Milliarden von Franken entgehen Schweizer Unternehmen durch Produktfälschungen. Besonders betroffen sind neben Herstellern von Luxusartikeln auch Firmen wie Victorinox.
Auf diese Auszeichnung hätte Hans Schorno liebend gerne verzichtet. Vor kurzem hat der Mediensprecher des Schwyzer Sackmesserherstellers Victorinox in Frankfurt den Preis «Plagiarius» entgegengenommen. Als Trophäe gab es einen schwarzen Zwerg mit goldener Nase. Mit diesem Negativpreis werden jedes Jahr Opfer von Produkt- und Markenpiraterie ausgezeichnet.
Mit dem Preis soll in erster Linie die Öffentlichkeit für besonders dreiste Fälschungen sensibilisiert werden. Denn immer häufiger werden diese im Internet angeboten. So auch im Fall des diesjährigen «Preisträgers» aus dem Hause Victorinox.
Es geht um das sogenannte Victorinox Rescue Tool. Das Sackmesser wurde zusammen mit Rettungsdiensten entwickelt. Mit diesem äusserst robusten Messer kann man laut Victorinox sogar Personen aus einem verunfallten Auto befreien. Das im Internet angebotene Plagiat ist mit blossem Auge zunächst vom Original kaum zu unterscheiden (Grafik unten). «Probiert man das Messer aber aus, stellt man schnell die Unterschiede in der Mechanik fest», sagt Schorno.
Produktfälschungen kosten das Schwyzer Unternehmen jedes Jahr einen Millionenbetrag. «Am stärksten leidet aber unser Image unter solchen Fälschungen. Wenn das gefälschte Rescue Tool im Ernstfall versagt, leidet auch die Reputation von Victorinox», sagt Schorno.
Als weltweit tätiger Markenartikel-Hersteller ist Victorinox bei Produktpiraten besonders beliebt. «Neuheiten werden innert kürzester Zeit kopiert und erscheinen insbesondere auf Internet-Plattformen», sagt Schorno. Neben Messern seien vor allem Uhren und Parfums davon betroffen. Victorinox wehrt sich nach besten Kräften. «Unsere interne Rechtsabteilung arbeitet eng mit Ermittlern sowie mit Zoll- und Polizeibehörden zusammen», sagt Schorno. Es werde jedoch immer schwieriger, den Fälschern das Handwerk zu legen. Auch aktuell sind Victorinox einige Internetseiten bekannt, auf denen sich Plagiate von Victorinox-Produkten befinden, beispielsweise auf aliexpress.com. Schorno geht davon aus, dass die meisten Fälschungen in Asien hergestellt würden. Oftmals verbreiten sich Fälschungen sehr schnell, gerade auch auf Fachmessen. Auf der Computermesse Cebit rückte Victorinox im Jahr 2007 mit Polizeiaufgebot und Anwalt an und konnte einige Fälschungen eines Sackmessers mit USB-Funktion sicherstellen. «Zwei Aussteller mussten sogar ihre Stände schliessen», sagt Schorno.
Auf rund 2 Milliarden Franken wird der jährliche Schaden durch Produktfälschungen für Schweizer Unternehmen geschätzt. Schweizer Zollstellen stellten 2012 allein im Handelswarenverkehr 2741 Fälschungen sicher. In fast der Hälfte der Fälle handelte es sich um Taschen, gefolgt von Bekleidung (siehe Grafik oben). Häufig stossen die Zöllner auf Produkte-Imitationen der Luxusmarke Louis Vuitton. Werden Fälschungen am Zoll entdeckt, kann das für den Käufer Ärger bedeuten. Einzelne Fälle von Schadenersatzforderungen von Produzenten sind in der Schweiz aktenkundig. Besonders die Luxusmarke Louis Vuitton bedient sich gerne dieser Praxis.
Auch die EU-Zollbehörden beschlagnahmten im Jahr 2012 fleissig illegale Produkte – gesamthaft waren dies 40 Millionen Stück im Wert von 1 Milliarde Euro.
«Der globale Handel nimmt zu, damit kommen auch immer mehr gefälschte Produkte in Umlauf», sagt Lukas Lüthi, Geschäftsführer von Stop Piracy. Da die Leute mehr reisen und mehr im Internet einkauften, dürfte der Handel mit gefälschten Produkten weiterwachsen. Die Schweizer Plattform gegen Fälschung und Piraterie wurde 2005 von verschiedenen Behörden und Mitgliedern aus der Privatwirtschaft gegründet. Zu den Mitgliedern gehören unter anderem der Verband der Schweizerischen Uhrenindustrie und Interpharma, der Verband der forschenden pharmazeutischen Firmen der Schweiz, sowie der Zuger Online-Marktplatz Ricardo.ch.
700 000 offene Angebote gibt es bei Ricardo.ch. «Der Anteil an Fälschungen ist im Vergleich dazu aber sehr gering», sagt Sprecher Simon Marquard. Man stelle keine Zunahme an gefälschten Produkten fest. «Eine speziell geschulte Abteilung innerhalb des Kundendienstes screent die Angebote täglich. Zudem arbeiten wir eng mit externen Firmen, Rechteinhabern und Behörden zusammen, die uns auf gefälschte Produkte auf unserer Homepage hinweisen», sagt Marquard. Diese würden sofort von der Seite entfernt.
Doch wie können sich Konsumenten vor Produktfälschungen schützen? Lukas Lüthi von Stop Piracy hat die wichtigsten Tipps zusammengestellt:
Weitere Informationen gibt es auf www.haende-weg.ch und www.stop-piracy.ch