Dem weltgrössten Zivilflugzeug A380 droht das Aus: Airbus will sein Prestigeprojekt einstellen, wenn Hauptkunde Emirates keine Bestellungen nachschiebt. Dem A380 droht damit das gleiche Schicksal wie dem Concorde-Überschallflugzeug.
Stefan Brändle, Paris
Er wolle «ganz ehrlich» sein, meinte Airbus-Verkaufschef John Leahy gestern bei der Präsentation des Auftragsvolumens 2017: «Wenn Emirates keine weiteren A380 bestellt, werden wir gezwungen sein, die Produktion einzustellen.» Er bleibe aber zuversichtlich, dass die Golf-Airline zusätzlichen Bedarf am Grossflugzeug habe, fügte der scheidende kommerzielle Leiter der Airbus-Zentrale in Toulouse an.
Airbus gibt damit offen zu, dass die Zukunft ihres Supervogels vom Hauptkunden Emirates abhängt. Die Airline aus Dubai fliegt 101 der bisher ausgelieferten 220 Exemplare des A380.
Dank einem Endspurt im Dezember hat Airbus mit 1109 Flugzeugbestellungen im Jahr 2017 zwar einen neuen Rekord erzielt und den Konkurrenten Boeing (912 Orders) übertroffen, wie die Airbus-Vorsteher gestern stolz verkündeten. Nur ging für den A380 keine einzige neue Bestellung ein. Generaldirektor Fabrice Brégier kündigte deshalb an, dass die Produktion des A380 auf sechs Modelle im Jahr heruntergefahren werde. Bei der Projektlancierung vor knapp zwanzig Jahren hatte Airbus noch 45 Rollouts im Jahr vorgesehen. Brégier versuchte in der Telefonkonferenz Optimismus zu verströmen: Schon «in sehr kurzer Zeit» würden die Airlines auf den A380 zurückkommen, weil die grossen Flughäfen immer stärker ausgelastet seien. Schliesslich verdopple sich das Passagiervolumen weltweit alle fünfzehn Jahre, und der Doppelstöcker mit Platz für 500 bis 800 Sitze – je nach Bestuhlung der beiden Stockwerke – sei nun einmal das beste Mittel, viele Reisende auf kleinem Raum zu befördern. Dieses Argument wird von Airbus seit der Lancierung ihres Supervogels angeführt. Doch die Zeiten haben sich geändert.
Die Airlines setzen nicht mehr nur auf ihre Hub-Strategie mit einem einzigen Grossflughafen als Dreh- und Angelpunkt ihrer Verbindungsflüge. Den Vorzug geben sie heute Direktflügen in mittelgrosse Städte, und dafür tun es kleinere Flugzeuge auch – zumal die Kerosinpreise seit Jahren tief sind. Zu diesem kommerziellen kommt ein politisches Argument: Die Amerikaner unternehmen alles, um das Vorzeigeprojekt der Franzosen, Deutschen und Spanier zu Fall zu bringen. Über die Pentagon-Lobby in der US-Administration hatte Boeing schon erreicht, dass amerikanische Airlines den A380 kaum je bestellen. Dass Emirates im November seine Bestellung im letzten Moment in Boeing-Aufträge verwandelte, erklären Insider mit dem US-Einfluss auf Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Von dieser Airline extrem abhängig ist der A380 mehr denn je ein Spielball nahöstlicher Geopolitik.
Frankreich versuchte die Eröffnung eines Ablegers des Louvre-Museums in Abu Dhabi im November erfolglos an einen A380-Deal zu koppeln – doch Paris hat am Golf weniger Gewicht als Washington. Damit droht dem A380 das gleiche Los wie dem französisch konzipierten Überschallflugzeug Concorde, das ab 1976 technisch einwandfrei funktionierte, aber 2003 als kommerzieller Flop eingestellt wurde, weil es die Amerikaner vom US-Markt weitgehend ausschlossen. In Toulouse tröstet man sich damit, dass der A380 technisch gesehen ein Superflugzeug sei. Die finanziellen Folgen wären für das Eurokonsortium verkraftbar, da die Auftragsbücher für die wichtigsten anderen Flugzeugmodelle prallvoll sind. Der Imageschaden wäre aber beträchtlich.