Konjunktur
Wird 2022 das Jahr der Konkurse? Eine neue Analyse meint ja - doch nicht alles spricht dafür

Weniger Ertrag und mehr Schulden: Die Welt vieler Schweizer KMU sieht eher düster aus. Doch an den Horrorszenarien gibt es auch Zweifel.

Daniel Zulauf
Drucken
Nächstes Jahr könnte bis zu 11000 KMU das Aus drohen.

Nächstes Jahr könnte bis zu 11000 KMU das Aus drohen.

Machdas / iStockphoto

Die grosse Konkurswelle in der Schweizer Unternehmenslandschaft lässt weiter auf sich warten. Zwar werde die Zahl der Firmenpleiten im laufenden Jahr um 2,1 Prozent zunehmen, wie der Schweizerische Gläubigerverband Creditreform diese Woche vorausgesagt hat. Doch Veränderungsraten in dieser Grössenordnung sind in der langjährigen Konkursstatistik keine auffallende Erscheinung.

Zu befürchten war eine viel stärkere Zunahme, zumal im ersten Pandemiejahr 2020 die Zahl der Konkurse trotz Konjunktureinbruch um fast sieben Prozent zurückgegangen war, wie das Bundesamt für Statistik im April feststellte. Offensichtlich haben die staatlichen Unterstützungsleistungen und insbesondere das mit Bundesgarantien gedeckte Covid-19-Kreditprogramm für KMU ihren Zweck erfüllt. Die Firmen überlebten die behördlich verordneten Schliessungen.

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Creditreform geht in Übereinstimmung mit vielen Wirtschaftsbeobachtern davon aus, dass eine stärkere Pleitewelle doch noch kommen wird.

Zu diesem Ergebnis kommt auch eine neue Analyse der Beratungsfirma Alvarez & Marsal, die zu diesem Zweck die Geschäftszahlen von 180 Schweizer Firmen durchleuchtet hat. Die Untersuchung zeigt, dass sich die Ertragslage vieler Firmen im vergangenen Jahr teilweise stark verschlechtert hat. Rund ein Viertel der Firmen hätten 2020 nur schlecht oder gar zu wenig verdient. Bei 30 Prozent der unersuchten Firmen zeigte sich, dass deren Finanzlage 2020 angespannt beziehungsweise sogar akut angespannt war.

Viele KMU stehen vor einem Schicksalsjahr

Viele dieser vornehmlich sehr kleinen KMU dürften deshalb vor einem schicksalhaften neuen Jahr stehen. Nicht nur drohen die Geschäfte durch die abermals mit voller Wucht einschlagende fünfte Pandemie-Welle Schaden zu nehmen. Für die leidgeplagten Unternehmerinnen und Unternehmer sind auch die längerfristigen Perspektiven nicht rosig.

Gestützt wird die pessimistische Prognose auch durch eine ebenfalls in der laufenden Woche publizierte Umfrage des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) über die Finanzierungssituation von KMU. Von den 2700 befragten Firmen setzten im Frühjahr 2021 rund 63 Prozent Fremdkapital ein. Bei der letzten Befragung im Jahr 2016 waren es erst 38 Prozent gewesen. Zwar gehe ein grosser Teil dieses Verschuldungsanstieges auf die Covid-19-Kredite zurück, mit denen der Bund und die Banken 2020 knapp 17 Milliarden Franken unter 140'000 KMU im Land verteilt hatten. Viele KMU haben diesen Gratiskredit nur vorsorglich gezogen und immerhin elf Prozent beabsichtigen diesen auf acht Jahre befristeten Kredit bereits Ende 2021 zurückzuzahlen.

Horrorszenario bleibt theoretisch

Aber acht Prozent der KMU glauben nicht, dass sie den Kredit vollständig werden tilgen können. Das Seco gibt an, dass 30 Prozent oder gut 800 der 2700 befragten KMU einen Covid-19-Kredit bezogen haben. Überträgt man die Quote von acht Prozent der nicht rückzahlungsfähigen KMU auf das Total aller 140'000 Covid-19-Kredit-Empfänger ergibt sich eine Zahl von mehr als 11'000 Firmen, die das Geld möglicherweise nicht mehr zurückzahlen können und deshalb Konkurs anmelden müssen.

Dieser auf den ersten Blick sehr hohen Zahl stehen allerdings die weit über 10'000 Insolvenzen entgegen, die es jedes Jahr, auch in guten Zeiten gibt. 2019 waren es 13'800. Wie stark die zu erwartende Pleitewelle letztlich sein wird bleibt offen. Unklar ist auch wie schnell diese über das Land hinwegrollen wird. Für Horrorszenarien ist es noch zu früh.