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Vor einem Jahr sorgte die Detailhändlerin mit stereotypen Suppenverpackungen für Buben und Mädchen für einen Shitstorm in den sozialen Medien. Nun reagiert sie und nennt die Gründe für den Faux-pas.
Der Aufschrei war gross. Als die Migros vergangenen Herbst zwei neue Suppen ins Regal aufnahm, sorgten diese in den sozialen Medien für einen so genannten Shitstorm. Viele Kunden waren entsetzt über das Design der Beutel. Sexismus – so lautete der Vorwurf.
Denn eine Suppe kam ganz in Pink daher mit dem Namen «Glamour Queens», inklusive Prinzessin als Sujet und nur veganen Zutaten. Ganz anders die Buben-Suppe mit dem Namen «Champions». Sie ist blau, hat einen Fussballspieler auf der Verpackung und Pasta-Stücke in Fussball-Form. Vegan ist die Buben-Suppe nicht.
Die Detailhändlerin war online mit viel Spott konfrontiert. «Wachsen mir Bart und Hoden, wenn ich die falsche Suppe esse?», schrieb eine Frau auf Facebook. Eine ehemalige Migros-Sprecherin meinte via Twitter: «Ich gebe meiner Tochter jetzt mal die blaue Suppe und schaue dann, ob sie CEO wird.»
Nun reagiert die Genossenschaft, wie sie gegenüber CH Media sagt. Dieser Tage würden die alten Suppen aus den Regalen verschwinden und einer neuen Verpackung Platz machen, die weniger geschlechtsspezifisch daherkommt. Sie heisst ebenfalls «Champions» und hat weiterhin Fussball-Pasta als Zutat, so wie die «Buben-Suppe». Doch statt blau oder pink ist der Beutel nun türkis-grün. Und der Fussball-Spieler ist einer weiblichen Fussballerin und einem männlichen Fussballer gewichen.
Die Migros streut Asche auf ihr Haupt: «Beim ursprünglichen Produktdesign wurde zu wenig auf stereotype Rollenbilder geachtet», sagt eine Sprecherin. «Rückblickend sind wir froh über die kritischen Reaktionen. Dadurch konnten wir das Design anpassen und die Diskussion rund um die Suppen hat uns sensibler gemacht, was solche Themen angeht.» Dass es ein Jahr bis zur Anpassung dauerte, erklärt die Sprecherin damit, dass man die Bestände noch aufbrauchte, um Lebensmittelverschwendung zu vermeiden.
Trotz des «Shitstorms» in den sozialen Medien seien die Umsätze bei der Buben- und Mädchen-Suppe nicht gesunken. Im Gegenteil: «Die Reaktionen online steigerten die Bekanntheit der Suppe und der Absatz stieg», sagt die Sprecherin. Dennoch habe man sich entschlossen, das Design anzupassen. Das Resultat ist die Unisex-Suppe. Ein tolerantes und diskriminierungsfreies Betriebsklima sei der Migros wichtig. Das gelte auch für die Produkte.
Vergangenes Jahr hat die Migros eine so genannte «Diversity & Inclusion»-Stelle geschaffen zu einem Teilzeitpensum, die sich um Themen wie Diskriminierung und Sexismus kümmern soll. Bei der Design-Anpassung war sie allerdings nicht involviert. Sie kümmere sich um die interne Unternehmenskultur und könne nicht bei jeder Produkteentwicklung dabei sein, heisst es bei der Migros. Gegenüber CH Media sagte Gudrun Sander, Direktorin des «Competence Centre for Diversity and Inclusion» an der Universität St. Gallen, kürzlich, dass gerade die Detailhändler gefordert seien: «Sie zeigen mit ihrer geschlechterstereotypen Werbung immer wieder, zum Beispiel mit pinken Spielküchen für Mädchen oder Cowboy-Pistolen für Buben, dass es ihnen guttun würde, gewisse Themen durch die Diversity-Brille zu sehen.»
Laut der Migros-Sprecherin haben die «Gender-Suppen» auch intern für Aufsehen gesorgt und viele Mitarbeitende auf Gender-Themen sensibilisiert, sagt die Sprecherin. Der Kaktus der «Schweizer Illustrierten», der für die Buben- und Meitli-Suppen an Migros-Chef Fabrice Zumbrunnen überwiesen wurde, stehe nun im Büro des Produktverantwortlichen und erinnere tagtäglich an die Suppen. Eine generelle Überprüfung des Sortiments anhand von Sexismus-Faktoren sei nicht geplant. Bei kritisch eingestuften Produkten zieht die Migros aber seither zusätzliche Personen zur Beurteilung hinzu.
Laut einer US-Studie der Universitäten Illinois, New York und Princeton entwickeln Kinder bereits im Alter von sechs Jahren Geschlechterstereotype. Ab diesem Alter trauen Kinder intellektuelle Fähigkeiten eher Männern zu.