Interview
Oswald Grübel zum Börsenboom: «Der Zyklus könnte noch weitergehen»

Der ehemalige Chef der UBS und CS sieht noch kein Ende des Börsenbooms. Oswald Grübel empfiehlt aber auch Gold

Daniel Zulauf
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Oswald Grübel. Chris Iseli

Oswald Grübel. Chris Iseli

Chris Iseli

Herr Grübel, wir nehmen an, der jährliche Depotauszug ist inzwischen auch bei Ihnen eingetroffen. Wie ist das Börsenjahr 2017 für Sie gelaufen?

Oswald Grübel: Wie man so schön sagt: Es hätte besser laufen können.

Entschuldigung, aber der Swiss Market Index hat 15 Prozent gewonnen. Der Dow Jones sogar 25 Prozent. Was kann denn da noch besser laufen?

Sie haben recht. Es war eigentlich ein fantastisches Börsenjahr. Gut gefahren sind aber vor allem jene Investoren, die nach dem Buy-and-Hold-Prinzip anlegen. Ich bin dagegen eher der Händler-Typ. Mir gefallen die Märkte besser, wenn sie auch einmal runtergehen und nicht nur in eine Richtung laufen. So geht es auch den Banken. Die haben heuer ja auch keine berauschenden Handelsergebnisse erzielt.

Wo steht die Börse heute?

Noch sind wir nicht an dem Punkt angelangt, an dem alle nur noch kaufen wollen. Der gegenwärtige Zyklus könnte noch ein bis zwei Jahre weitergehen, obwohl die Aktienmärkte schon seit 2009 fast nur hochgegangen sind.

Auf welche Märkte und auf welche Anlagen setzen Sie?

Ich glaube, das ist verschieden bei jeder Person. Die einen sind von Technologie- und Wachstumsaktien überzeugt und die anderen von den traditionellen Firmen. Ich versuche, die Aktien mit der günstigsten Bewertung und guten Zukunftsaussichten zu finden. In jeder längerfristigen Anlage sollte auch ein Anteil von 20 bis 30 Prozent von physischem Gold nicht fehlen, das uns vor Geldentwertung schützt.

Die amerikanische Notenbank hat die Zinswende geschafft, ohne dass an den Börsen ein Chaos entstanden wäre. Wird das auch in Europa gelingen?

Die Fed hat die Märkte lange und gut vorbereitet. Als die ersten Zinsschritte kamen, war das für niemanden mehr eine Überraschung. Deshalb gab es auch keine Panik in den Märkten. Wäre die Fed aber gezwungen gewesen, schnell zu handeln, um einen unerwartet raschen Anstieg der Inflation zu bremsen, dann wäre dies für die Märkte sicher ein Schock gewesen. Bis heute gibt es allerdings keinerlei Anzeichen für ein solches Szenario. So gesehen stehen auch in Europa die Chancen nicht schlecht, dass sich die Abkehr von der Nullzinspolitik ohne Börsencrash vollziehen lässt.

Bankaktien sehen besonders billig aus. Sind sie es auch?

Die Aktienkurse vieler grosser Banken sind tiefer denn je. Aber der Grund dafür ist, dass die Banken viele neue Aktien ausgeben mussten, um sich frisches Kapital zu beschaffen. Man kann deshalb nicht die Aktienkurse von heute mit den Kursen von früher vergleichen. Stattdessen muss man sich die Kapitalisierung, also den gesamten Börsenwert der Banken ansehen. Dann werden Sie sehen, dass die UBS mit einem Börsenwert von rund 70 Milliarden Franken und die Credit Suisse mit 45 Milliarden Franken gar nicht so billig sind, wenn man die Werte ins Verhältnis zu den Gewinnen der Banken setzt.

Ist das ein Trost für die Aktionäre, die doch viel Geld mit Bankaktien verloren haben?

Leider nicht.

Erklären Sie uns doch, weshalb die Bankmanager heute immer noch fast gleich viel Geld verdienen wie damals, als die Gewinne doppelt so hoch waren wie heute!

Das ist für viele ein Rätsel, aber ich nehme an, das ist der allgemeinen Gehaltssteigerung für Manager in allen Industriezweigen zu verdanken.

Würden die Banken mehr verdienen, wenn die Zinsen höher wären?

Im Prinzip ist es so, dass die Margen grösser werden, wenn die Zinsen steigen. Aber heute haben wir eine spezielle Situation: Der Kunde zahlt 1,5 Prozent für eine zehnjährige Hypothek und die Bank muss für ihre Franken-Guthaben einen Strafzins von 0,75 Prozent der SNB bezahlen. Also da liegt doch eine gesunde Marge von 2,25 Prozent für die Bank drin.