LUZERN: «Ich hatte eine spannende Zeit»

Der Suva-Chef Ulrich Fricker kündigte überraschend seinen Rücktritt auf Ende 2015 an. Im Interview erklärt er, warum er die Suva verlassen will.

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Suva-CEO Ulrich Fricker im Oktober 2012 im Suva-Gebäude in Luzern. Hinter ihm ein Porträt von Alfred Tzaut, dem Gründungsdirektor und Direktionspräsidenten der Suva von 1913-1936. (Bild: Corinne Glanzmann)

Suva-CEO Ulrich Fricker im Oktober 2012 im Suva-Gebäude in Luzern. Hinter ihm ein Porträt von Alfred Tzaut, dem Gründungsdirektor und Direktionspräsidenten der Suva von 1913-1936. (Bild: Corinne Glanzmann)

Interview Bernard Marks

Ulrich Fricker, Ihr Rücktritt kommt überraschend. Was ist der Grund für diesen Entscheid?

Ulrich Fricker: Es freut mich, wenn ich Sie noch überraschen kann. 15 Jahre an der Spitze der Suva sind doch eine lange Zeit. Aber jetzt ist der richtige Zeitpunkt gekommen, sich nach einer jüngeren Führungspersönlichkeit umzuschauen.

Warum bleiben Sie noch bis zum 31. Dezember 2015 im Amt?

Fricker: Die Auswahl meiner Nachfolgerin oder meines Nachfolgers soll in Ruhe und mit Umsicht erfolgen können. Mit einer frühzeitigen Rücktritts­ankündigung ist es der Findungskommission unter unserem Verwaltungsratspräsidenten Markus Dürr nun möglich, die Suche nach der geeignetsten Person fokussiert und ohne Zeitnot anzugehen. Und die klaren Verhältnisse ermöglichen mir und meinem Team auch weiterhin ein zielgerichtetes Arbeiten. Darauf freue ich mich.

Sie führen die Suva seit 15 Jahren. Wie haben Sie diese Jahre erlebt?

Fricker: Ich hatte eine spannende Zeit, im Positiven wie im Negativen. Und ich hatte den Eindruck, einen wichtigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Beitrag für dieses Land leisten zu können. Wir unterstützen den Werkplatz Schweiz nicht nur mit Versicherungsleistungen. Wir helfen auch mit, Leid zu verhindern und Leid zu lindern. Das ist eine zufriedenstellende, eine wichtige Aufgabe.

Bei Ihrem Amtsantritt übernahmen Sie die Suva in schwierigen Zeiten. Die Suva war 1999 wegen des Immobilienskandals in finanzieller Not. Wie hat sich die Suva seitdem verändert?

Fricker: Die Suva ist heute gut organisiert, hervorragend finanziert und im besten Sinne des Wortes eine serviceorientierte High-Performance-Organisation. Sie hat aus diesen Erfahrungen gelernt und Konsequenzen gezogen.

Sind Sie zufrieden mit dem, was Sie erreicht haben?

Fricker: Als Chef von rund 4000 engagierten Mitarbeitenden auf allen Stufen und in den verschiedensten Funktionen kann ich sehr zufrieden sein. Zudem konnten wir 2013 zum siebten Mal hintereinander die Prämien senken. Damit entlasteten wir die Schweizer Wirtschaft um rund 4,3 Milliarden Franken. Konkret heisst das, dass ein durchschnittlicher Betrieb heute 20 bis 25 Prozent weniger Prämien bezahlt als noch vor sieben, acht Jahren. Auch hat sich das unternehmerische Selbstverständnis der Suva in all den Jahren erneuert, die Beziehungen zu unseren Kunden sind intensiver, serviceorientierter geworden. Wichtig war mir immer auch, die Bürokratie in Grenzen zu halten.

Was konnte die Suva im Bereich der Arbeitssicherheit verbessern?

Fricker: Jedes Jahr sterben in der Schweiz gegen 100 Menschen an den Folgen eines Arbeitsunfalls. Ebenso viele Unfälle enden mit einer schweren Invalidität. Um diese Zahlen zu senken, hat die Suva den Fokus in der Prävention in den vergangenen Jahren gezielt auf Arbeitsplätze mit hohen Risiken gelegt. Mit dem Ergebnis, dass die Unfallzahlen am Arbeitsplatz kontinuierlich gesenkt werden konnten. Auch im Zusammenhang mit Asbest sterben jedes Jahr etwa 100 Personen. Obwohl seit 1990 ein Asbestverbot gilt, stösst man bei Abbruch-, Umbau- oder Renovationsarbeiten noch vielerorts auf asbesthaltige Werkstoffe. Hier wiederum setzt unser Präventionsprogramm «Asbest» an, das sich zum Ziel setzt, Arbeitnehmende vor freigesetzten Asbestfasern zu schützen. Das ist keine einfache Aufgabe, wenn man weiss, dass ein Grossteil der Gebäude in der Schweiz, kontinuierlich renoviert und umgebaut wird.

Bundesrat Alain Berset nimmt einen neuen Anlauf bei der Revision des Unfallversicherungsgesetzes (UVG).Wie wichtig ist das für die Suva?

Fricker: Der nun vorliegende Gesetzesentwurf entspricht weitestgehend dem von den Sozialpartnern erarbeiteten Kompromiss, der auch von der Suva und den Privatversicherern unterstützt wird. Zentralen Anteil am Erfolg der Suva hat die Verbindung von Prävention, Versicherung und Rehabilitation. Dieses Erfolgsmodell mit kostensenkender Wirkung für unsere Kunden wird auch mit der Revision Bestand haben.

Im Dezember 2015 geben Sie die Suva in neue Hände. Wie wird sich die Suva Ihrer Meinung nach weiterentwickeln?

Fricker: Die Suva hat sehr qualifizierte und engagierte Mitarbeitende und ich bin überzeugt, dass sich der grösste Schweizer Unfallversicherer auch ohne mich erfolgreich weiterentwickeln kann. Natürlich bin ich gespannt, mit welchen neuen Ideen meine Nachfolgerin oder mein Nachfolger die bisher erfolgreiche Unternehmensgeschichte weiterschreibt. Eine besondere Herausforderung wird auch für die Suva die Digitalisierung ihrer Geschäftsaktivitäten sein. Hier konnte ich erst säen, was in Zukunft hoffentlich geerntet werden kann.

Was werden Sie ohne die Suva machen? Gehen Sie nun in Rente?

Fricker: Ohne schon allzu konkret zu werden: Ich werde sicher noch die eine oder andere Verpflichtung innerhalb von Stiftungs- und Aufsichtsgremien wahrnehmen. Ich freue mich aber vor allem auch darauf, die vielfältige Landschaft der Zentralschweiz im Rahmen meiner Sportaktivitäten, also auf Ski oder mit dem Mountainbike, zu erkunden.

Hinweis

Ulrich Fricker (61)* ist seit 1999 Vorsitzender der Geschäftsleitung der Suva mit Hauptsitz in Luzern. Er lebt in der Zentralschweiz.