Aus dem Stand baute der gebürtige Aargauer mit seiner Frau in den 70er-Jahren ein Fitnessimperium auf. Nun ist Werner Kieser im Alter von 80 Jahren gestorben. Bis zuletzt stählte er seine Muskeln.
Ein kleiner Junge aus einer Bergdietiker Familie hatte an Weihnachten einen Wunsch: Dass das Christkind ihm zu Weihnachten ein Velo bringt. Mit viel Fleiss betete der junge Werner Kieser zum lieben Gott, dass er ihm den Wunsch erfülle. Doch die Eltern hatten wenig Geld – und von oben kam keine Hilfe – das Velo blieb ein Wunsch. Der frustrierte Junge schloss daraufhin einen Pakt mit dem Teufel, in der Hoffnung, dass dieser ihm seinen Wunsch erfüllt. Doch auch dieser liess ihn im Stich. Von da an wusste er, dass er sich die Erfüllung seiner Wünsche selbst erarbeiten muss. Diese Anekdote pflegte Fitnesspapst Werner Kieser zu erzählen, wenn man mit ihm über Religion diskutierte.
Kieser wuchs nicht in einer betuchten Familie auf. Neben seiner Schreinerlehre trieb er viel Sport, war in den 50er-Jahren ein erfolgreicher Boxer. Und nach seiner Jugend zog es den ehrgeizigen Aargauer in die USA. Dort wurde er Zeitzeuge der grossen Fitnesstrends, die bald auch auf Europa überschwappen sollten.
Als er in die Schweiz zurückkam, gründete er 1966 sein erstes Fitnesscenter. Doch im Gegensatz zur Konkurrenz setzte Kieser nicht auf «Schickimicki-Fitness». Sauna, funktionslose Ballon-Muskulatur und sonstige Lifestyle-Moden waren ihm immer ein Dorn im Auge. Und so entwickelte er die KieserMethode, die bis heute in seinen Fitnesscentern gelebt wird: Training der Gesundheit wegen, nicht der Eitelkeit. Im Gegensatz zu anderen Fitness-Unternehmern verfolgte er immer einen medizinisch fundierten Ansatz des Krafttrainings. Der ganz grosse Erfolg blieb zuerst aus.
Kiesers Fitnesscenter funktionierte, es florierte aber nicht und an Expansion war noch nicht zu denken. Doch da kam dem Muskelmann das Schicksal zu Hilfe: Er lernte seine spätere Frau Gabriela kennen, eine angehende Ärztin und Geschäftsfrau mit grossem wirtschaftlichen Gespür. Kieser erklärte jeweils mit einem Schmunzeln: «Erst als ich Gabriela kennen gelernt habe, ging es mit den Fitnesscentern aufwärts.» Das Paar harmonierte ausserordentlich, und das trotz einem Altersunterschied von 19 Jahren. Und bald ging es mit den Kieser-Fitnesscentern steil bergauf. Expansion, stabile Finanzen und medialer Erfolg. Werner Kieser wurde der breiten Öffentlichkeit als «Fitnesspapst» oder «Kraftapostel» bekannt.
Das Krafttrainigs-Imperium von Kieser zählt heute 160 Fitnessstudios. Vor vier Jahren verkaufte Kieser sein Lebenswerk zwar seinem langjährigen Geschäftsführer Michael Antonopoulos und an Verwaltungsrat Nils Planzer. Doch bis zuletzt waren er und seine Frau Gabriela im Unternehmen in beratender Form aktiv.
Altersmüdigkeit kannte Kieser nie. Im stattlichen Alter von 67 Jahren begann er noch ein zweisprachiges Philosophiestudium auf Deutsch und Englisch. Wenn ihn Freunde fragten, ob er denn nicht lieber seine Zeit auf dem Golfplatz verbringen würde, wie andere in seinem Alter, erklärte er gewitzt:
«Im Alter zu studieren hat seine Vorteile, denn meine Kollegen, die in jungen Jahren studiert haben, sind längst nicht mehr up-to-date. Ich dagegen kenne jetzt die weiterentwickeltste Form der Philosophie.»
Auch sportlich betätigte sich Kieser bis zuletzt und war immer wieder in seinen Studios anzutreffen. Selfmade-Mann und Fitnesspionier Werner Kieser starb unerwartet in der Nacht auf Mittwoch im Alter von 80 Jahren im Beisein seiner Frau Gabriela in Zürich. Seine Fitness-Philosophie und sein Lebenswerk leben weiter.