkürlich. «Die Eingeborenen haben weiterhin ihre angestammten Rechte, können jagen und Landwirtschaft betreiben.»

Als Mitte 2019 die Kampagne für die Konzernverantwortungsinitiative (Kovi), die 2020 zur Abstimmung kommen könnte, lanciert wurde, war es die zweite Dokumentation, auf die sich die Verantwortlichen stützten. «Zuger Firma schädigt den Regenwald» lautet der Titel eines Beitrags auf der Website des Komitees. Auch Unterschriften für einen Protestbrief an Interholco wurden gesammelt. Zusammen mit dem Rohstoffkonzern Glencore gehörte Interholco nun zu den bösen Gesichtern im Kanton Zug.

Herr Grauert, hat es Sie gestört, mit Unternehmen wie Glencore verglichen zu werden?

Absolut, wir sind ein familiengeführtes KMU, kein börsenkodierter Grosskonzern. Bei der Kovi wird aber leider alles in einen Topf geworfen. Das war auch für unsere Mitarbeiter sehr unangenehm, die sich plötzlich für ihren Arbeitgeber rechtfertigen mussten.

Was halten Sie von der Initiative?

Wir als Firma sind natürlich politisch neutral, aber ich persönlich unterstütze deren Anliegen.

Wirklich?

Für uns ist es eine Selbstverständlichkeit in den Regionen, in denen wir tätig sind, auch Verantwortung für die Umwelt und die Menschenrechte zu übernehmen. Eine Annahme der Initiative hätte für uns keinerlei Konsequenzen. Aber mir ist nicht klar, wie die Umsetzung funktionieren soll.

Wo orten Sie Schwierigkeiten?

Ob es möglich ist, dass ein Schweizer Gericht etwa über einen Fall in Peru Recht spricht. Solche Länder sind ja keine rechtsfreien Räume, sondern haben eine funktionierende Justiz. Viele sind beispielsweise erstaunt, wenn wir sie über das Niveau der Forstgesetzgebung im Kongo aufklären, die sich an die europäische Gesetzgebung anlehnt.

Spricht man mit Schweizer NGOs über die Dokumentationen, zeigt sich Uneinigkeit: «Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte, die eine Dokumentation geht in Richtung Propaganda, die andere wollte wohl unbedingt die kritischen Seiten des FSC-Label thematisieren», sagt Asti Roesle von Greenpeace. Trotzdem tendiere sie persönlich klar zur kritischen Dokumentation. «Aus meiner Perspektive schleckt keine Geiss weg, dass der Konzern Strassen in ein intaktes Waldgebiet schlägt.»

Auch für Christoph Wiedmer von der Gesellschaft für bedrohte Völker liegt die Wahrheit in der Mitte, aber näher bei der positiven Dokumentation. «Ich verfolge Interholco schon seit langem, und früher lag vieles im Argen.» Mit dem FSC-Label übernehme die Firma aber deutlich mehr Verantwortung. «Und die lokalen Bantu- und Pygmäengemeinschaften haben eine positivere Einstellung zu Interholco gewonnen, denn sie bringt ihnen Jobs und respektiert ihre Rechte.» Die allgemeine Kritik treffe grundsätzlich auf die Holzindustrie zu, aber kaum auf Interholco, findet Wiedmer.

Für diese Einschätzung spricht das jährliche Ranking der Gelehrtengesellschaft Zoological Society of London. Weltweit werden anhand von 150 Indikatoren Firmen, die mit Tropenholz arbeiten, auf ihre Nachhaltigkeit getestet. Interholco landete jüngst zum dritten Mal in Folge auf Platz 1.

Er habe nach Bekanntwerden der Kampagne der Kovi Kontakt zu den Verantwortlichen aufgenommen, erinnert sich Grauert. Die Kampagne sei schliesslich rufschädigend gewesen. «Wir hatten mehrere Gespräche. Sie waren einsichtig und die Kampagne wurde zurückgefahren.» Dass auf der Website aber weiterhin der negative Artikel über Inerholco zu finden sei, finde er inakzeptabel.

Auf Nachfrage teilen die Verantwortlichen der Kovi mit, an der Kampagne festhalten zu wollen, und widersprechen dem Interholco-Chef: «Das Gespräch und der Austausch von E-Mails mit Herrn Grauert führte nicht dazu, dass sich unsere jeweiligen Einschätzungen der Situation nennenswert anglichen. Er konnte aus unserer Sicht keine überzeugenden Antworten auf diverse Fragen unsererseits präsentieren», heisst es in der schriftlichen Antwort. Die Firma werde auch in Zukunft als Negativbeispiel genannt, «weil die Aktivitäten von Interholco dem für die Biodiversität und das Klima besonders wertvollen Regenwald schaden.»

Das ganze Gegeneinander helfe doch niemandem, sagt Ulrich Grauert. «Vielmehr wäre eine Bündniskultur wichtig, bei der Forstfirmen, die Bevölkerung, NGOs, Finanzinstitute, Politik und vor allem Endverbraucher am gleichen Strang ziehen.»