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Wirtschaft
Der Münchner Ökonom und Präsident des Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, sagt im Interview, was er von der Auflösung des Euro-Mindestkurses hält. Sinn hat sich in Deutschland als Kritiker der Euro-Rettungsaktionen einen Namen gemacht.
Herr Sinn, kommt das Vorgehen der SNB für Sie überraschend?
Hans-Werner Sinn: Ja, total. Das war heute die Bombe.
Was halten Sie von der Entscheidung?
Mir zeigt das, dass offenbar eine Kapitalflucht in die Schweiz ansteht. Das liegt an zwei Dingen. Zum einen könnte viel Kapital aus Italien kommen, wo wir seit dem Sommer eine Kapitalflucht von etwa 80 Milliarden Euro ins Nicht-Euro-Ausland feststellen. Zum anderen kommt diese Kapitalflucht durch das QE-Programm zustande, das ja nun sicher kommen wird, nachdem gestern der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs grünes Licht gegeben hat. Indem die EZB den Banken die Staatspapiere abkauft, erlaubt sie ihnen die Flucht in ausländische Anlagen.
Die SNB sagt, die Schweizer Wirtschaft sei heute besser diversifiziert als vor der Einführung des Mindestkurses. Sehen Sie das auch so?
Nein. Dazu war die Zeitspanne zu kurz.
Verliert die SNB durch die Aufhebung und ihre Argumentation die Glaubwürdigkeit?
Das Ergebnis zeigt, dass die SNB offenbar doch nicht über eine unbegrenzte Feuerkraft verfügt, was mich wundert, denn sie kann ja die Franken, die die Ausländer haben wollen, nach Belieben drucken. Aber das Risiko, das mit der Anhäufung ausländischer Devisen und Wertpapiere verbunden ist, ist ihr doch wohl zu gross geworden.
Droht der Schweiz nun eine Deflation?
Was heisst «droht»? Die Schweiz hat immer schon mal Deflationsphasen gehabt, die sie gut überstanden hat. Die Geldbesitzer können sich freuen.