KONSUM: Harter Kampf um den Kunden

In der Modebranche herrscht Unruhe. Die Preise für Kleidung fallen, und grosse Firmen schliessen sich zusammen. Experten halten auch Pleiten für möglich.

Bernhard Marks
Drucken
Das Geschäft von Schild an der Kramgasse in Luzern wurde gerade für 6 Millionen Franken renoviert. (Bild: Pius Amrein / Neue LZ)

Das Geschäft von Schild an der Kramgasse in Luzern wurde gerade für 6 Millionen Franken renoviert. (Bild: Pius Amrein / Neue LZ)

Wenn es draussen stürmt und regnet und wenn die Abende länger und kälter werden, braucht man warme Bekleidung. Aber warum den dicken Pullover zum regulären Preis kaufen? Schliesslich ist dasselbe Produkt schon bald für die Hälfte zu haben. Ob im Ausverkauf, im Ausland oder im Internet: Mit der richtigen Strategie und ein wenig Geduld kann der Kunde heute schnell und einfach Geld sparen. Diese den Geldbeutel schonende Zurückhaltung des Kunden beim Kauf wird für den Schweizer Bekleidungsmarkt derzeit zu einem grossen Problem.

Es rumort in der Branche

Der Zusammenschluss zwischen Globus und dem Luzerner Modehaus Schild zeigt: Die Branche ist derzeit nicht gerade auf Rosen gebettet. «Seit Mitte 2011 ist der Bekleidungsmarkt zwischen 4 und 5 Prozent jährlich geschrumpft», sagt Stefan Portmann. Der Verwaltungsratspräsident des Luzerner Modehauses Schild nennt vor allem Preissenkungen als Ursache dafür. Um durchschnittlich 20 Prozent hat das Modehaus die Preise gesenkt (wir berichteten).

Während Schild als eines der wenigen Unternehmen der Schweiz mit einem Umsatzplus von 1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr als Branchenprimus dasteht, haben internationale Firmen wie Esprit bereits auf die sinkenden Umsätze reagiert und die Verkaufsfläche deutlich verkleinert. Von ehemals 261 Esprit-Filialen im Jahr 2005 sind 2012 lediglich 131 übrig geblieben. Die Umsätze des Modehauses schrumpften allein von 2010 bis 2012 von 204 Millionen Franken auf heute 150 Millionen Franken (siehe Grafik). Auch H & M verzeichnete im Spitzenjahr 2010 Umsätze von 880 Millionen Franken alleine in der Schweiz. Diese schrumpften bis 2012 um 10 Prozent auf rund 800 Millionen Franken zusammen. Besonders kritisch ist die Lage bei Charles Vögele. Im Jahr 2012 betrugen die Umsätze auf nationaler Ebene 374 Millionen Franken. 2005 hatte das Schwyzer Modehaus noch Kleidung im Wert von sage und schreibe 515 Millionen Franken pro Jahr verkauft.

Schwächelnde Nachfrage

Die eigentliche Ursache für die sinkenden Umsätze im Schweizer Bekleidungsmarkt ist schnell gefunden. Die Nachfrage im sonst als so kaufkräftig gepriesenen Land schwächelt. «Die Haushalte geben seit Jahren konstant 2,5 Prozent ihres Bruttoeinkommens für Bekleidung und Schuhe aus. Nachfrageseitig wächst das Geschäft also höchstens im Gleichschritt mit der Bevölkerung», sagt Damian Künzi, Detailhandelsexperte bei der Credit Suisse. «Die vielen Labels kämpfen in der Schweiz um einen kaum wachsenden Kuchen von Konsumenten, die sich sehr launisch verhalten und entsprechend Gewinner und Verlierer unter den Anbietern produzieren», so Künzi weiter.

Hinzu kommt, dass viele ausländische Firmen, die sich in den letzten Jahren in den Schweizer Markt gedrängt haben, das inländische Angebot für Kleidung stark vergrössert haben. Das hat zu einem Überangebot geführt. «Wir sind überzeugt, dass das Überangebot an Verkaufsflächen und Verkaufskapazitäten derzeit das Potenzial hat, 10 Millionen Einwohner einzukleiden», sagt der Geschäftsführer des Verbandes Swiss Fashion Stores, Armin Haymoz, im Gespräch mit unserer Zeitung. Dies, obwohl derzeit nur etwa 8 Millionen Menschen in der Schweiz leben. Dies werde unweigerlich zu einer Konsolidierung führen», sagt Haymoz. Der Verdrängungskampf in der Branche müsse früher oder später zu Reduktionen der Verkaufsflächen führen.
Das sieht Künzi ähnlich. Er schliesst Ladenschliessungen deshalb nicht aus. «Die Konkurrenz unter den Anbietern ist in der Tat gestiegen», sagt Künzi. Viele Verkaufsflächen, die zum Beispiel in Einkaufszentren neu auf den Markt kamen, wurden von expandierenden Bekleidungsdetailhändlern besetzt. Treiber waren oft ausländische Marken, die sich aufgrund der hohen Schweizer Kaufkraft Wachstumschancen erhofften, sowie Labels, die mit eigenen Markengeschäften auf den Markt drängten (sogenannte Monolabel-Stores). «Aufgrund des Flächenwachstums in der Vergangenheit und der anhaltenden Nachfrageschwäche nimmt der Konsolidierungsdruck allerdings derzeit enorm zu», sagt Künzi. Die zunehmende Bedeutung des Onlinehandels erhöhe den Druck zusätzlich. «Ladenschliessungen oder gar der Rückzug aus dem Schweizer Markt sind keine Tabus mehr», sagt Künzi.

Für das Modehaus Charles Vögele, seit Jahren Sorgenkind der Branche, könnte es eng werden, wenn sich die Marktlage in der Schweiz zuspitzt. In der Schweiz konnte Vögele im ersten Halbjahr 2013 immerhin mehr Betriebsgewinn erzielen. Doch in den Benelux-Ländern und auch in Osteuropa schreibt der Konzern weiterhin Verluste. Aus gutem Grund hält das Vögele-Management daher an dem dichten Netz in der Schweiz mit 170 Filialen fest. Denn noch bringen die Schweizer Läden Gewinn. Gewinn, den Vögele dringend benötigt. «Unser Ziel ist klar – wir wollen Charles Vögele wieder zurück zu einer nachhaltigen Profitabilität führen», sagt die Sprecherin Nicole Borel. «Die Schweiz ist einer unserer Kernmärkte, an den wir glauben.» Im Jahr 2015 will und muss Vögele wieder profitabel sein.

Preise senken ist nicht alles

Experten hegen allerdings Zweifel am Gelingen dieses Vorhabens. Denn sie glauben, dass die eigentliche Konsolidierung im Schweizer Bekleidungsmarkt erst noch bevorsteht. Stefan Portmann von Schild beispielsweise ist überzeugt, dass der E-Commerce im Bekleidungsmarkt von heute rund 7 Prozent auf über 20 Prozent in den nächsten fünf Jahren ansteigen wird. «Dies wird den stationären Handel zusätzlich unter Druck setzen», sagt Portmann. Um nicht weiter die Preise für Bekleidung nach unten korrigieren zu müssen, suchen Schweizer Detailhändler nach Umsatz bringenden Konzepten und Möglichkeiten, Kosten einzusparen. Fusionen wie die von Globus mit Schild sind dafür ein probates Mittel. Jüngstes Beispiel ist auch die Berner Warenhaus-Gruppe Loeb, die per 1. Juni 2014 neun Standorte der Scooter-Fashion-Gruppe übernahm.
«Der stationäre Modehandel wird auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen», sagt Künzi. Es müssten jedoch mit attraktiven Flächenkonzepten und neuen Verkaufsstrategien einige Herausforderungen gemeistert werden. Aber wie könnten solche Strategien aussehen? «Um neue Kunden anzulocken, werden Modehändler in Zukunft gezwungen sein, auf ihrer Verkaufsfläche zusätzliche Produkte anzubieten», sagt Portmann. Er denkt dabei an Schuhe, zusätzliche Angebote oder Accessoires. «Nur so können der Umsatz und der Ertrag einer Firma gehalten werden», so Portmann.

Auch der Service spielt eine wichtige Rolle. «Wer nicht Einheitskleidung will, wer sich nicht in der Riesenmenge an prall gefüllten Kleiderständern verirren will, ist im Fachgeschäft willkommen», sagt Haymoz.