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Wirtschaft
Das Coronavirus lässt die Mietpreise für Ladenflächen 2020 um 4,5 Prozent sinken. Schon jetzt lassen sich mehr Leerstände verzeichnen.
Vermieter und Mieter verfolgen derzeit gebannt, was das Parlament in Sachen Mietstreit entscheiden wird. An wem der Grossteil der Kosten für die vom Lockdown betroffenen Geschäftsmieten hängen bleibt, war lange Zeit völlig offen. Beide Seiten jagten sich öffentlich mit Argumenten und Gegenargumenten. Die Räte arbeiten nun an einer Lösung, sind sich aber noch uneins: Die Wirtschaftskommission des Nationalrates fordert, dass sämtliche Mieter während des Lockdowns nur 30 Prozent der Miete schulden sollen. Die Wirtschaftskommission des Ständerats hingegen will, dass nur Kleinbetrieben und Selbständigerwerbenden mit einer Monatsmiete von unter 5000 Franken geholfen wird. Ihnen soll die Nettomiete für zwei Monate ganz erlassen werden. Wie es tatsächlich kommt, zeigt sich in der kommenden Sondersession.
Sicher ist allerdings, dass sich der Markt für Verkaufsflächen auch unabhängig vom Ausgang dieses Streits verändern wird. Die Mietpreise sinken in diesem Segment schon seit fünf Jahren. Grund dafür sind die sinkenden Umsätze der Händler wegen der stärkeren Onlinekonkurrenz. Es gibt einige Ausnahmen: So sind etwa an der Zürcher Bahnhofstrasse die Mieten immer noch stabil hoch. Die gegenwärtige Coronakrise dürfte die Mieten in der Schweiz jetzt noch schneller rutschen lassen. Das Immobilienberatungsunternehmen Wüst Partner rechnet damit, dass die Mietpreise für Verkaufsflächen im laufenden Jahr um 4,5 Prozent sinken werden. Die Mietpreise für Büroflächen dürften 2020 ebenfalls sinken, allerdings weniger stark.
«Das Verkaufsflächen-Segment ist den Massnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus am stärksten ausgesetzt», sagt Robert Weinert, der bei Wüest Partner das Immobilien-Monitoring verantwortet. «Je länger die Massnahmen gelten, desto stärker wird der ohnehin schon unter Druck stehende stationäre Detailhandel die negativen Folgen spüren.» Mit anderen Worten: Konkurse von Buchhandlungen, Sport- oder Kleidergeschäften sind nicht auszuschliessen, was in der Folge zu einer höheren Leerstandsquote und zu tieferen Mieten führen wird. Steigende Leerstände bei Gewerbe- und Büroflächen sind laut einer Studie der Zürcher Kantonalbank schon jetzt zu verzeichnen.
Weinert geht davon aus, dass dieser Einbruch mittelfristig nicht komplett wieder aufgeholt wird. «Die Wahrscheinlichkeit, dass die Branche unter Druck und die Mieten tief bleiben, ist höher, als dass die Mieten wieder steigen.» Was heisst das nun für den Detailhandel und für das Stadtbild von Zürich, Bern und anderen Schweizer Städten? Werden die tieferen Mieten - sobald diese Krise überstanden ist - auch kleineren Geschäften wieder eine Chance bieten, sich an Toplagen einmieten zu können? Weinert bejaht: «Schon vor der Coronakrise konnte man in den Innenstädten und Einkaufszentren ein breiteres Angebot feststellen. Unter anderem haben Gastrobetriebe, Pop-up-Stores und Läden mit Nischenprodukten an Bedeutung gewonnen. An diese Vielfalt wird man nach der Coronakrise wohl wieder anknüpfen können.»
Bevor es besser wird, wird es aber zuerst schlimmer: Kurzfristig wird die Coronakrise zu vielen Konkursen und «Löchern im Angebot» führen, wie es Milan Prenosil sagt. Er ist Präsident der City Vereinigung Zürich und Verwaltungsratspräsident der Zürcher Confiserie Sprüngli. «Momentan sind Hunderte von Betrieben in ihrer Existenz bedroht. Von dieser Entwicklung könnten nun eher grosse Ketten profitieren, die grössere Reserven haben und die gegenwärtige Krise eher überleben werden.»
Für eine lebhafte Stadt braucht es seiner Meinung nach deshalb unbedingt Hilfe - sowohl vom Bund als auch von den Vermietern. «Jeder Vermieter muss auch langfristig denken und sich Gedanken über die Stadt von morgen machen. Will er jahrelange Leerstände verhindern, sollte er seinen Mietern mit dem Mietpreis jetzt entgegenkommen.» Für den Fall, dass gemeinsam eine Konkurswelle verhindert werden kann, gesteht sich Prenosil ein wenig Optimismus zu: «Die Mieten dürften nach der Krise tief bleiben. Auf längere Sicht sehe ich deshalb eine gute Chance, dass der Ladenmix gegenüber heute noch besser sein könnte.»
Aus der Perspektive von Geschäftsmietern und Passanten sind das gute Nachrichten. Sie können sich langfristig an einem «bunteren Leben in den Städten» erfreuen, wie auch Robert Weinert sagt. Aus der Perspektive von Ladenflächenbesitzern ist diese Entwicklung jedoch weniger positiv. Um die Betriebs-, Unterhalts-, und Finanzierungskosten bezahlen zu können, sind sie auf stabile Mieteinnahmen angewiesen. Sowohl professionelle als auch private Vermieter hoffen, dass sich der Markt erholt und die Mietpreise nach der Coronakrise wieder anziehen. Dabei geht es um gewaltige Beträge: Die Immobilienexperten von Wüest Partner schätzen die Summe der jährlich bezahlten Mieten für Gewerbeflächen insgesamt auf rund 12 Milliarden Franken. Darin enthalten sind auch Gewerbe- und Industrieflächen.
Ob die Mietpreise irgendwann wieder steigen werden, steht momentan in den Sternen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass sich die Eigentümer - zumindest kurzfristig - mehr ins Zeug legen werden müssen. Die Firma Wüest Partner hat dazu einen Strauss an Empfehlungen publiziert: Vermieter müssen den Mietern vermehrt flexible Nutzungen ermöglichen und beispielsweise temporäre Mietverträge anbieten. Auch unkomplizierte Doppelnutzungen, zum Beispiel ein Café in einem Buchladen zu integrieren, sollten möglich sein. Last but not least kommen Vermieter je nachdem nicht umhin, Zugeständnisse beim Mietpreis zu machen.