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Nach Milliardenverlusten und zwei Mega-Pleiten muss das Alfred-Escher-Institut tief in sich gehen. Das sind die Antworten auf die acht drängendsten Fragen.
Die Credit Suisse hat im ersten Quartal des Jahres einen Verlust von 252 Millionen Franken geschrieben. Doch die Probleme gehen tiefer. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Mit den Krediten an den amerikanischen Hedge-Fonds Archegos hat Credit Suisse in den ersten drei Monaten des Jahres 4,4 Milliarden Franken verloren. Dieser Verlust ist der Grund dafür, dass die Bank in den ersten drei Monaten des Jahres einen Verlust von 252 Millionen Franken ausweisen muss. Ohne den Archegos-Verlust hätte Credit Suisse ein Spitzenergebnis zeigen können, wie das Management auf einer Telefonkonferenz mit Journalisten betonte. Tatsächlich ist der Umsatz im Berichtsquartal um 31 Prozent zum Vorjahr auf 7,6 Milliarden Franken hochgeschnellt. Die Greensill-Pleite spielt in diesen Zahlen noch keine Rolle. Denn die Verluste aus diesem Geschäft tragen mindestens vorläufig allein die Investoren, welche die Greensill-Lieferketten-Fonds der Bank gezeichnet hatten.
Für das zweite Quartal, das Ende Juni abgeschlossen wird, hat Credit Suisse bereits einen zusätzlichen Verlust von 600 Millionen Franken aus dem Archegos-Debakel angekündigt. Die Aktienpositionen, die den riesigen Krediten als Sicherheit zu Grunde lagen, sind nach Angaben des Managements inzwischen aber zu 97 Prozent abverkauft. Weitere grössere Verluste seien deshalb nicht mehr zu erwarten. Was Greensill anbelangt, ist es nach Aussagen von CEO Thomas Gottstein zu früh, um konkrete Prognosen zu stellen.
Von den 10 Milliarden Dollar, die einmal in den vier Greensill-Fonds investiert gewesen waren, habe man auf drei Viertel «eine gute Sicht». Das heisst etwa so viel wie dass die Bank mit einer relativ problemlosen Rückzahlung von etwa 7,5 Milliarden Dollar an die Fondsinvestoren rechnet. Wie viel von den restlichen 2,5 Milliarden Franken abgeschrieben werden müssen, ist offen. Die drei Hauptschuldner haben alles andere als einen guten Ruf. Die Fondsanleger werden die Credit Suisse für allfällige Verluste haftbar zu machen versuchen. Das Risiko, dass die Bank am Ende zahlen muss ist hoch. Aber der Poker dürfte noch geraume Zeit andauern.
Die Aktionäre tragen die Hauptlast des Verlustes. Zunächst müssen sie auf ihrer Generalversammlung vom 30. April auf zwei Drittel ihrer Dividende verzichten – das sind mehr als 450 Millionen Franken. Zudem müssen sie nun eine neuerliche Kapitalerhöhung berappen. Die Bank nimmt zwei Anleihen über insgesamt gut 1,8 Milliarden Franken auf, die in sechs Monaten in 203 Millionen neue Aktien umgetauscht werden müssen. Durch diese Kapitalerhöhung werden die Eigentümerrechte der Aktionäre um etwa neun Prozent verwässert. Die Börse begann die Kapitalerhöhung bereits ab dem 6. April vorwegzunehmen, als Credit Suisse erstmals über die Archegos-Verluste berichtet hatte. Seither ist der Aktienkurs um rund 9,6 Prozent zurückgegangen. Die Verwässerung ist nun also fest im Kurs enthalten.
Die Reparatur der Bilanz wird viel Zeit in Anspruch nehmen. Die Bank kann auf längere Sicht nicht mehr die gleich hohen Risiken nehmen wie vorher. Damit sollte sie zwar ihr Verlustpotenzial begrenzen können, aber sie begrenzt damit automatisch auch ihr Gewinnpotenzial. Man sollte also nicht davon ausgehen, dass die Bank das unterschwellige Spitzenergebnis im ersten Quartal so bald wieder erreichen kann. Ein Hinweis darauf ist die Ankündigung des Managements, die Investment Bank zu schrumpfen. Das sogenannte Prime Brokerage, also jener Geschäftsbereich, aus dem die Investment Banken den Hedge-Fonds ihre Leistungen verkaufen, soll um ein Drittel verkleinert werden. Wenn man dies auf relevante Bilanzpositionen umrechnet, kommt man dabei auf einen Rückbau der Investment Bank im Rahmen von rund 20 Prozent.
Dieser Vorschlag kommt seit mehr als zwanzig Jahren immer dann auf den Tisch, wenn eine Investment Bank mal wieder viel Geld verloren hat. Doch wirklich ausgestiegen aus diesem Geschäft ist nicht einmal die UBS, die sich 2008 nach den immensen Verlusten im Handel mit Hypothekenanleihen vom Staat retten lassen musste. Die einfache Erklärung dafür ist: Investment Banking kann auch ungemein rentabel sein.
In den USA finanzieren sich Unternehmen typischerweise nicht über Bankkredite, sondern über den Kapitalmarkt. Investment Banken können solche Finanzierungen durch die Ausgabe von Aktien und Anleihen organisieren. Weil die Investment Banken eine besondere Nähe zu wichtigen Investoren pflegen, sind sie auch bei grossen Übernahmen und Fusionen als Berater von einigem Nutzen. Wahr ist aber auch, dass die Investment Banken gerne auch am Kasino-Tisch Platz nehmen und mit dem Kapital auch einmal Wetten auf eigene Rechnung (beziehungsweise auf Rechnung der eigenen Aktionäre) eingehen. Wie jeder Black-Jack-Spieler müssen sie hier die Chancen und die Risiken abwägen und vor allem realistische Annahmen über die schlimmstmöglichen Verluste treffen. Hier hat die Credit Suisse kläglich versagt.
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Credit Suisse früher oder später in einem grösseren Bankgebilde aufgehen wird, ist mit den jüngsten Vorgängen sicher nicht kleiner geworden. Doch eine Grossfusion mit der UBS wäre kaum die Lösung. Eine solche Bank wäre für die Schweiz schlicht zu gross und das Risiko eines Unfalls für die Steuerzahler nicht tragbar.
Dass die Credit Suisse tel quel von einer ausländischen Bank übernommen wird, ist auch nicht unbedingt plausibel. Warum sollte sich zum Beispiel eine europäische Bank ausgerechnet eine Grossbank in der Schweiz anlachen, wo diese doch nicht einmal uneingeschränkt am europäischen Binnenmarkt teilhaben kann? Denkbar ist, dass sich die Grossbanken in den nächsten Jahren stärker auf einzelne Geschäftsbereiche spezialisieren und so den Weg für Fusionen und Übernahmen öffnen und neue Geschäftsmodelle möglich machen.