Im Schweizer Tourismus soll es wieder aufwärts gehen. Die Hoffnungen ruhen dabei auch im Wintergeschäft auf den Chinesen. Doch dies hat seine Tücken.
Dierk Beisel weiss nicht so recht, was auf ihn zukommt. «Wir haben weder eine Ahnung, wie gut unser neuer Kollege aus China wirklich Skifahren kann, noch wie gut seine Englischkenntnisse sind», sagt der Geschäftsführer der Schweizer Skischule in Engelberg. Fest steht nur: «Deutsch kann er ganz sicher nicht», sagt Beisel und lacht.
Ganz so schlecht dürften die Ski fahrerischen Fähigkeiten nicht sein. Immerhin handelt es sich um einen von insgesamt acht chinesischen Skilehrern, die auf Einladung von Schweiz Tourismus diesen Winter in der Schweiz weilen. Sie stehen auf den Pisten von Zermatt, Verbier, Grindelwald, Gstaad, St. Moritz Villars und Engelberg im Einsatz und sollen nach ihrem viermonatigen Aufenthalt zu Botschaftern für den Schweizer Wintersport werden.
Chinesen sollen dem Schweizer Tourismus nun also auch beim Wintergeschäft für den nötigen Schub sorgen, nachdem sie in den vergangenen Jahren bereits das Sommergeschäft stimulierten. 2012 wurden 23,4 Prozent mehr Logiernächte von Chinesen in der Schweiz gezählt als noch im Vorjahr. Wachstumsraten, von denen man sonst im Schweizer Tourismus derzeit nur träumen kann. Immerhin soll es nach den Dämpfern in den letzten Jahren wieder aufwärts gehen. Die Konjunkturforscher von Bakbasel prognostizieren für die anstehende Wintersaison bei den Hotelübernachtungen ein Plus von 2,9 Prozent. Damit sind aber noch längst nicht alle Probleme vom Tisch. «Wir müssen von weit unten ausholen», meinte Jürg Schmid, der Direktor von Schweiz Tourismus, am vergangenen Montag zum Start der Winterkampagne.
Mengenmässig ist da der asiatische Markt verlockend. Laut Schweiz Tourismus gibt es 5 Millionen chinesische Skifahrer; laut einer kanadischen Studie sollen es 2015 bereits 10 Millionen sein. 35 Prozent von ihnen planen innerhalb von zwei Jahren einen Trip ins Ausland. Ihr Budget beträgt zwischen 3000 bis 4000 Franken pro Person und der Abstecher auf die Skier darf nicht fehlen.
Tobias Matter hat bereits Erfahrungen im Umgang mit chinesischen Wintersportlern. Seit fünf Jahren organisiert er als Verkaufsleiter von Titlis-Rotair spezielle Schnupperkurse. «Von Skifahren kann man hier nicht sprechen. Die Teilnehmer lernen in erster Linie, wie sie sich auf den Skiern halten können», sagt er. Allerdings: Der grosse Run auf solche Angebote verzeichnet man am Titlis nicht – noch nicht. Den Chinesen würde aufgrund des gedrängten Reiseprogramms heute die Zeit dazu fehlen, sagt Matter. Doch er ist überzeugt, dass sich dies ändern wird. Das sieht auch Schweiz Tourismus so.
Der chinesische Markt sei wegen seines wachsenden Potenzials verlockend, sagt Jürg Stettler, Direktor des Instituts für Tourismuswirtschaft der Hochschule Luzern. «Aber es besteht die Tendenz zur Überschätzung», wendet Stettler ein. «So wie wir Schweizer werden Chinesen nie Skiferien machen. Sie verfügen gar nicht über die entsprechende Schneesportkultur», betont er. Diese Meinung teilt auch Simon Lehmann, CEO des Ferienhaus- und Ferienwohungsanbieter Interhome: «Der chinesische Markt ist sicherlich verlockend. Und ich bin überzeugt, dass zahlreiche Chinesen sich im Skifahren versuchen werden. Aber nachhaltig wird dies nicht sein», sagt er. Simon Lehmann: «Skifahren lernen sie nicht mit einem einzigen Kurs. Dazu gehört regelmässiges Üben. Asiaten wollen in erster Linie den Schnee erleben und nicht das Skifahren lernen.»
Diese Gefahr bestehe, sagt Tobias Matter von Titlis-Rotair. Aber ein Versuch sei es auf jeden Fall wert, meint er. Und so ungeschickt würden sich Asiaten auf Skiern nicht anstellen. «Es gibt etliche, die über ein erstaunlich hohes Niveau verfügen», sagt er und verweist auf die Erfahrungen des 1. Switzerland Mount Titlis Ski Cup im Jahre 2006, einem Skirennen eigens für Chinesen.
Aber nur ums Skifahren geht es Matter letzten Endes gar nicht. Der Verkaufsleiter sieht im Wintersport eine von vielen Möglichkeiten, um die Marke Schweiz in China bekannter zu machen. «Ein Skikurs kann ja vielleicht dazu führen, dass ein Chinese wieder nach Engelberg kommt und dann für mehr als nur zwei Tage bleibt. Ob er dann wieder auf die Skier steigt, ist nicht so entscheidend.»
Dierk Beisel von der Skischule Engelberg übt sich derweil in Gelassenheit. Ob und wie stark er den chinesischen Skilehrer einsetzen kann, ist derzeit völlig ungewiss. Den Kopf darüber will er sich aber nicht zerbrechen. «Im schlimmsten Fall wird er auch noch als Guide tätig sein», sagt er. Die Nachfrage dafür ist im Klosterdorf vorhanden. Engelberg zählt zu jenen Destinationen, die bei Chinesen ganz zuoberst auf der Liste stehen – erste Gehversuche auf Skiern hin oder her.