Öffentlicher Verkehr
Weil die Reserven fehlen: SBB wollen Züge verlangsamen, um den Fahrplan zu stabilisieren

Die Fahrpläne der SBB sind zu wenig robust. Deshalb will die Bahn ab 2025 zusätzliche Minuten einplanen. Ein aktuelles Beispiel zeigt: Damit könnten Anschlüsse wegfallen.

Stefan Ehrbar
Drucken
Bald länger unterwegs? Die SBB schaffen mehr Reserven.

Bald länger unterwegs? Die SBB schaffen mehr Reserven.

Keystone

Für einen besseren Fahrplan werden die SBB langsamer. So lässt sich ein Projekt zusammenfassen, mit dem die Bahn derzeit ihre Fahrpläne überprüft. Ab 2025 sollen mehr Reserven eingebaut werden, sagte SBB-Chef Vincent Ducrot im Rahmen der Bilanzmedienkonferenz. «Es kann sein, dass es auf einigen Verbindungen zu längeren Reisezeiten kommt», sagte er zu CH Media. Denn der Fahrplan, wie er sich jetzt präsentiert, habe zu wenige Reserven.

Wenn ein Zug auch nur wenig verspätet ist, kann das heute dazu führen, dass viele Menschen ihren Anschlusszug verpassen. Die Zuverlässigkeit der Verbindungen sei wichtiger als die reine Reisezeit, sagte Ducrot auf eine entsprechende Frage.

Bund und Kantone reden mit

Doch was bedeutet das konkret? Welche Verbindungen werden langsamer? Die SBB wollen sich noch nicht in die Karten blicken lassen. Die Bahn habe die Situation analysiert und Grundsätze definiert, sagt ein Sprecher. Man stehe am Anfang: «Es ist noch offen, welche Verbindungen sich verändern.» Die SBB wollen den bisherigen Stand der Arbeiten zuerst mit den Anspruchsgruppen besprechen.

In einem Interview mit dem SBB-Mitarbeiterheft sagt Vincent Ducrot, es werde nicht möglich sein, den Fahrplan auf einmal zu stabilisieren. «Dies geschieht schrittweise über mehrere Jahre, in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Verkehr und den Kantonen.» Heute fehlten die Reserven, um die hohe Nachfrage zu bewältigen und gleichzeitig das Netz zu modernisieren. Baustellen wirkten sich auch auf den Fahrplan aus. «Daher sinkt die Pünktlichkeit.»

Schon früher verlängerten SBB Reisezeiten

Es wäre nicht das erste Mal, dass die Fahrzeiten verlängert werden, weil der Fahrplan zu instabil ist. Bereits per Ende 2015 und in den Jahren darauf erhielten mehrere Linien der S-Bahn Zürich wenige Minuten mehr Fahrzeit. Dominik Brühwiler, der damalige Leiter der Verkehrsplanung beim Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) und sein heutiger Direktor sagte der «NZZ am Sonntag», die Fahrzeiten seien 1990 berechnet worden. Die Situation sei nun eine ganz andere.

«Wenn doppelt so viele Leute ein- und aussteigen, dann dauert das mehr als doppelt so lange», wurde Brühwiler zitiert. Die Passagiere kämen sich auf den Perrons und in den Zügen immer mehr in die Quere.

Anders als damals der ZVV begründen die SBB ihr Ansinnen dieses Mal allerdings nicht mit mehr Fahrgästen, sondern mit der eigenen Baustellenplanung. Die Pläne dürften die Bahn noch einige Zeit beschäftigen. Welche Auswirkungen schon kleine Änderungen am Fahrplan haben, zeigt ein Beispiel vom letzten Fahrplanwechsel. Seit dann fährt der Intercity 1 nach Zürich in Bern jeweils eine Minute früher ab. Damit verloren Reisende aus Kerzers und aus dem Entlebuch ihren Anschluss auf diesen Zug. Setzen die SBB nun in grossem Stil auf Reisezeitverlängerungen, droht eine Wiederholung solcher Konstellationen – und viel böse Post von Pendlern.