Stefan Meierhans
Preisüberwacher: «Zehnmal höhere Preise? Wir haben falsche Regulierung»

Stefan Meierhans (47) ist seit 2008 Preisüberwacher des Bundes. Im Interview spricht über Erstaunliches aus seinem Alltag und warum die Preise rascher sinken als auch schon.

Stefan Schuppli
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Stefan Meierhans (47) ist seit 2008 Preisüberwacher des Bundes. Er spricht am kommenden Montag um 18.15 Uhr vor der Statistisch-Volkswirtschaftlichen Gesellschaft an der Uni Basel.

Stefan Meierhans (47) ist seit 2008 Preisüberwacher des Bundes. Er spricht am kommenden Montag um 18.15 Uhr vor der Statistisch-Volkswirtschaftlichen Gesellschaft an der Uni Basel.

Keystone

Bald ist es ein Jahr her, dass die Euro-Frankenbindung aufgegeben wurde. Sind Sie zufrieden mit den Preisnachlässen, welche die Importeure oder Detailhändler gewährt haben?

Stefan Meierhans: Die Weitergabe von Währungsvorteilen hat viel besser geklappt als anlässlich der ersten Frankenstärke 2011. Aber der Einkaufstourismus hat stark zugenommen, und damit auch der Druck. Der grösste Konkurrent unter den Detailhändlern ist heute das Ausland. In Basel ist das besonders dramatisch – hier wo das Tram über die Grenze nach Deutschland fährt und dereinst nach Frankreich – mit einer Haltestelle am Supermarkt Géant Casino ... Ich bin zufriedener als das letzte Mal, aber die Zufriedenheit ist eine relative. Ich bekomme noch immer viele Zuschriften, zum Teil recht unerwartete. Beispielsweise zu Internetshops, die in der Schweiz höhere Preise verlangen, sei es für Hemden, Hosen oder Kreuzfahrten. Man kann sicherlich nicht alle Firmen über einen Leist schlagen.

Gas und teilweise auch Strom wurden auf dem internationalen Markt sehr viel günstiger. Die Konsumenten profitieren nur wenig davon. Sind Sie eingeschritten?

Stefan Meierhans (47) ist seit 2008 Preisüberwacher des Bundes. Er spricht am kommenden Montag um 18.15 Uhr vor der Statistisch-Volkswirtschaftlichen Gesellschaft an der Uni Basel.

Wie sieht es bei der Telekommunikation aus? Können Sie Swisscom zu Roamingpreisen zwingen, die gleich hoch sind wie in der EU?

In der Telekommunikationsbranche herrscht teilweise Wettbewerb, ein Einschreiten meinerseits muss deshalb gut begründet sein. Es handelt sich bei Roaminggebühren um Geschäfte in zwei Richtungen. Swisscom erhält beispielsweise Geld von ausländischen Telekomfirmen und muss Geld an solche zahlen. Ein einseitiges Vorgehen ist deshalb suboptimal. Darum habe ich, zusammen mit der Wettbewerbskommission und dem Bundesamt für Kommunikation, die Aufnahme des Themas in Gespräche mit Europa gefordert. Aber geschehen ist da nichts. Unsere Hoffnungen liegen bei der anstehenden Revision des Fernmeldegesetzes.

Im öffentlichen Verkehr steigen die Preise jährlich. Aber SBB-Chef Andreas Meyer hat kürzlich gesagt, Bahnfahren soll günstiger werden. Gab es da ein Umdenken?

Zum Schutz der Konsumenten und des freien Markts

Der Volkstribun

Verbraucher sind zu diffus organisiert, um ihre Interessen mit einer Stimme zu vertreten. Wegen der schier unendlichen Konsummöglichkeiten sind sie kaum unter einen Hut zu bringen, im Gegensatz zu den weit homogeneren Anliegen einer Branche. Wie gut, gibt es den Preisüberwacher. Als die 1972 wegen hoher Inflation eingeführten provisorischen Preiskontrollen im Jahr 1978 ausliefen, lancierten Konsumentenschützer eine Initiative, um diese Funktion zu institutionalisieren. Das Volk schmetterte den Gegenvorschlag des Bundesrats ab. Seit 1985 hält der Preisüberwacher daher von Amtes wegen ein Auge auf Preise,
die nicht durch Wettbewerb zustandekommen, sondern von marktbeherrschenden Unternehmen, Kartellen oder vom Staat festgelegt werden. (TM)

Im Gesundheitswesen gehören Spitäler zu den grössten Kostenverursachern. Gibt es hier Potenzial?

In Deutschland kostet ein stationärer Fall, die sogenannte Baserate, rund ein Drittel so viel wie in der Schweiz. Wir müssen deshalb unbedingt und dringend das wettbewerbliche Element mit einem vernünftigen, das heisst angemessen strengen Benchmarking (Vergleich) zwischen den Spitälern nutzen. Grundsätzlich kann man sagen: Den Spitälern geht es hervorragend. Das haben Untersuchungen von PWC und dem Spitalverband H+ gezeigt. Es kommt nicht von ungefähr, dass die Krankenkassenprämien ansteigen.

Preisvergleiche mit dem Ausland zeigen regelmässig, dass Generika in der Schweiz im Schnitt mehr als doppelt so teuer sind. Wie könnte man dieses dauernde Ärgernis beseitigen?

Unsere letzte Untersuchung hat ergeben, dass die Generikapreise im europäischen Vergleich bei uns bis zu zehn Mal höher liegen. Warum? Wir haben eine falsche Regulierung mit der sogenannten Abstandsregel. Generika müssen um bestimmte Prozentsätze günstiger sein als die entsprechenden Originalmedikamente. Profitieren tun die oft ausländischen Medikamentenhersteller, in beschränktem Masse auch die Apotheken und Ärzte. Die Lösung liegt im von mir schon lange propagierten Referenzpreissystem für patentabgelaufene Medikamente: Medikamente mit einer bestimmten Wirksubstanz würden dabei nur noch bis zum Betrag des Preises eines günstigen Generikums durch die Kassen vergütet. Das Sparpotenzial wäre allein in einem ersten Schritt rund 400 Millionen Franken jährlich – wiederkehrend.

Auch Krebsmedikamente sind zum Teil extrem teuer. Wieso?

Nicht nur Krebsmedikamente. Es ist aber durchaus richtig, dass neue Medikamente, die einen Zusatznutzen bringen, sehr teuer sind. Ein Monopolpreis zu Beginn der Vermarktung ist Anreiz für die Forschung, hier müssen wir aufpassen. Der Auslandpreisvergleich bei patentierten Originalmedikamenten ist an sich eine gute Sache – bloss beim Vollzug hapert es, zum Beispiel bei der Auswahl der Vergleichsländer.

Mit Reklamationen über welche Bereiche wenden sich verärgerte Kunden am häufigsten an Sie?

Aktuell erhalte ich gerade sehr viele Reklamationen von Kunden der Postfinance. Aber auch der öffentliche Verkehr ist ein Standardkunde, Beispiel U-Abo Nordwestschweiz. UPC Cablecom hat nach der Preiserhöhung auch viele Meldungen provoziert, und erstaunlicherweise erhalte ich regelmässig sehr viele Meldungen zu Benzinpreisen, obwohl dort der Wettbewerb auf Verteilerstufe spielt.