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Auch nach der Pandemie werden viele Business-Reisende auf Flugreisen verzichten, da sie sich an Online-Meetings gewöhnt haben. Doch auf der Teppichetage herrscht ein anderes Denken.
Wenn es wenigstens Turbulenzen gäbe, dürften sich so manche Aviatiker denken. Doch die europäische Luftfahrt steht nach wie vor mehrheitlich still, die Flugzeuge sind am Boden. «Wir sind noch immer in einer schwierigen Situation, die vergleichbar ist mit der im vierten Quartal», sagte Swiss-Chef Dieter Vranckx kürzlich im Interview mit dieser Zeitung. Das vierte Quartal? Da lag der Umsatz 75 Prozent unter Vorjahr.
Umso mehr hoffen Swiss und Co. auf einen raschen Buchungsanstieg dank den weltweiten Impfkampagnen. Doch mindestens so wichtig ist für die Airlines die Frage: Was kommt danach? Wie gross wird die Nachfrage der Kunden nach Flügen im Zeitalter nach Corona sein, insbesondere der gutbetuchten Geschäftsreisenden? Hinweise darauf liefert eine neue Studie der Universität St. Gallen.
Andreas Wittmer, Leiter des «Center for Aviation Competence» an der Universität, stellte deren Resultate kürzlich an einem Branchenanlass vor. Und sie dürften die Fluggesellschaften kaum vor Freude abheben lassen. Denn sie zementieren die Annahme, dass insbesondere die Video-Telefonkonferenzen in Zukunft zahlreiche Geschäftsflüge obsolet machen werden. Skype und Teams statt Singapur und Toronto lautet die Devise.
Wittmer befragte zwischen November und Januar rund 500 Geschäftsreisende, davon ein Grossteil Kunden der Swiss, von KMUs bis hin zu Grosskonzernen - Direktorinnen, Unternehmer und leitende Beamte. Zwei Drittel von ihnen geben an, vor der Pandemie noch nie eine Videokonferenz durchgeführt zu haben. Heute sind es gerade mal noch 16 Prozent.
Und: Man hat sich an die virtuellen Meetings gewöhnt. Das trifft insbesondere die Kurzstrecke. Für Geschäftstreffen in Städten wie Paris, Frankfurt oder Rom wird gemäss Umfrage künftig 31 Prozent weniger oft ein Flugzeug benutzt. Heisst konkret: Brachten es die Manager und Beamten vor Corona im Schnitt auf bis zu 18 Business-Flüge pro Jahr, dürften es künftig nur noch zwölf sein.
Gross wird wohl auch der Einbruch auf der Langstrecke sein. Gemäss Umfrage wartet auf die Airlines ein Minus von rund 20 Prozent bei Geschäftsreisen nach San Francisco, Bangkok oder Johannesburg. Statt sieben werden künftig nur noch fünf Flüge pro Jahr gebucht. Als Grund für den Rückgang nennen die Umfrage-Teilnehmenden die Kostenersparnisse, den Zeitfaktor und an dritter Stelle Klimaüberlegungen.
Doch die genauere Betrachtung der Resultate birgt eine Überraschung. Bei allen Befragten und bei allen Flugdistanzen resultiert ein deutliches Minus - mit einer Ausnahme. So plant das absolute Top-Management nach Corona sogar mit zwei Prozent mehr Langstreckenflügen. Die obersten Firmenchefs möchten sich die Reise in der Business-Klasse nach Übersee offensichtlich nicht nehmen lassen. Die ihnen unterstellten Angestellten im mittleren Management rechnen hingegen mit knapp halb so vielen Langstreckenflügen in Zukunft.
Im Aufwind ist zudem die sogenannte Premium Economy, die zwar weniger Platz als die Business-Klasse aufweist, dafür mehr als die herkömmliche Economy. Da viele Personen wohl auch nach Corona das Social Distancing nicht komplett aufgeben möchten, dürfte diese neue Klasse laut der Studie an Beliebtheit gewinnen.
Klar ist, dass die Airlines bei der Flottengrösse unter Zugzwang sind. Weniger Buchungen bedeuten weniger Flugzeuge. Noch befände man sich in der Analysephase, sagte Swiss-Chef Vranckx gegenüber CH Media. «Aber klar ist, dass die Flotte angepasst werden muss.» Und gegenüber der «Handelszeitung» sagte der Schweiz-Belgier diese Woche, dass man über das Ausmass der Redimensionierung Ende des zweiten Quartals informieren werde.