Bundeshaus
Lobbying ist in der Schweiz ein 25-Millionen-Business

Polit-Einflüsterer haben Konjunktur: Public Affairs ist ein Wachstumsmarkt. In der Schweiz werden laut Branchenkenner mehr als 25 Millionen Franken erwirtschaftet. Und: Viele Politiker sind angewiesen auf die Arbeit der Lobbyisten.

Roman Seiler
Drucken
Nationalrätin Christa Markwalder will nicht gewusst haben, was ihr Lobbyistin Marie-Louise Baumann untergejubelt hat.

Nationalrätin Christa Markwalder will nicht gewusst haben, was ihr Lobbyistin Marie-Louise Baumann untergejubelt hat.

Keystone

Welch ein Wirbel um Fr. 7188.48! So viel soll ein kasachischer Politiker für eine Interpellation bezahlt haben. Eingereicht hat sie 2013 Nationalrätin Christa Markwalder. Die Freisinnige sagt, sie hätte nicht gewusst, dass die Auftraggeber den Text mitredigiert hätten. Der Entwurf stammte von Marie-Louise Baumann, einer früheren Mitarbeiterin des FDP-Generalsekretariats, die einst den Public-Affairs-Bereich des Schweizer Ablegers der PR-Agentur Burson-Marsteller geleitet hat. Die Agentur weist den Vorwurf zurück, nicht offen und transparent über die Auftragssituation orientiert zu haben.

In der Schnittstelle zwischen Politik und Wirtschaft

Sie arbeiten in der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Politik. Firmen und deren Verbände nutzen die Dienste von Spezialisten, um ihre Interessen in die Politik einfliessen zu lassen. Umgekehrt nutzen Politiker die Dienste von PR-Experten, um sich in ein möglichst gutes Licht zu rücken und ihre Botschaften den Wählern möglichst optimal schmackhaft zu machen.

Ihre Karriere starteten Lobbyisten oft als Sprecher von Bundesräten. So war beispielsweise Victor Schmid von den Konsulenten ebenso für Innenminister Flavio Cotti tätig wie Franz Egle von der Dynamics Group.

Andere kennen die Politik aus eigener Anschauung: Daniel Heller von Farner Consulting war bis im letzten Sommer Chef der FDP-Fraktion im Aargauer Grossrat. Andreas Hugi Zumikon (ZH) ist Präsident der Schulpflege.

Mandat für 150000 Franken

Die Interpellation war laut der «Neuen Zürcher Zeitung» Teil des Mandats einer kasachischen Partei. 150 000 Franken habe Burson-Marsteller damit umgesetzt. Die Lobby-Arbeit für eine zentralasiatische Diktatur hat halt ein Gschmäckli. Dazu kommt: Nun wird darüber gestritten, wer gewusst hat, dass die Kasachen verhindert haben, dass in der Interpellation das Wort «Menschenrechte» vorkommt.

Der Vorfall wirft auch ein schiefes Licht auf die Lobbyisten. Deren Interessenvertretung hat umgehend reagiert. Die Standeskommission der Schweizerischen Public Affairs Gesellschaft (SPAG) prüft, ob Marie-Louise Baumann gegen die Standesregeln der Branche verstossen hat.

Denn gemäss Andreas Hugi, Präsident des Bundes der Public Relations Agenturen der Schweiz (BPRA) und Managing Partner von furrerhugi., gilt: «Gegenüber Gesprächspartnern wie Politikern verpflichtet uns der Verhaltenskodex für Kommunikationsberater, jederzeit transparent offenzulegen, wer der Auftraggeber ist.»

Unterlagen, die abgegeben werden, müssten wahr sein: «Zahlen und Fakten müssen stimmen.» Daher sagt Konsulenten-Gründungspartner Jörg Neef: «Der Fall bestätigt unsere Prinzipien. Man muss immer transparent offenlegen, welchen Auftraggeber man vertritt.»

Einflüsterer sind erwünscht

Ansonsten macht der Fall öffentlich, was unter der Bundeshauskuppel alle wissen: Parlamentarier lassen sich gerne von Einflüsterern Vorstösse zumindest mal vorformulieren. Sehr aktiv sind gemäss Szenenkennern, Mitglieder der Bundesverwaltung, Verbandsvertreter, Nichtregierungsorganisationen (NGO), aber auch Gewerkschafter.

Milizparlamentarier könnten oft nicht auf ein Netz von Mitarbeitern zugreifen, die ihnen Grundlagenmaterial zu den von ihnen bearbeiteten Themen aufarbeiten können, sagt Neef: «Sie sind daher nicht selten auf die Unterstützung von Beratern angewiesen, um sich über komplexe Themen informieren zu können. Reichen sie danach einen Vorstoss dazu ein, muss der ihre Handschrift tragen und ihre Überzeugung spiegeln.»

Selbstverständlich zählen zu den Einflüsterern auch die Lobbyisten. Mit «Public Affairs» dürften in der Schweiz gemäss Branchenkennern mehr als 25 Millionen Franken erwirtschaftet werden. Allein die fünf grössten Agenturen erzielen gemäss einer Schätzung der «Nordwestschweiz» einen Umsatz von mehr als 16 Millionen Franken.

Gemäss Andreas Hugi ist Public Affairs ein Wachstumsmarkt: «Wir profitieren davon, dass die Politik und die Wirtschaft seit Ende der Achtzigerjahre auseinanderdriften.» Daher brächten sie als Informationshändler diese beiden Welten zusammen: «Dabei übersetzen wir die Anliegen der Wirtschaft in die Sprache der Politik – und umgekehrt.» Dazu zählt auch, die richtigen Leute zusammenzubringen. Zum Beispiel dann, so Hugi, wenn das Management einer Firma den Bedarf habe, seine Interessen gegenüber der Politik zu artikulieren.

Facettenreiches Geschäft

Das Geschäft ist facettenreich. Daniel Heller, Partner bei Farner Consulting, sagt: «Das eigentliche Lobbying ist nur ein kleiner Teil unseres Bereichs Public Affairs. Wir betreiben auch Medien- und Öffentlichkeitsarbeit für Politiker, für verschiedenste politische Anliegen oder machen Wahl- und Abstimmungskampagnen.»

Die Agentur betreibt das Geschäft seit den Fünfzigerjahren. Gemäss deren Homepage mit einer «eindrücklichen Erfolgsbilanz»: «Das härteste und klarste Urteil über unsere Arbeit fällt bei der Entscheidung an der Urne, in der Regierung oder im Parlament – meist zugunsten unserer Auftraggeber.»