Krisenfest
Thurgauer KMU dürften selbstbewusster sein – denn die Ostschweiz trotzt den schwarzen Schwänen

Am Wirtschaftsforum Thurgau in Weinfelden ist über Finanzen, Weltwirtschaft und aktuelle Krisen diskutiert worden. Regional statt global geht auch: Die Kreuzlinger Rausch AG löst ein Rohstoffproblem mit dem Extrakt aus Thurgauer Jungäpfeln.

Stefan Borkert
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Am Wirtschaftsforum Thurgau diskutierten (v.l.) unter der Leitung von Mona Vetsch Sandra Banholzer, CEO Rausch AG Kreuzlingen und Expertin Monika Bütler.

Am Wirtschaftsforum Thurgau diskutierten (v.l.) unter der Leitung von Mona Vetsch Sandra Banholzer, CEO Rausch AG Kreuzlingen und Expertin Monika Bütler.

Bild: Arthur Gamsa

Viele Unternehmen hatten sich auf die globale Welt eingerichtet. Die Lieferketten waren so eingerichtet und funktionierten wie ein Schweizer Uhrwerk. Doch dann kamen Corona, die Energiekrise und der Krieg in der Ukraine. Nichts war mehr so wie es vorher war und diese Entwicklungen halten an, begleitet von Stagnation, Inflation und damit Stagflation. Auch die Ostschweiz, auch der Thurgau mit seinen zahlreichen KMU ist davon betroffen. Und doch hat sich die Thurgauer Wirtschaft mit ihren Unternehmen bislang ziemlich krisenfest gezeigt. Das gilt zwar nicht für alle gleich, aber unterm Strich sieht es woanders noch viel schlimmer aus.

Die Ostschweiz und der Thurgau werden trotzdem leicht ein bisschen unterschätzt und das völlig zu unrecht. Moderatorin Mona Vetsch sagte am Wirtschaftsforum Thurgau (WFT) in Weinfelden, dass das vielleicht an der Zurückhaltung der Thurgauerinnen und Thurgauer liegt. Und Sandra Banholzer, die neue Chefin der Rausch AG in Kreuzlingen ergänzt, man dürfe ruhig etwas selbstbewusster auftreten. Rausch zum Beispiel habe das erste Flüssigshampoo der Welt auf den Markt gebracht. Aber wer weiss das schon? Vielleicht hat auch der frischgebackene Thurgauer des Jahres, Thomas Götz recht, wenn er zwar die kurzen Wege im Kanton hervorhebt und gleichzeitig feststellt, dass dafür die Leitungen manchmal recht lang seien.

Innovation auf mehreren Ebenen vorantreiben

Das hat bei den Coronamassnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft nicht gegolten. Monika Bütler, Honorarprofessorin Universität St.Gallen und Vizepräsidentin der Corona-Taskforce zeigte noch einmal auf wie rasch die Coronakredite auf den Weg gebracht und ausgezahlt wurden. Sie sagte:

Monika Bütler, Honorarprofessorin an der Universität St.Gallen

Monika Bütler, Honorarprofessorin an der Universität St.Gallen

Bild: Arthur Gamsa

Honorarprofessorin Universität St.Gallen

«Krisenbewältigung und Unterstützung in dieser Art ist Gold wert»

Aus wirtschaftlicher und volkswirtschaftlicher Sicht sei die Schweiz im Vergleich zu anderen Ländern viel besser und stabiler durch diese Krise gekommen. Uns bislang gelte das auch für die aktuelle Situation.

Diesen Ball nahm Sandra Banholzer, neue Chefin der Rausch AG gerne auf. Sie ist dabei das 130 Jahre alte Unternehmen mit Innovationen und neuen Ideen fit für die Zukunft zu machen. Und weil die Konkurrenz nicht schläft treibt sie Innovationen gleich auf mehreren Ebenen voran, im Marketing, in der Kommunikation in den Prozessen und der Kultur. Das hat bereits Früchte getragen. Nicht nur wird der interdisziplinäre Austausch im Unternehmen sowie mit den Lieferanten und Kunden forciert, sondern auch Lösungen für zum Beispiel Lieferprobleme gesucht und gefunden.

Genauso wichtig wie Meetings und Sitzungen für das alltägliche Geschäft seien regelmässige Innovationsmeetings, die abteilungsübergreifend veranstaltet werden. Die Kräuterrezepte von Rausch sind geheim, doch sie verriet, dass ein Rohstoff mit einer Lieferzeit von mehr als 12 Monaten die Produktion gehörig ins Stocken bringen könne. Man steckte also die Köpfe zusammen und fand eine bestechende Lösung. Der fehlende Rohstoff lässt sich aus unreifen Thurgauer Jungäpfeln extrahieren. Manchmal liegt die Lösung nicht am anderen Ende der Welt, sondern direkt vor der Haustüre in Mostindien.

Sie betonte auch, dass sich Unternehmen umstellen müssten, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Das bedeute auch mehr auf Frauen setzen und eine neue Unternehmenskultur schaffen. Sie sei kein Hierarchiefan und habe deshalb auch das Du eingeführt.

Krisen nicht nur wegen Putin und dem Ukraine-Krieg

Hans-Werner Sinn, ehemaliger Direktor des Ifo-Instituts München, spricht am Wirtschaftsforum Thurgau über Entwicklung der Weltwirtschaft und Europas unter dem Einfluss der aktuellen Krisen und des Ukraine-Krieges.

Hans-Werner Sinn, ehemaliger Direktor des Ifo-Instituts München, spricht am Wirtschaftsforum Thurgau über Entwicklung der Weltwirtschaft und Europas unter dem Einfluss der aktuellen Krisen und des Ukraine-Krieges.

Bild: Arthur Gamsa

Hans-Werner Sinn, ehemaliger Direktor des Ifo-Instituts München, zeichnete dann anhand von Statistiken, Zahlen und ein Bild der aktuellen Situation nach. Dazu bemühte er das Bild vom schwarzen Schwan. In der Wirtschaft ist ein schwarzer Schwan ein Ereignis, das völlig unwahrscheinlich ist und gänzlich überraschend eintritt. Im Nachhinein kann sich herausstellen, dass durchaus Anhaltspunkte vorhanden waren, und in manchen Fällen wurde die Begebenheit auch von einem Experten vorausgesehen, den man nicht gehört, nicht verstanden oder nicht ernstgenommen hat. So ein Experte ist Sinn, der schon früh auf die Inflationsgefahr hingewiesen hatte. Er sprach aber auch von sechs schwarzen Schwänen mit denen sich die Welt derzeit konfrontiert sieht. Dazu zählt er unter anderem die Pandemie, die möglicherweise von den USA gesprengte Nordstream-Pipeline, die Zustände in Grossbritannien mit Finanzkrise und Regierungswechsel sowie den Krieg in der Ukraine. Und er ist sich sicher, die Wirtschaft wird noch mehr verkraften müssen.

Oswald Grübel empfiehlt Moderatorin Mona Vetsch statt für fünf Franken eine Bratwurst, lieber eine CS-Aktie zu kaufen.

Oswald Grübel empfiehlt Moderatorin Mona Vetsch statt für fünf Franken eine Bratwurst, lieber eine CS-Aktie zu kaufen.

Bild: Arthur Gamsa

Oswald Grübel, einst Chef beider Grossbanken der Schweiz brach eine Lanze für die Neutralität, den Finanzplatz Schweiz, für die CS und kritisierte die strengen Regulierungen der Banken sowie die SNB für ihre Deckelung des Wechselkurses. Die SNB solle sich um die Inflation und Zinsen kümmern. Die Grossbanken wiederum würden für die Liquidität der Unternehmen sorgen.