Interview
Masken, Staatshilfe, Rückzahlungen – jetzt nimmt der Swiss-Chef Stellung: «Wir verlangen unseren Kunden einiges ab»

Swiss-Chef Thomas Klühr äussert sich ausführlich zu den Bundesgarantien in Milliardenhöhe, zu den grösseren Flugplänen ab Juni und zu den langfristigen Folgen der Corona-Krise für die Passagiere.

Benjamin Weinmann
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Swiss-Chef Thomas Klühr kann vorerst aufatmen. Der Bund eilt der Airline zu Hilfe.

Swiss-Chef Thomas Klühr kann vorerst aufatmen. Der Bund eilt der Airline zu Hilfe.

Ennio Leanza / KEYSTONE

National- und Ständerat sind den Empfehlungen des Bundesrates geholfen und greifen der Luftfahrt unter die Arme. Alleine die Swiss und die Edelweiss sollen Bundesgarantien für Bankkredite in der Höhe von 1,2 Milliarden Franken erhalten. Am Mittwochabend stellte sich Swiss-Chef Thomas Klühr in einer Telefonkonferenz den Fragen der Journalisten.

Herr Klühr, laut dem Bund muss die Swiss im Gegenzug zu den Bundesgarantien die Kosten um knapp 20 Prozent senken. Was bedeutet dies für die Stellen?

Thomas Klühr: Wir haben einen Businessplan der Kostensenkungen in diesem Rahmen vorsieht. Aber das geschah nicht allein auf Vorgabe des Bundes. Wir hätten diesen so oder so erstellt, denn wir müssen uns ja für kommenden Jahre richtig aufstellen, und da sind Kostensenkungen nun mal nötig. Klar ist auch, dass es weniger Stellen geben wird. Unser Ziel ist es jedoch, die ganze Mannschaft an Bord zu behalten. Ich hoffe, dass dies dank den Bundesgarantien, der Kurzarbeit, dem Einstellungsstopp, Pensionierungen und weiteren Massnahmen auch gelingen wird.

Dann können Sie also Kündigungen in den nächsten drei bis sechs Monaten ausschliessen?

Nein, das schliesse ich nicht aus. Aber es sind Stand heute keine Kündigungen geplant, und wir werden alles daran setzen, dass es nicht soweit kommt. Gleichzeitig ist die Situation nach wie vor enorm unsicher. Wir müssen Schritt für Schritt planen, da zu viele Fragen unklar sind. Wir wissen nicht, wann die Grenzen wieder aufgehen. Und wir wissen nicht, wie gross die Lust aufs Reisen bei Firmen und Privatpersonen sein wird.

Sollte es zu Entlassungen kommen, würden Sie weiterhin an der Partnerschaft mit der günstiger operierenden Helvetic Airways festhalten, der einzigen, verbliebenen Wetlease-Partnerschaft im Lufthansa-Konzern?

Helvetic ist und bleibt ein wichtiger Partner von uns. Diesen Partnerschaftsgedanken möchte ich auch in einer Krise aufrechterhalten. Natürlich haben wir aber auch mit ihnen diskutiert und die anfallenden Kosten fair aufgeteilt.

Momentan fliegt die Swiss nur 3 Prozent des üblichen Flugplans. Wie planen Sie weiter?

Wir haben ein konservatives Szenario erarbeitet und planen einen schrittweisen Aufbau unserer Operation. Wir möchten im Juni bei 15 bis 20 Prozent ankommen, und dann bis Ende Jahr auf 50 Prozent kommen.

Die Lufthansa verbrennt laut eigenen Angaben eine Million Euro pro Stunde. Mehrere Flugzeuge werden ausgemustert. Bei der Swiss auch?

Wir haben den Grossteil unserer Flotte parkiert, zum Teil längerfristig. Aber wir haben noch keinen Entscheid zu einer Flottenreduktion getroffen.

Das Parlament hat die Unterstützung für die Luftfahrt abgesegnet. Für Swiss und Edelweiss sind Bankgarantien im Wert von 1,5 Milliarden Franken vorgesehen. Wann erhalten Sie erstmals Geld?

Ich möchte zuerst betonen, wie dankbar und erleichtert ich bin, dass das Parlament den Empfehlungen des Bundesrates gefolgt ist. Das gibt uns Sauerstoff, um über die nächsten Wochen zu kommen. Die Verhandlungen mit den Banken sind im Endstadium und wir rechnen mit einer ersten Auszahlung in der Höhe von 300 Millionen Ende Mai, Anfang Juni.

Die Rede ist von Standortgarantien, welche die Swiss abgegeben hat. Wie sehen diese aus?

Im Fokus des Bundes standen während den Gesprächen vor allem die Langstreckenverbindungen. Die Schweiz wird kontrollieren, mithilfe einer neu zu gründenden Luftfahrtstiftung, dass das Langstreckennetz im Lufthansa-Konzern gleichmässig wieder aufgebaut wird, also nicht bloss in Frankfurt oder München, sondern auch in Zürich. Und wir sind aufgefordert, die Drehschreibe Zürich weiterzuentwickeln. Zudem wird auch überprüft, wie mit den künftigen Gewinnen umgegangen wird, so dass Schweizer Geld nicht ins Ausland abfliesst.

Wie soll diese Kontrolle genau funktionieren?

Gerade beim Aufbau der Langstreckenflüge ist der Vergleich sicher nicht schwierig, da sind wir ja praktisch alle auf null, mal abgesehen von den Cargo-Flügen. Aber wenn die Lufthansa 14 Flüge nach New York nur ab Frankfurt durchführen würde, und keinen ab Zürich, würde das die Schweiz nicht akzeptieren.

Stand der Status des Drehkreuzes Zürich bei der Mutterairline Lufthansa je zur Diskussion?

Nein, nie. Denn auch beim Runterfahren des Betriebs hat man gemerkt, wie stark die Swiss ist. Die beiden anderen Lufthansa-Töchter Brussels und Austrian fliegen ja momentan gar nicht. Nur die Lufthansa und wir.

Die Lufthansa ist noch immer nicht gerettet, die Verhandlungen mit der Regierung, die eine Staatsbeteiligung will, ziehen sich in die Länge. Inwiefern betrifft das die Schweizer Lösung?

Das hat natürlich einen Einfluss. Wenn es zu einer solchen Beteiligung wirklich käme, dann müsste man, wie Finanzminister Ueli Maurer bereits gesagt hat, nochmals überlegen, wie es weitergeht. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

Fliesst das Geld denn erst, wenn ein Lufthansa-Deal steht?

Nein, diesbezüglich gibt es keinen Link zu Deutschland.

Die Swiss muss den Kredit innerhalb spätestens sieben Jahren zurückbezahlen. Reicht das?

Wir gehen davon aus, dass wir so viel Zeit benötigen. Aber wir verlangten diese Frist für den Fall, dass die Markterholung länger dauert oder eine zweite Welle kommt.

Viele Ihrer Kunden warten auf eine Rückerstattung ihres abgesagten Fluges. Weshalb dauert es so lange?

Wir wissen, dass wir unseren Kunden einiges abverlangen, da wir die Rückerstattungen nicht fristgerecht ausbezahlen können. Dafür gibt es technische Gründe. Aber es geht auch um unsere Liquidität, sowie jene von zig anderen Airlines mit dem gleiche Problem. Würden sie alle Rückerstattungen fristgerecht ausbezahlen, wären viele jetzt schon pleite. Wir müssen deshalb unsere Kunden um Geduld bitten. Und wir hoffen, dass möglichst viele sich für eine Umbuchung oder einen Gutschein entscheiden. Die Konditionen dafür waren wirklich noch nie so günstig.

Welche Ziele werden Sie zuerst wieder anfliegen?

Diese Entscheide sind sehr schwierig. Es gibt verschiedene Indikatoren: Welches Land öffnet die Grenzen zuerst? Wo ist der Lockdown vorbei? Welche Ziele suchen unsere Kunden online? Der Mix dieser Antworten gibt uns hoffentlich Aufschluss. Zudem wird uns anfangs das Fracht-Geschäft helfen. Mit genügend Cargo können wir Flüge kostendeckend durchführen, auch wenn nicht 80 Prozent der Passagiersitze besetzt sind. Und zuerst werden wir bestimmt mit unseren kleineren Flugzeugen fliegen.

Dennoch: Wenn die Flüge nicht voll sind, steigen die Preise.

Wir werden sicher über längere Zeit keine ähnliche Auslastungen mehr haben wie vor Corona, höchstens bei einzelnen Destinationen. Kurzfristig gehe ich davon aus, dass manche Airlines sehr preisaggressiv auftreten werden. Das ist ja auch logisch, wenn anfangs nur wenige Destinationen buchbar sind. Dann stürzen sich alle Airlines auf dieses Ziel. Mittel- bis langfristig werden die Preise aber steigen, davon bin ich überzeugt.

Die Swiss hängt stark vom Drehkreuz Zürich ab mit den Zubringer-Flügen und Umsteigepassagieren. Was, wenn das wegfallen würde?

Wir haben immer gesagt, dass die Nachfrage aus dem Heimmarkt nur für fünf bis sechs Langstreckenziele ausreicht. Natürlich kann man sagen, man kann die Schweiz auch vom Ausland her mit Flügen anbinden. Aber dann gibt es auch keine Swiss-Arbeitsplätze in der Schweiz, zu Schweizer Löhne und Steuern, die hier bezahlt werden. Die Wertschöpfung verschwindet dann.

Wann fliegt die Swiss wieder Zürich-Genf?

Das wissen wir noch nicht. Hier haben wir natürlich einen Nachteil gegenüber anderen, grösseren Ländern mit einem Heimmarkt. Ich bin sicher, dass sich das Flugvolumen innerhalb von Deutschland relativ rasch entwickeln wird, zum Beispiel Flüge von München nach Hamburg. Für solche Inland-Flüge, abgesehen von Zürich-Genf, ist die Schweiz zu klein.

Nach 9/11 wurden Sicherheitskontrollen eingeführt, die bis heute Bestand haben. Mit welchen Veränderungen rechnen Sie langfristig nach Corona?

Wir müssen uns leider darauf einstellen, dass sich das Kundenverhalten verändern wird. Ich glaube, dass die Kunden künftig kosten- und umweltbewusster ihre Reise planen werden. Die Reisebudgets bei Privaten und bei Firmen werden knapper gehalten. Und Sie haben Recht, jede grosse Krise hat in der Aviatik zusätzliche Auflagen mit sich gebracht, die den Reiseprozess nicht einfacher machen, so wie mit dem Flüssigkeitsverbot nach 9/11 zum Beispiel. In den nächsten Wochen und Monaten wird das Maskentragen zum Fliegen leider dazugehören, auch wenn es für die Kunden und das Personal nicht angenehm ist.