Aviatik-Rettungspakete
Milliarden für Swiss und Co. – oder: Die Reise nach Rom und der genarrte Steuerzahler

Regierungen unterstützen Airlines mit Hilfspaketen in Milliardenhöhe. Macht das Sinn angesichts der Dumpingpreise, mit denen die Branche wirbt? Zeit für eine kritische Einschätzung.

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Airlines wie die Swiss erhalten Hilfspakete vom Staat.

Airlines wie die Swiss erhalten Hilfspakete vom Staat.

Christian Merz / KEYSTONE

Die Reise nach Rom und der genarrte Steuerzahler Die Reise nach Rom ist eigentlich ein lustiges Gesellschaftsspiel. Doch die internationale Airline-Branche macht gerade bitteren Ernst daraus. Im Kreis tanzen und blitzschnell den nächsten Stuhl besetzen, wenn der Spielleiter in die Hände klatscht - noch sind in diesem Reigen fast alle Fluggesellschaften der Welt dabei.

Ironischerweise ist deren Finanzierung einigermassen gesichert, solange die Pandemie die Flugzeuge am Boden hält. Doch was geschieht, wenn das Geschäft wieder anspringt und die Firmen das Geld wieder im Markt verdienen müssen? Dann geht sofort das Gerangel um die freien Stühle los. Und eines ist jetzt schon klar: Wer rausfliegt hinterlässt seinem Land und dessen Steuerzahlern eine dicke Rechnung.

Per Ende September haben Fluggesellschaften weltweit 160 Milliarden Dollar an staatlichen Corona-Überbrückungshilfe erhalten, wie der Weltdachverband IATA gerade erst festgestellt hat. Weitere 80 Milliarden Dollar seien nötig, um ein Blutbad zu verhindern.

Grosses Risiko für die Steuerzahlenden

Einen grossen Teil dieser Steuermilliarden stellen die Regierungen den Airlines fast gratis zur Verfügung. Das gilt auch für die Milliardenkredite an die Lufthansa-Töchter Swiss und Edelweiss, für die der Bund zum grössten Teil geradesteht. Zinssätze zwischen null und einem Prozent enthalten selbstredend keine Risikoprämie. Dabei ist das Risiko dieser Kredite für uns Steuerzahler enorm hoch.

Und wie es scheint, wird es nicht kleiner, wenn das Reisen wieder möglich wird. Ryanair-Chef Michael O’Leary prophezeite kürzlich mit Blick auf das kommende Jahr: «Wir werden eine schnelle Erholung der Nachfrage sehen, aber das Pricing wird auf sehr niedrigem Niveau sein.»

Über die heimliche Vorfreude auf noch billigere Flugpreise sollten wir Konsumenten noch einmal gründlich nachdenken. Schliesslich sind wir alle auch Steuerzahler. Aus dieser Perspektive ist eine Preisschlacht am Himmel eine schreckliche Perspektive. Mit Billigtarifen à la Ryanair werden Swiss, Edelweiss und alle anderen Airlines die vielen Gratis-Milliarden nie mehr zurückzahlen können.

Wer profitiert von den Lockvogel-Angeboten?

Man mag einwenden, dass Ryanair, der Billigflieger schlechthin, bislang kein Gratisgeld von der Regierung erhalten hat und mindestens bis Ende Juni trotzdem ohne Verlust geblieben ist. Doch nicht einmal Ryanair selbst ist so dreist zu behaupten, dass sie jeden Passagier für 9,99 Pfund nach Stockholm oder Rom bringt, wie dies die Werbung suggeriert. Tatsächlich profitieren von dem Lockvogel-Angebot höchsten ein paar wenige Passagiere pro Flug. Ein durchschnittlicher Sitzplatz kostet das Fünf- oder gar das Zehnfache.

Also, wozu denn die Hysterie, wenn der Preiskrieg ohnehin nur ein Trugbild ist? Das Problem ist, dass jene Fluggesellschaften unter Druck geraten, die ihre Tarife nicht so reisserisch kommunizieren können – das sind vor allem jene Fluggesellschaften, bei denen der Staat mitredet. Ihre Tarife erscheinen viel teurer als jene der Billiganbieter. Der Werbeschwindel zwingt sie, ihre Preise auf einem ungesund tiefen Niveau zu halten oder gar noch zu senken. Das Risiko und die Kosten dafür tragen wir Steuerzahler.

Klagen sind eine Seltenheit

Die Erkenntnis ist garantiert nicht neu, aber wichtiger denn je: In der Airline-Branche herrscht ein kranker Wettbewerb. Theoretisch verbietet das Wettbewerbsrecht, dass Leistungen zu Preisen angeboten werden, die unter den variablen Gestehungskosten liegen. Im Fall der 9,99 Pfund von Ryanair ist dies natürlich eindeutig der Fall.

Doch wettbewerbsrechtliche Klagen wegen unfairer Dumpingpreise sind eine grosse Seltenheit – nicht nur weil der Dumpingvorwurf schwer zu beweisen ist. In der Airline-Industrie wird vor allem deshalb nie geklagt, weil jede Regierung denkt, sie sei am Ende doch flinker oder schlauer als die andere. Dieser Selbstbetrug funktioniert solange, bis es keinen freien Stuhl mehr gibt. Auf der Reise nach Rom kann eben nur einer gewinnen.