Eine Gruppe Gesundheitspolitiker schlägt ein neues Modell vor, dank dem die Prämien für Kinder und Jugendliche sinken sollen. Doch das hat Tücken.
Sermîn Faki
Seit Jahren schon bastelt die Politik daran, Familien von den stetig steigenden Krankenkassenprämien zu entlasten. Wie Recherchen der «Zentralschweiz am Sonntag» zeigen, ist nun endlich eine Lösung in Sicht: Eine Subkommission der Gesundheitskommission des Nationalrats hat sich auf ein Modell verständigt, das sowohl die Prämien für Kinder bis 18 Jahre und jene für junge Erwachsene zwischen 19 und 25 Jahren markant senken würde. Stimmt die Gesamtkommission in einer der nächsten Sitzungen zu, soll der Vorschlag noch dieses Jahr in die Vernehmlassung zu Kantonen und Verbänden geschickt werden.
Das Modell der Gesundheitspolitiker sieht vor, dass die Krankenkassen die Prämien der jungen Erwachsenen um bis zu 25 Prozent senken. Um das zu ermöglichen, will die Politik die Summe senken, die die Kassen in den Risikoausgleich einzahlen müssen. Der Risikoausgleich ist eine Art Solidaritätsfonds, der verhindern soll, dass Krankenkassen profitieren, wenn sie vor allem junge und gesunde Kunden versichern. Daher müssen sie für jeden jungen Versicherten Geld in den Fonds einzahlen, erhalten aber für jeden älteren und kranken Versicherten, der vermutlich ein grösseres Kostenrisiko ist, auch Geld aus dem Topf zurück.
Der Risikoausgleich entspricht dem Solidaritätsgedanken der Krankenversicherung, führt aber auch dazu, dass zwei Drittel der monatlichen Prämie eines 19- bis 26-Jährigen für Zahlungen in Risikoausgleich fliessen. Wie mehrere Mitglieder der Subkommission bestätigen, soll dieser Anteil um knapp 100 Franken pro Versicherten und Monat gesenkt werden. Das gibt den Kassen die Möglichkeit, auch die Prämien für die jungen Erwachsenen zu reduzieren. Eine solche Prämiensenkung käme nicht zuletzt den Kantonen zugute, die heute an fast jeden zweiten jungen Erwachsenen Prämienverbilligungen abgeben müssen. Kein Wunder, zahlen Jugendliche doch trotz geringem Einkommen fast so hohe Prämien wie Erwachsene.
Gemäss Schätzungen der Subkommission könnten die Kantone jährlich um etwa 70 Millionen Franken entlastet werden. Dieses Geld – so sieht es der zweite Schritt des Vorschlags vor – sollen sie zwingend in Prämienverbilligungen für Kinder, die in Haushalten mit tiefen und mittleren Einkommen leben, einsetzen. Laut ersten Berechnungen könnten deren Prämien um mindestens 80 Prozent reduziert werden. Heute müssen es per Gesetz nur 50 Prozent sein.
Der Vorschlag sorgt dafür, dass die Prämien gesenkt werden können, ohne andere Versicherte oder Bund und Kantone übermässig zu belasten. Diese Kostenneutralität war eine Bedingung, welche die Kommission ihrer Arbeitsgruppe vor zwei Jahren diktiert hatte. Dies nachdem die Subkommission vorgeschlagen hatte, Kinder komplett von Prämien zu befreien. Bund und Kantone hätte dies 700 Millionen Franken im Jahr gekostet, was vor allem bei den Ständen auf erbitterten Widerstand gestossen war.
Mit der jetzt vorgeschlagenen Lösung würden die Kantone kaum zusätzlich belastet. Ganz umsonst ist aber nichts zu haben, immerhin muss jemand die reduzierten Zahlungen in den Risikoausgleich auffangen. Das sollen nach dem Willen der Subkommission die über 26-jährigen Versicherten sein, deren monatliche Prämie um etwa 10 Franken steigen würde. Familien mit Kindern oder Jugendliche in Ausbildung würden unter dem Strich dennoch profitieren. Das sei auch dringend nötig, wie die Aargauer CVP-Nationalrätin Ruth Humbel sagt, die vor fünf Jahren mit einem Vorstoss die Arbeiten angestossen hatte. «Gerade Mittelstandsfamilien können die Belastung durch die Prämien kaum mehr stemmen», sagt sie. Einen Wermutstropfen habe der Vorschlag aus ihrer Sicht: «Ich wollte auch Schwelleneffekte verhindern.» Ihr schwebte eine Lösung vor, die verhindert, dass jene, die alles selbst finanzieren, zum Schluss weniger Geld zur Verfügung haben als Familien, die Prämienverbilligungen erhalten. «Das ist mit der jetzigen Lösung nicht garantiert», sagt Humbel. Dennoch sei sie zufrieden: «Familien mit tiefen Einkommen werden spürbar entlastet.»
Nun wird es darauf ankommen, ob das Modell die nötigen politischen Mehrheiten findet. In der Subkommission kam es nur sehr knapp durch, vor allem weil sich FDP und SVP querstellten. Die grüne Nationalrätin Yvonne Gilli ist daher skeptisch, dass der Vorschlag wirklich Realität wird: «Wenn SVP und FDP bei den Wahlen zulegen, wird es im neuen Parlament schwierig, ein solches Paket durchzubringen», sagt sie. Auch Gilli selbst ist nicht restlos überzeugt. Wie Hummel bemängelt sie, dass sich Giesskanneneffekte nicht ausschliessen liessen. Zudem bezweifelt die St. Galler Ärztin, ob die Kostenneutralität wirklich garantiert werden könne. «Doch auch wenn die Vorlage nicht das Gelbe vom Ei ist, ich unterstütze sie», sagt Gilli.
Humbel ist sich bewusst, dass die Chancen schwer abzuschätzen sind. «Ob der Vorschlag mehrheitsfähig ist, wird insbesondere von der Positionierung der Kantone abhängen», sagt sie. Bei der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorien gibt man sich «prinzipiell offen» für den Vorschlag. Allerdings, so Zentralsekretär Michael Jordi, müssten die konkreten Auswirkungen unter die Lupe genommen werden: «Wenn man im hochkomplexen Gesundheitssystem an einer Schraube dreht, bewegt sich wahrscheinlich am anderen Ende ein Rädchen, das man gar nicht auf dem Radar hatte. Wir sind aber gern bereit, dies genau zu prüfen.»
Auch bei den Krankenversicherern ist kein fundamentaler Widerstand zu spüren. Das verwundert nicht, hat doch deren Dachverband bereits vor zwei Jahren angemahnt, dass die Kinderprämien abzuschaffen seien und dazu verschiedene Massnahmen vorgeschlagen, die sich in der jetzt ausgehandelten Lösung wiederfinden. «Die Idee des Vorschlags entspricht weitgehend unserem Vorschlag von 2013», sagt daher Sandra Kobelt, Leiterin Politik und Kommunikation. Familien, die erst diese Woche erneut eine Erhöhung der Prämien verkraften mussten, können wenigstens weiterhin eines: hoffen, dass es nicht immer so weitergeht.