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Die beiden ungleich grossen Unternehmen streiten über Werbe-Aussagen auf Social Media. Einen ersten Prozess, der sich um das Herstellungsverfahren des Yamo-Breis drehte, konnten die Zuger Jungunternehmer für sich entscheiden.
Wie weit dürfen aufstrebende Jungunternehmer mit ihren kecken Aussagen gehen? Diese Frage steht im Mittelpunkt eines Konfliktes zwischen zwei Herstellern von Babybrei. Auf der einen Seite das 2016 gegründete Zuger Start-up Yamo mit 40 Angestellten – auf der anderen Seite der traditionsreiche deutsche Nahrungsmittelriese Hipp mit weltweit 3500 Beschäftigten. Die Hipp-Familie mit Wohnsitz in Obwalden soll ein Vermögen von rund einer Milliarde Franken besitzen. Vor rund 20 Jahren hat sie den Konzernsitz nach Sachseln verlegt, wo Hipp mit dem Müeslihersteller Bio-Familia präsent ist.
Seit Anfang 2017 produzieren Tobias Gunzenhauser, José Amado-Blanco und Luca Michas mit ihrem Jungunternehmen Yamo Babybrei mit einem speziellen Verfahren: Um Bakterien und Keime zu entfernen, wird der Früchte- oder Gemüsebrei nicht wie üblich erhitzt, sondern mittels Hochdruckpasteurisierung bearbeitet. Dieses High Pressure Preservation (HPP) genannte Verfahren wird in der Lebensmittelindustrie seit einigen Jahren zum Beispiel für die Entkeimung von Fruchtsäften angewendet. Yamo startete mit der Produktion in Deutschland im Sommer 2018 und war damals eines der ersten Unternehmen weltweit, das HPP für die Produktion von Babybrei verwendete. Das Hochdruckverfahren erlaubt es, natürliche Vitamine zu erhalten und gleichzeitig ohne Zusatzstoffe eine mehrwöchige Haltbarkeit zu erreichen. Im Gegensatz zu herkömmlichem Brei muss der Yamo-Brei jedoch gekühlt werden. Yamo zählt mittlerweile über 30'000 Onlinekunden und die Produkte sind unter anderem bei Coop erhältlich.
Yamo hat in den letzten Jahren mehrere Start-up-Preise gewonnen und Investorengelder in Millionenhöhe angezogen – aber auch die Konkurrenz auf den Plan gerufen. Denn wie am Wochenende publik wurde, tobt seit Ende 2018 ein Rechtsstreit zwischen den beiden ungleich grossen Firmen. Auf der Website des Jungunternehmens steht, dass Yamo bislang sechs Abmahnungen erhielt und zweimal verklagt wurde; eine Klage richtete sich auch gegen die drei Gründer persönlich. Stein des Anstosses waren Einträge von Yamo auf Social-Media-Plattformen wie Facebook und Instagram. Hier macht Yamo aktiv Werbung damit, dass man die erste frische Babynahrung in Europa entwickle. Es geht um Aussagen wie: «Wenn man herkömmlichen Babybrei probiert, weiss man, wieso Babys ihn immer rausspucken.» Yamo schrieb unter anderem auch, dass «herkömmlicher Babybrei voller ungesunder Zusatzstoffe» sei. Hipp fühlt sich von solchen Werbeaussagen angegriffen, obwohl Yamo in den Werbebotschaften Hipp nie erwähnt hat.
Die Yamo-Gründer lassen durchblicken, dass ihrer Meinung nach Hipp einen künftigen Konkurrenten ausschalten will, doch der Konzern weist diesen Vorwurf zurück. Wenn Mitbewerber «unlautere Vergleiche und unzutreffende Behauptungen zu bewährten und sicheren Babynahrungsprodukten» anstellten, sei es ein angemessenes Vorgehen, «das gerichtlich neutral bewerten zu lassen», heisst es in einer Stellungnahme aus dem Hipp-Werk im deutschen Pfaffenhofen. Und weiter: «Auch wir haben uns umfassend mit dem HPP-Verfahren beschäftigt und bewusst dagegen entschieden. Die Sicherheit der damit hergestellten Babynahrungsprodukte hat uns nicht überzeugt. Das Verfahren erfüllt nicht unsere strengen Sicherheitsanforderungen.»
Einen Prozess hat Yamo Ende 2020 jedenfalls gewonnen. Dabei ging es um das HPP-Verfahren, das «neuartig» ist und nach Meinung von Hipp damit behandelte Lebensmittel ein Genehmigungsverfahren durchlaufen müssten. Doch das Landgericht Hamburg sah das anders und wies die Klage im Dezember als unbegründet ab. «HPP ist natürlich legal, unsere Produkte ebenfalls. Die Erleichterung war unglaublich und es fühlte sich an, als wären Säcke voller Steine von einem genommen werden», schreiben die Yamo-Gründer auf der Website. Das Urteil ist rechtskräftig, da Hipp keine Berufung eingelegt hat.
Bleibt der Streit um die Werbeaussagen. «Das Gericht hat in mehreren Punkten bestätigt, dass es sich bei den Aussagen von Yamo um unfaire Werbung handelt», heisst es in der Stellungnahme von Hipp. Einige Aussagen wurden daher verboten, was offenbar keine Seltenheit ist in der Babynahrungsbranche. Heike Blank, eine Expertin für Lebensmittelrecht, sagte der «Frankfurter Allgemeine Zeitung», sechs Abmahnungen und zwei Klagen in zweieinhalb Jahren seien nicht sonderlich überraschend. Gerade neuen Marktteilnehmern falle es schwer, auf Anhieb alle Regularien einzuhalten. Etablierte Unternehmen auf dem Markt könnten dann ihren Wissensvorsprung ausnutzen. Verwende ein Start-up Aussagen, die nicht das eigene Produkt in den Vordergrund stellen, sondern den bisherigen Marktstandard bemängelten, so wecke dies die Aufmerksamkeit etablierter Firmen: «Da darf man sich dann auch ein Stück weit nicht wundern, wenn man Gegenwind erfährt.»
Nach der Bekanntmachung des Rechtsstreits gehen die Yamo-Gründer nun weiter in die Offensive. Am Montag haben sie einen offenen Brief an Claus Hipp und seinen Sohn Stefan veröffentlicht:
Darin rufen sie den Marktführer für Babybrei zu mehr Fairplay auf. Sie laden im Brief Claus und Stefan Hipp ein, das Rechtsbudget lieber an die Stiftung Kindergesundheit zu spenden. Um mit gutem Beispiel voranzugehen, hat Yamo der Stiftung 10'000 Euro gespendet. Dies entspreche grob den Rechtskosten, die derzeit zur Abwehr der Abmahnungen und Klagen von Hipp pro Quartal anfallen. «Macht ihr mit?», steht im Brief, der im saloppen Gründer-Duzis verfasst ist. Dazu heisst es in der Stellungnahme von Hipp: «Es freut uns, wenn Mitbewerber für gute Organisationen und Initiativen spenden. Wir tun dies seit jeher aus ethischer Überzeugung und ohne es in die Öffentlichkeit zu tragen. Spenden sind bei uns ein wichtiger Teil der unternehmerischen Verantwortung und nicht Teil einer PR-Strategie oder einer Kampagne gegen Mitbewerber.»