Die Chinesen haben Bitcoin grossgemacht. Doch inzwischen ist die Kryptowährung der chinesischen Führung ein Dorn im Auge. Mit immer neuen Regulationen versucht sie das Spekulationsgeschäft einzudämmen – mit nur mässigem Erfolg.
Felix Lee, Peking
Jahrelang interessierten sich nur Technik-Insider für Bitcoin. Das änderte sich schlagartig, als vor etwa zwei Jahren chinesische Anleger die heute bekannteste Kryptowährung für sich entdeckten. Viele Chinesen vertrauen der heimischen Geldpolitik nicht, sie halten Chinas Kapitalkontrollen für zu rigide. Rasch sprach sich herum, der Kauf von Bitcoin biete eine Möglichkeit, das Vermögen vor der staatlichen Finanzaufsicht zu verbergen. Der Bitcoin-Kurs schnellte nach oben.
Inzwischen liegt der Wert eines Bitcoin bei über 18 000 US-Dollar. Das Kryptofieber hat längst die ganze Welt erfasst. Vermutet wird, dass dennoch zwischen 50 und 70 Prozent des Bitcoin-Handels unter Ostasiaten abgewickelt wird; allen voran sind Chinesen beteiligt. Ausgerechnet im einstigen Vorreiterland könnte es mit dem Bitcoin-Fieber aber schon bald wieder zu Ende sein.
Im September hat die Regierung sämtliche Handelsplätze im Land für die neuen Währungen verboten. Das wiederum hatte zur Folge, dass sich Chinas drittgrösstes IT-Unternehmen Baidu von Bitcoin als Zahlungsoption für seine Dienste verabschieden musste. Andere Anbieter folgten. Nun droht dem Bitcoin-System in China ein weiterer Schlag. Sogenannten Minern (von Bergarbeiter abgeleitet), die dem Bitcoin-System die Rechenleistung von extrem starken Computern zur Verfügung stellen und als Belohnung dafür neu geschaffene Bitcoins erhalten, soll in China nun der Strom abgedreht werden.
Bitcoin ist eine rein digitale Währung. Sie kommt ohne Zentralbanken und Banken aus. Die Berechnung der Kontostände gilt als äusserst sicher. Das ist nur durch neue Methoden der Informatik möglich geworden. Im Herz des Systems befindet sich die sogenannte Blockchain, eine öffentliche Datenbank, die wirksam vor Manipulationen schützt.
Zur «Gewinnung» von Bitcoin wird jedoch extrem viel Strom benötigt. Das Tückische an diesem System: Je mehr Rechenleistung zur Verfügung steht, sprich je mehr Leute daran teilnehmen, desto schwerer wird das Mining. Ein Rüstungswettlauf um die leistungsfähigsten Prozessoren setzt ein – was entsprechend noch mehr Strom abverlangt. Derzeit verbraucht eine Transaktion so viel Strom wie ein durchschnittlicher US-amerikanischer Haushalt in acht Tagen. Die meisten Bitcoin-Minen entstanden in China wegen der niedrigen Stromkosten. Die Betreiber solcher Minen operierten vor allem in der Nähe von grossen Wasserkraftwerken im Westen und im Südwesten des Landes, wo es viele Staudämme gibt, oder in Regionen mit viel Kohleabbau, also in Zentralchina. Die meisten Miner arbeiteten in diesen Gegenden mit den örtlichen Energieversorgern eng zusammen. Es wird vermutet, dass diese an dem Geschäft kräftig mitverdienten. Mitte November hat der staatseigene Energieversorger State Grid Minern in der südwestchinesischen Provinz Sichuan verfügt, dass Minern der Strom gedrosselt wird. Die Versorgung der Haushalte habe absolute Priorität vor sonstigen Geschäftsinteressen, heisst es in dem Schreiben.
Andere Regionen folgen diesem Schritt nun. «Die Party ist vorbei», sagt Bobby Lee, Chef der vor kurzem geschlossenen Bitcoin-Börse BTCC. Die chinesische Führung will bei neuen technischen Erfindungen gerne vorne mitspielen und zeigte sich anfangs interessiert an Kryptowährungen. In dem zuletzt aus ihrer Sicht ausufernden Handel mit Bitcoin sieht sie jedoch inzwischen eine Gefahr.
«Virtuelle Währungen sind ein Instrument krimineller Aktivitäten», erklärte Mitte Dezember die National Internet Finance Association of China, eine Unterabteilung der chinesischen Zentralbank, die wiederum unmittelbar der chinesischen Regierung unterstellt ist.
Trotz der jüngsten Einschränkungen – der Handel mit den Coins dürfte auch in China weitergehen. Die offiziellen Börsen hat die Regierung zwar schliessen lassen. Umso mehr boomt seitdem der Handel mit Bitcoin von Nutzern untereinander. Dienstleister Local Bitcoin vermutet, dass der inoffizielle Handel allein seit September um 2200 Prozent zugenommen hat. Bitcoins seien derzeit zu attraktiv, als dass Chinesen die Finger davon lassen würden.