Sommer gleich Reisezeit: Falsch ist dies nicht. Doch die Herbstferien werden nicht nur für die Tourismusindustrie, sondern auch für Schweizer immer wichtiger.
Martin Wittwer, Chef von TUI Schweiz, liebt Regenwetter – zumindest aus geschäftlicher Sicht. Dann ist im Callcenter des Schweizer Reiseanbieters besonders viel los. In diesem Jahr braucht es nicht einmal ausgesprochen viele Regentage, dass es in den Kassen der Reiseanbieter klingelt. Das liegt zum einen am schwachen Euro, der Auslandreisen für Schweizerinnen und Schweizer preiswerter macht, und zum anderen an der Jahreszeit. Der Herbst ist ein gutes Geschäft für die Reisebranche. Und es wird immer bedeutsamer.
Die Herbstferien entwickeln sich zusehends zur beliebtesten Zeit für Auslandreisen von Schweizerinnen und Schweizern. Wie eine Umfrage des Onlineportals Travelnews.ch zeigt, ziehen es immer mehr Schweizer vor, im Sommer die Ferien im eigenen Land zu verbringen und dafür im Herbst ins Ausland zu gehen. Laut der Umfrage gaben drei von vier Befragten an, im Oktober die Koffer zu packen; fast 40 Prozent zieht es dabei in ein europäisches Land.
Grosse Reiseanbieter wie TUI oder Hotelplan bestätigen dies. «Seit zwei bis drei Jahren stellen wir fest, dass Herbstferien bei Herr und Frau Schweizer immer beliebter werden. So ist zwar der Anteil des Sommerferiengeschäfts immer noch am höchsten mit rund 35 Prozent des Gesamtumsatzes, aber die Herbstferien liegen bereits bei 20 Prozent», sagt Hotelplan-Sprecherin Prisca Huguenin-dit-Lenoir.
TUI sah sich aufgrund der regen Nachfrage gezwungen, die Flugkapazitäten für die Herbstferien zu erweitern.
Generell dürfte der Oktober 2015 ein guter Monat für die Reiseanbieter werden. Laut dem Schweizer Reiseverband, der Dachorganisation der Reisebüros, bewegen sich die Buchungsstände zwischen Vorjahresniveau und einem Plus von 8 Prozent.
Besonders gefragt sind in diesem Herbst bei Schweizern die griechischen Inseln Kreta und Rhodos. Die Flüchtlingskrise spielt beim Reiseverhalten von Herrn und Frau Schweizer keine Rolle, wie sowohl Hotelplan wie auch TUI erklären. «Viele Kunden haben sich bei uns über die Lage erkundigt. Doch niemand hat seine Griechenland-Ferien wegen der Situation nicht angetreten», erklärt TUI-Sprecher Roland Schmid.
TUI vermeldet auch für Kroatien, Italien und Ägypten eine erfreuliche Nachfrage. Bei Hotelplan sind die spanischen Inseln, Zypern sowie Schiffsreisen hoch im Kurs.
Der Drang, im Oktober nochmals Sonne zu tanken, ist bei Schweizern gross. Wer noch nicht gebucht hat, für den ist der Zug noch nicht abgefahren. «Es hat grundsätzlich noch für alle Destinationen freie Plätze», sagt Walter Kunz, Geschäftsführer des Schweizer Reiseverbandes. Allerdings müsse man sich vielleicht ein wenig flexibel zeigen, sprich: Statt am Wochenende kann die Hinreise möglicherweise erst am Montag erfolgen.
Für Schweizer Ferienreisende bleiben die Aussichten übrigens rosig. Denn es zeichnet sich nicht ab, dass Reisen künftig teurer wird. Im Gegenteil: «Die Nachfrage wird weiterhin über Preisnachlässe generiert», kommt Christian Laesser von der Universität St. Gallen in einer aktuellen Untersuchung zum Schluss.
Dominik Buholzer
Individualreisen Ferien mit Kind und Kegel an überfüllten Stränden waren noch nie das Ding von Christoph Zollinger (57). Der Vater zweier erwachsener Kinder suchte schon immer das Individuelle, das Persönliche. Aus seiner Passion hat er unlängst einen Beruf gemacht. Seit 1998 führt er in eigener Regie im Zürcher Niederdorf das Reisebüro Del Solar, und vor zehn Jahren gründete er Kidstravel, ein schweizweit einzigartiges Angebot für Familienreisen.
Walkurse in Südspanien
Der Start verlief zögerlich. Das erstaunt wenig. Die Konkurrenz ist gross, und Familienferien fern der Pauschalarrangements haben ihren Preis. «Wer auf Billigferien aus ist, der wird bei uns nur bedingt das Richtige finden», sagt Christoph Zollinger. Dafür versprechen die Angebote von Kidstravel Abenteuer: Ferien im Wald für Eltern und Kinder, Wal- und Delphinkurse in Südspanien, Eselwanderungen oder Familientrekking in Marokko. Doch mittlerweile hat sich Kidstravel etabliert. Die Nachfrage sei heute erfreulich, sagt Zollinger. Das Bedürfnis nach einer solchen Art von Ferien nehme zu. Doch die Ansprüche sind nicht gering. Aus diesem Grund ist der Reisefachmann bei der Auswahl seiner Angebote sehr wählerisch. «Die Angebote müssen nicht nur individuell und liebevoll sein, sondern wir legen grossen Wert darauf, dass auch die Einrichtung auf die Bedürfnisse von Kindern abgestimmt ist», betont er. Die Kinder sollen nicht einfach versorgt werden, sondern gut betreut sein.
Essen: Mehr Fälle von Intoleranz
Zudem will Zollinger auch immer sehr genau wissen, was auf den Tisch kommt. Es darf nicht einfach ein Buffet sein. Aus gutem Grund: Zollingers Kundschaft wird immer wählerischer: «In den vergangenen Jahren hat die Anzahl von Intoleranz, das heisst Familien, bei denen mindestens eine Person allergisch auf ein bestimmtes Nahrungsmittel ist, zugenommen.» Dem Rechnung zu tragen, ist nicht immer einfach, kommt zuweilen einer Herkulesaufgabe gleich. Doch mittlerweile hat sich Kidstravel in diesem Bereich ein Know-how aufgebaut.
Im Baumhaus übernachten
Das Gleiche gilt für eine andere Entwicklung: Glamping – luxuriöses Campen. Draussen zu schlafen, ist nach wie vor bei vielen Familien beliebt. Doch immer weniger wollen dies einfach nur in einem einfachen Zelt, sondern stellen höhere Ansprüche. Dem trägt Christoph Zollinger Rechnung: Ferien im Baumhaus, Zirkuswagen oder im Tipi bringen dies zum Ausdruck. Dominik Buholzer dominik.buholzer@luzernerzeitung.ch
Hinweis:Weitere Informationen gibt es unter www.kidstravel.ch