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Wirtschaft
Ex-Chef André von Moos ahnt, was Haefner und Vekselberg beim Stahlhersteller Schmolz+Bickenbach wollen.
Welche Zukunft hat der Luzerner Stahlhersteller Schmolz+Bickenbach (S+B)? Für den einstigen Luzerner Stahlindustriellen André von Moos ist die Antwort klar: «So wie die Firma jetzt aufgestellt ist, hat sie industriell keine Daseinsberechtigung mehr».
Der selbstständige Unternehmensberater weiss, wovon er spricht. Er war der letzte Chef des 1842 gegründeten Stahlwerks von Moos in Emmenbrücke, bis dieses 1996 auf Druck der Banken mit dem Stahlwerk Von Roll in Gerlafingen zur Swiss Steel fusioniert wurde.
Der 70-Jährige verfolgt die Entwicklungen in der Branche immer noch mit viel Akribie, und er weiss, dass die nächsten Jahre für Firmen wie S+B existenziell sein werden. Künftig werde die Automobilindustrie im Zuge des beschleunigten Wechsels zu elektrischen Antrieben andere Legierungen nachfragen, deren Herstellung neuer Technologien bedürften. Dafür benötige die hoch verschuldete S+B nicht nur eine kompetente Führung, sondern vor allem auch einen starken Partner.
Die österreichische Voestalpine und die italienische Cogne Acciai Speciali sollen gemäss einem Bericht der «Finanz und Wirtschaft» vom vergangenen September bereits Interesse an S+B bekundet haben. «Ich denke, dass eine industrielle Lösung mit Voestalpine ein gutes Ergebnis für das Stahlwerk in Emmenbrücke bringen könnte», sagte von Moos im Gespräch mit unserer Zeitung.
Doch von industriellen Strategien ist derzeit nicht die Rede. Mit Jens Alder, dem einstigen Swisscom-Chef und aktuellen Alpiq-Präsidenten und -Delegierten in Personalunion, steht dem Verwaltungsrat von S+B ein Polymanager und Branchennomade bevor. Als Vizepräsident amtiert dessen einstiger Schulfreund und milliardenschwere Autoimporteur (Amag) Martin Haefner aus Horw. Haefner ist mit einem Aktienanteil von 17,5 Prozent ein massgebender Grossaktionär von S+B. Der andere Grossaktionär Liwet – eine Beteiligungsgesellschaft, die zu 45 Prozent dem unter US-Sanktionen stehenden russischen Oligarchen Viktor Vekselberg gehört – besitzt einen Aktienanteil von 26,9 Prozent. Die Interessen von Liwet beziehungsweise von Vekselberg werden in dem Gremium von Alexej Moskov vertreten. Auch er hat mit dem Stahlgeschäft wenig am Hut.
Jetzt verlangt Liwet die Einberufung einer ausserordentlichen Generalversammlung, um vier der sieben Verwaltungsräte, unter ihnen auch Alder, durch neue Köpfe nach der Wahl von Liwet zu ersetzen. Zum Motiv für diesen Schritt hat sich Liwet offiziell noch nicht geäussert. Klar ist indessen, dass der Zug eine Antwort auf die vor Wochenfrist vom S+B-Verwaltungsrat einberufene ausserordentliche Generalversammlung ist, die am 2. Dezember stattfinden soll. An diesem Anlass sollen die Aktionäre einer Kapitalerhöhung im Umfang von 189 Millionen Franken bis höchsten 350 Millionen Franken zustimmen. Martin Haefner hat erklärt, dass er bereit wäre, selber bis zu 325 Millionen Franken einzubringen – vorausgesetzt, dass er damit einen Kapitalanteil von mindestens 37,5 Prozent bekomme.
Offensichtlich sträubt sich Liwet gegen dieses Vorhaben. Im Umfeld von Liwet ist zu vernehmen, dass die Russen nicht grundsätzlich gegen eine Kapitalerhöhung seien, diese jedoch mitsamt ihrer potenziellen Folgen auf die Machtverhältnisse im Konzern aber weit mehr konkretisiert werden müsste. Warum Haefner für den schwer angeschlagenen Stahlkonzern 325 Millionen Franken auslegen will und weshalb Liwet so erpicht darauf ist, die Kontrolle im Unternehmen nicht zu verlieren, bleibt vorerst das Geheimnis der Kontrahenten.
André von Moos hat immerhin eine Ahnung. Er vermutet, dass sich Haefner vor allem für den umfangreichen Immobilienbestand von S+B in Emmenbrücke interessiert. Das Areal umfasst 220000 Quadratmeter. Das entspricht einer Fläche von 30 Fussballfeldern oder dem Zweieinhalbfachen der Viscosistadt, dem Grossareal der ehemaligen Viscosefabrik in Emmenbrücke, das derzeit in einer intensiven Umnutzungsphase steckt.
Wo in diesem Machtkampf die immer noch 800 Arbeitsplätze von S+B in Emmenbrücke bleiben, wird sich noch zeigen müssen.