MOTIVATION: Langeweile macht die Arbeit schwer

Wer sich im Job langweilt, versucht zu verbergen, dass er nichts zu tun hat. Unternehmen können so etwas vermeiden, indem sie Mitarbeiter flexibel einsetzen. Die Vorgesetzten müssen in Sachen Motivation mit gutem Beispiel vorangehen.

Andreas Lorenz-Meyer
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Monotone oder zusammenhanglose Aufgaben führen zu Langeweile – und diese wiederum zur Suche nach Ablenkung. (Bild: Howard Berman/Getty)

Monotone oder zusammenhanglose Aufgaben führen zu Langeweile – und diese wiederum zur Suche nach Ablenkung. (Bild: Howard Berman/Getty)

Andreas Lorenz-Meyer

wirtschaft@luzernerzeitung.ch

Jeder kennt es, dieses Gefühl der Lustlosigkeit. Die Zeit schreitet nur sehr langsam voran, es gibt nichts Sinnvolles zu tun. Man wird unruhig, versucht sich irgendwie abzulenken, eine sinnvolle Betätigung zu finden. Oder verfällt, wenn der Zustand länger anhält, in Passivität. Auch am Arbeitsplatz gibt es das: Langeweile. Laut Schweizer HR-Barometer 2014 hat ein kleinerer Teil der Beschäftigten hierzulande damit zu tun. Jeder Zehnte langweilt sich «manchmal». Bei etwas über 30 Prozent kommt Langeweile «selten» vor. Bei über der Hälfte «fast nie».

Klassische Forschung bringt arbeitsbedingte Langeweile mit monotonen Tätigkeiten in Verbindung, bei denen Mitarbeitende wenig Möglichkeit haben, Initiative zu zeigen, erklärt Manuela Morf vom Zentrum für Human Resource Management der Universität Luzern. Ebenso gelten Überwachungsaufgaben als besonders anfällig für Langeweile. Bei Bürojobs sieht es noch einmal anders aus. Betroffene erkennen hier keinen Sinn in ihrer Tätigkeit. Morf: «Zum Beispiel können sich hinziehende Meetings ohne effektive Beschlüsse oder das Ausfüllen des Formulars für das Prozessmanagementsystem als sinnlos empfunden werden.»

Verschiedene Ursachen führen zum Problem

Dass ein gut ausgebildeter Angestellter schwierigere Aufgaben erledigen könnte, als er es in der Praxis tun darf, ist nicht unbedingt die Ursache. Für einen direkten Zusammenhang zwischen objektiver Überqualifizierung und Langeweile gibt es in der Forschung zumindest keine schlagkräftige Evidenz. «Langeweile entsteht eher durch monotone und zusammenhangslose Aufgaben als durch zu leichte», so Morf. Auch zu wenig Arbeit über eine längere Zeitspanne kann zum Problem werden. Verantwortlich dafür sind strukturelle Faktoren: Die Auftragslage schwankt, aber die Unternehmensführung hat es versäumt, Mitarbeitende flexibel einsetzbar zu machen. Dabei wäre das leicht möglich. Eine Rezeptionistin, die in den Ferien weniger Arbeit hat, könnte zwischendurch Marktberichte erstellen. Vorausgesetzt, sie wurde entsprechend angeleitet.

Wie viel jemand zu tun hat, ist grundsätzlich aber kein verlässlicher Indikator. «Im Gegensatz zum Faulenzen handelt es sich bei Langeweile um einen anstrengenden Erlebniszustand», erklärt Morf. Wenn sich der Wachmann bei seinen Rundgängen langweilt, muss er extra Energie investieren, um aufmerksam zu bleiben. Ob die Führungsetage von der Langeweile im Betrieb weiss, hängt unter anderem von der Art des Betriebs ab. Morf: «In einem mittelständischen Produktionsbetrieb kann der Eigentümer vermutlich gut abschätzen, ob die derzeitige Auftragslage alle seine Mitarbeitenden genügend auslastet. Dahingegen trauen sich Mitarbeitende der Administration in einem Grossbetrieb vielleicht weniger, ihre mangelnde Auslastung anzusprechen, wenn sie Angst haben, als überflüssig zu gelten.»

Fehlbelastete Mitarbeiter sind ein «erfolgsrelevantes Problem» für Unternehmen. Besonders für jene, die aus dem Wissen, der Motivation und der Eigeninitiative der Beschäftigten einen Mehrwert schaffen. Zum Beispiel ein Unternehmen, das einem Ingenieur die Überwachung seiner hoch komplexen technischen Anlagen anvertraut. Oder ein Spital, das auf engagierte Nachtschwestern angewiesen ist. Fühlen sich Mitarbeiter gelangweilt, steuern sie kaum noch eigene Ideen bei – zum Nachteil des Unternehmens. Letztlich geht es auch um dessen Führungskultur. Trauen sich Mitarbeitende nicht, das Thema anzusprechen, weil sie Angst um ihren Job haben oder davor, noch mehr sinnlose Arbeit aufgedrückt zu bekommen? Dann wird Langeweile zum Dauerproblem. Um den Schein des Beschäftigtseins zu wahren, betreiben manche ein «kreatives Impressionsmanagement gegenüber der oberen Etage», so Morf. Zum Beispiel ziehen sie bestimmte Arbeiten in die Länge oder sortieren alte Akten zum wiederholten Mal. Andere lenken sich eher ab, indem sie mit Kollegen schwatzen und privat im Netz surfen. Oder sie ziehen die Pausen in die Länge. Was bei streng überwachten Tätigkeiten wie Fliessbandarbeit natürlich nicht funktioniert. Hier kann man der Langeweile höchstens durch Tagträumerei entfliehen. Manche wählen auch konstruktive Strategien: bieten den Kollegen ihre Hilfe an, bilden sich weiter oder fordern neue Aufgaben ein.

Vorgesetzte müssen Vorbildfunktion einnehmen

Wie vermeiden Unternehmen das Problem? «Motivierte Mitarbeitende bekommt man durch gute Vorgesetzte, die selber eine Vorbildfunktion einnehmen», sagt Dominique Widmer, Leiterin des HR Competence Centers der Schindler Aufzüge AG aus Ebikon. Diese Kompetenzen fördert man in speziellen Führungstrainings. Bei den Kursen geht es vor allem darum, wie man das Gelernte in die Praxis umsetzt. Die Mitarbeitenden sollten ihren Fähigkeiten entsprechend eingesetzt werden, findet Widmer: «Wir wollen sie fördern und fordern, aber nicht überfordern.» Individuelle Entwicklungspläne und Talentprogramme stellen bei Schindler sicher, dass die Entwicklungsmöglichkeiten im Unternehmen stimmen – für Aufgaben in höherer Position und innerhalb der bestehenden Stelle. Dürfen die Mitarbeiter auch Veränderungsvorschläge machen, damit grössere Unzufriedenheit gar nicht erst entsteht? «Eine positive Feedbackkultur ist uns wichtig, und wir fördern sie auch aktiv», sagt Widmer. Nicht nur zwischen den Mitarbeitern, sondern auch zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten. Jeder soll konstruktive Kritik üben können. Schindler Aufzüge gewann 2015 den Swiss HR Award. Unter anderem lobten die Auditoren der Fachhochschule Nordwestschweiz die Personalentwicklungskonzepte. Dass die Angestellten ihre Arbeit als sinnvoll ansehen und sie gerne machen, ist für den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens essenziell. Widmer: «Motivierte Mitarbeitende zeigen messbar viel mehr Einsatz.» Die Motivation sei sicher auch ein Grund, wieso Schindler so viele langjährige Mitarbeitende hat.

Kein Burn-out, sondern Bore-out

Im schlimmsten Fall kann Langeweile krank machen. Hier spricht man von Bore-out, chronischer Langeweile. Das heisst, die Arbeit wird insgesamt als langweilig empfunden. Im Gegensatz dazu meint der Begriff episodische Langeweile, zum Beispiel ein langweiliges Meeting. Also etwas, das vorübergeht. Bore-out ist keine anerkannte Krankheit, betont Manuela Morf. Es ist nichts Genaueres dazu bekannt, wann chronische Langeweile zu einem depressionsähnlichen Zustand führt. Doch bei all dem Negativen kann Langeweile auch positive Seiten zeigen.

Morf: «Manchmal signalisiert sie uns, dass wir unsere Energie und Ressourcen falsch fokussieren und die Sinnhaftigkeit unserer Tätigkeit nochmals überprüfen sollen.» Auf diese Weise erhöht sich die Bereitschaft für eine Neuorientierung. Die Chancen steigen, sich langfristig besser zu fühlen. Erste Studien deuten sogar darauf hin, dass eine kleine Portion Langeweile zwischendurch die Kreativität anregen kann.

(alm)