Interview
Peter Spuhler sagt: «Europa ist für uns noch immer ein Wachstumsmarkt»

Die Stadler Group hält sich an die Sanktionen gegen Russland und Weissrussland. Konzernchef Peter Spuhler will weitere Märkte und Marktanteile mit neuen Zügen und Bahnen erobern.

Stefan Borkert
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Peter Spuhler, CEO ad interim und Verwaltungsratspräsident von Stadler Rail, Bussnang vor dem Hochgeschwindigkeitszug Giruno.

Peter Spuhler, CEO ad interim und Verwaltungsratspräsident von Stadler Rail, Bussnang vor dem Hochgeschwindigkeitszug Giruno.

Gian Ehrenzeller / KEYSTONE

Die CEO-Nachfolge hat lange gedauert. Was hat den Ausschlag für Herrn Bernsteiner gegeben?

Peter Spuhler: So lange war das gar nicht. Im Mai 2020 ist die Suche nach einem neuen CEO eingeleitet worden, sowohl extern als auch intern. Allerdings war es in den Jahren 2020/2021 wegen Covid nicht möglich, in viele Länder zu reisen. Deshalb hat der Verwaltungsrat entschieden, die Suche zu unterbrechen.

Eine interne Lösung hätte doch rascher gefunden werden können oder ist der Topkandidat wieder abgesprungen?

Nein, überhaupt nicht. Markus Bernsteiner hat sich aufgrund seiner Qualität, seines Know-hows und der Erfahrung im Schienenfahrzeugbau souverän durchsetzen können.

Worauf ist der hohe Auftragseingang im ersten Semester 2022 zurückzuführen.

Der Ausschreibungsprozess und der Zuschlag hängen von vielen Faktoren ab, unter anderem wenn ein Verlierer den Rechtsweg beschreitet. Dadurch können sich grosse Aufträge auf der Zeitachse verschieben. Diese Situation hatten wir 2021/2022, als die ÖBB Ausschreibung in der zweiten Instanz in Wien entschieden wurde und der VDV am 3. Januar 2022 uns zum Sieger ausgerufen hat. So kann es zu einer Massierung von Aufträgen kommen oder auch mal zu einer Lücke, weil die Vergabe verschoben worden ist.

Wie ist die Wettbewerbslage?

Wir sind natürlich stolz darauf, dass wir uns im harten internationalen Wettbewerb mit der Technologie unserer Fahrzeugkonzepte immer wieder prominent durchsetzen können.

Zwei Flirt-Züge im neuen Stadler-Servicecenter in Frauenfeld.

Zwei Flirt-Züge im neuen Stadler-Servicecenter in Frauenfeld.

Andrea Tina Stalder

Gibt es Nachholbedarf, um neue Märkte zu erschliessen?

Europa ist für uns noch immer ein Wachstumsmarkt. Wir sehen hier gute Möglichkeiten, auch mit den neuen Produkten weitere Marktanteile zu gewinnen. Aber selbstverständlich wollen wir auch weitere Märkte, die für uns noch weisse Flecken sind, erschliessen.

Also gibt es keine strategische Umorientierung nur auf den europäischen Markt?

Nein.

Strassenbahnen für Nordamerika. Werden dort dann auch Werke gebaut oder Firmen akquiriert?

Es macht keinen Sinn, ein weiteres Werk zu bauen. Der Markt ist noch nicht so gross wie in Europa. Wir haben in Salt Lake City ein grosses Werk und auch noch Landreserven. Was uns noch fehlt, ist der Gewinn einer Ausschreibung für eine Strassenbahn. Es gibt vier, fünf Projekte, wo wir aber noch kein Angebot lanciert haben. Aber wir haben Konzepte aus Europa amerikanisiert. Dort hat es andere Masseinheiten, weshalb man europäische Bahnen nicht eins zu eins übernehmen können. Aber das muss der nächste Nagel sein, den wir setzen. Das wäre strategisch sehr wichtig, denn wir hätten ein breit abgerundetes Sortiment im nordamerikanischen Markt.

Highspeed ist ein schwieriges Feld. Wird der Giruno eventuell eingestampft?

Nein. Der Giruno ist ein sehr gutes Produkt. Im Moment gibt es einfach kaum Ausschreibungen in diesem Marktsegment. Aber das kommt schon wieder. Der Giruno geht bis 250 Stundenkilometern. Viele Bahnnetze sind nur bis 200 km/h ausgelegt. Und in diesem Segment sind wir gut unterwegs.

Neue Technologien sind gefragt. Sie kündigen, autonome Fahrzeuge und Fahrzeuge mit grünen Technologien auszustatten. Wie ist die Nachfrage?

Die Nachfrage ist gross. In Deutschland zum Beispiel, da fahren noch jede Menge Diesellokomotiven und Triebzüge. Die Politik hat ganz klare Vorgaben gemacht und will, dass nur noch emissionsfreie Fahrzeuge beschafft werden. Wir konnten von unseren Akku-Zügen in Europa mehr als die Konkurrenz verkaufen. Und wir hoffen, mit unserem neuen Wasserstoffzug auch in Amerika durchzusetzen.

Wie sieht es im Werk Minsk aus?

Im Stadler-Werk in Fanipol bei Minsk werden keine Aufträge mehr ausgeführt.

Im Stadler-Werk in Fanipol bei Minsk werden keine Aufträge mehr ausgeführt.

Tatyana Zenkovich / EPA

Wir halten uns zu hundert Prozent an die Sanktionen. Das Werk in Minsk ist aber nicht zugesperrt. Dort gibt es noch einige Arbeiten zu erledigen. Aber es werden keine Aufträge ausgeführt. Die Belegschaft ist auf andere Werke verteilt.

Wann wäre der Zeitpunkt gekommen, das Werk zu verkaufen?

Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Wer will schon ein leeres Werk in Weissrussland kaufen? Wir hoffen alle, dass der Krieg bald vorbei ist, die Sanktionen aufgehoben werden und das Werk wieder hochgefahren werden kann.