Der FDP-Mann und Profi-Verwaltungsrat gibt seinen letzten prestigeträchtigen Posten ab. Zu seiner Amtszeit gehören historische Ereignisse, grosse Ausbauten – und ein Megaprojekt mit unsicherer Zukunft.
Es war eine andere Welt, als Andreas Schmid im Jahr 2000 zum Präsidenten der privatisierten Flughafen Zürich AG gewählt wurde. In New York standen noch die Twin Towers und die Swissair mit ihrem von FDP-Politikern dominierten Verwaltungsrat war noch immer der Stolz der Schweiz.
Bis heute hielt Schmid an seinem Amt fest, und wurde jeweils wiedergewählt. Damit erlebte er nicht nur historische Ereignisse wie 9/11, das Grounding, die Sars-Krise oder den Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull im Jahr 2010, der für einen ähnlichen leeren Flugzeughimmel sorgte, wie die Covid-Pandemie. Letztere stellt jedoch bei weitem das grösste Ereignis dar, mit dem Schmid konfrontiert war.
Doch nach unvorstellbaren, aus Corporate-Governance-Sicht wohl zu langen, 23 Jahren soll nun Schluss sein. In einer Mitteilung des Flughafens kündigt der 64-jährige Jurist an, dass er an der Generalversammlung 2023 nicht mehr zur Wiederwahl antreten wird. Designierter Nachfolger ist Josef Felder, seinerseits langjähriges Mitglied des Verwaltungsrates und ehemaliger CEO des Flughafens - aus Corporate-Governance-Sicht ebenfalls nicht ideal.
Welches Erbe hinterlässt Schmid? Der Zigarren-Fan und passionierte Reiter mit prägnanter Brille, der sich im Verlaufe seiner Karriere durch seinen forschen, oftmals herrisch wirkenden Auftritt nicht nur Freunde gemacht hat?
Unter der Ägide des Oberstleutnant hat sich der Flughafen massiv weiterentwickelt. Genuss-Mensch Schmid legte viel Wert auf das Premium-Image des Swiss-Hubs. Während an anderen Flughäfen Plastikstühle in den Terminals ausreichen, sind Schmid nur lederbezogene Sessel gut genug. 2003 eröffnete der Flughafen das Dock E inklusive Metro, um der starken Nachfrage gerecht zu werden. Das Airside Center kam hinzu und die Docks B und D. Und die Sicherheitskontrolle wurde zentralisiert und modernisiert. Regelmässig werden die Zürcher mit Branchenauszeichnungen für ihre Qualität honoriert.
Zudem begann der Flughafen vermehrt im Ausland zu investieren. Dies trug ihm regelmässig Kritik zu Hause ein, aber auch einen satten Gewinn beim Investment in Bangalore. Insgesamt konnte der Unternehmenswert in den letzten 22 Jahren um ein Vielfaches gesteigert werden. Dennoch bleiben für das Aktionariat, zu dem auch der Kanton und die Stadt Zürich mit rund einem Drittel nach wie vor gehören, Finanz- und Reputationsrisiken bei solchen Engagements, sei es in Südamerika oder in Indien.
Das Vermächtnis von Schmid ist aber nicht makellos. Jahrelang war der Rotarier, der einst einen Machtkampf beim Reisekonzern Kuoni verlor und mit Misstönen als Präsident abtrat, auch Vorsitzender der Catering-Firma Gategroup - einer wichtigen Partnerin des Flughafens und der Swiss. Vielen Branchenvertretern war diese Konstellation ein Dorn im Auge, wenn beispielsweise Verhandlungen über Airline-Steuern anfielen. Misstöne wurden auch laut, als er Gategroup an die chinesische Firma HNA verkaufte und am Deal mit 13 Millionen Franken kräftig mitverdiente.
Zudem hat Schmid den grössten Schweizer Landesflughafen zum zweitgrössten Shoppingcenter des Landes umfunktioniert. Der Kommerz-Bereich wurde stetig ausgebaut. Sodass Cargo-Angestellte schnödeten, das Flughafen-Motto laute «Shopping statt Shipping». Auch die zeitwilige, englische Umbenennung des Flughafens ins englische «Unique» ging auf seine Kappe. Und in Sachen Diversität waren unter ihm keine grossen Fortschritte in der Geschäftsleitung zu sehen. Erst kürzlich wurde die erste Frau in der Geschichte des Flughafens Zürich ins Management berufen.
Schmid hält noch einige weitere Verwaltungsratsmandate inne, doch die ganz grossen Positionen hat er in den vergangenen Jahren abgegeben, sei es jene beim Personalvermittler Adecco, beim Tabakwarenkonzern Oettinger Davidoff oder beim Schokoladenriesen Barry Callebaut.
Das Damoklesschwert, das über seiner Flughafen-Bilanz schwebt, hat Schmid selbst geschmiedet: Der Circle. 2020 hat der Flughafen den mehr als eine Milliarde Franken teuren Komplex gleich vis-à-vis der beiden Terminals eröffnet. Es ist eine Mini-Stadt mit Büros, Hotels, Restaurants, Luxus-Shops, einem Spital und eigenem Park. Doch die Eröffnung fiel mitten in die Pandemie.
Inzwischen beginnt sich der Circle langsam zu füllen. Doch der gestiegene Home-Office-Anteil und das künftig wohl tiefere Business-Reiseverhalten stellen die eigens formulierten Rentabilitätsziele langfristig in Frage. Für Architektur-Liebhaber Schmid hätte der Circle wohl die Krönung seiner Amtszeit werden sollen. Das dürfte sie auch sein - fragt sich nur, ob sie im Rückblick positiv oder negativ werden wird.