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In den Regionalgenossenschaften rumort es: Der offizielle Kandidat Guy Lachappelle sei nicht wählbar, finden einige – und fordern den Verwaltungsrat auf, diesen als Kandidaten zurückzuziehen und einen neuen vorzuschlagen.
Mehrere Bankchefs und Präsidenten von einflussreichen Raiffeisen-Genossenschaften stellen sich gegen die Wahl von Guy Lachappelle als neuen Präsidenten der Raiffeisen-Zentrale. Der Chef der Basler Kantonalbank (BKB) ist für diese Vertreter der regionalen Genossenschaften vor allem aus zwei Gründen nicht wählbar. Zum einen wegen des laufenden Verfahrens in Zusammenhang mit dem ASE-Betrugsfall: Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) wirft der Bank vor, eine Meldung bei der Geldwäschereistelle ein Jahr zu spät eingereicht zu haben.
Zum damaligen Zeitpunkt war Guy Lachappelle Kreditchef der Bank. In diesem Verfahren verlangt das EFD via Gerichte die Entsiegelung eines vertraulichen Berichts, der die Vorkommnisse innerhalb der Bank um den ASE-Skandal ausleuchtet. Guy Lachappelle als heutiger Chef der Bank wehrt sich mit allen rechtlichen Mitteln gegen diese Entsiegelung und will ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das gegen die BKB entschieden hat, nun vor Bundesgericht anfechten.
Schwer wiegt insbesondere: Lachappelle machte das Verfahren zwar gegenüber dem Nominierungsausschuss und dem gesamten Verwaltungsrat von Raiffeisen Schweiz transparent. Dagegen verschwieg er an einem Treffen mit zwei Regionalpräsidenten im Vorfeld seiner Nominierung diese potenziell reputationsschädigenden Weiterungen des ASE-Falls.
Zweites Ärgernis für die regionalen Raiffeisen-Genossenschafter ist Lachappelles künftige Entschädigung. Statt reinen Wein einzuschenken und bei Bekanntgabe seiner Kandidatur klar zu deklarieren, dass er das Mandat zu den Konditionen des Vorgängers annimmt – egal wie viel Zeit er dafür zu Beginn aufwenden muss –, herrscht seit Wochen Verwirrung um seine Entlöhnung. Es heisst, der Verwaltungsrat arbeite an einem Entschädigungsmodell, in dem das effektiv aufgewendete Arbeitspensum in der Höhe seiner Entschädigung reflektiert werden soll.
Lachappelle dürfte rund 700000 Franken verdienen, etwa 200000 Franken mehr als sein Vorgänger Johannes Rüegg-Stürm. Das weckt den Verdacht, dass mit dem Lohn-Sonderpaket verloren gegangene Boni bei der BKB kompensiert werden sollen. Das Spezialpaket ist in den Augen der Regionalchefs umso unverständlicher, als sich Lachappelle für den Job beworben hat. Hätte man ihn abgeworben, wäre eine Sonderbehandlung samt Kompensation verlorener Anwartschaften verständlicher gewesen.
Die oppositionellen Regionalchefs, die mitunter die grössten Regionalgenossenschaften repräsentieren, fühlen sich verschaukelt. Sie erinnert dies an die Ära Pierin Vincenz, als sie Kandidaten für den Verwaltungsrat ohne Prüfung abgenickt haben. Jetzt wollen sie sich aktiv einbringen und Kandidaten auf Herz und Nieren prüfen. Der Präsident, den sie wählen, wird so zu ihrem Präsidenten – ohne Wenn und Aber. Mit der Wahl stehen sie auch in der Verantwortung.
Dass Guy Lachappelle für sie nicht wählbar ist, haben sie dem Verwaltungsrat von Raiffeisen Schweiz in klaren Worten mitgeteilt. Sie fordern diesen unmissverständlich auf, Lachappelle als Kandidaten zurückzuziehen und einen neuen vorzuschlagen. Für den Fall, dass der Verwaltungsrat ihren Forderungen nicht nachkommt, wollen sie offenbar eigene Gegenkandidaten prüfen. Die ausserordentliche Delegiertenversammlung findet am 10. November statt.
Eine Kampfwahl wollte Pascal Gantenbein, der interimistische Verwaltungsratspräsident, unter allen Umständen verhindern. Dieser erwog zunächst eine Kandidatur, musste aber unter Druck der Regionalverbände zurückkrebsen. In einem Interview mit der NZZ sagte Gantenbein, dass «wir uns mit den Delegierten und den Regionalverbänden auf einen einzigen Kandidaten einigen» werden, um «eine Kampfwahl zu verhindern».
Dass die Sache für Lachappelle noch nicht gegessen ist, geht aus Gesprächen mit mehreren Raiffeisenvertretern hervor, die Anonymität gewünscht haben. Öffentlich äussert sich Fredi Zwahlen, Präsident der Raiffeisenbank Liestal-Oberbaselbiet: «Es stehen viele von den Medien aufgeworfene Fragen im Raum», sagt er unserer Zeitung. «Alle Beteiligten werden sich nun an einen Tisch setzen, die Fakten in aller Ruhe anschauen und sich danach eine Meinung bilden.»