Das Geschacher um die Resteverwertung bei Deutschlands zweitgrösster Fluglinie hat begonnen.
Die Nachrichten waren – trotz der Hiobsbotschaft – zunächst nicht die schlechtesten. Air Berlin, Deutschlands zweitgrösste Fluglinie, ist pleite, nachdem der arabische Grossaktionär Etihad seinen Geldbeutel geschlossen und keine Mittel mehr gegeben hat. Das erfuhren die Deutschen am Dienstag. Doch gleichzeitig sprang in Berlin die grosse Beruhigungsmaschine an: Der Staat hilft mit einem Überbrückungskredit in Höhe von 150 Millionen Euro, im Moment sind weder Passagiere in Schwierigkeiten noch Arbeitsplätze in Gefahr.
Doch die Erleichterung währte nur kurz. Nur einen Tag später, am Mittwoch, begann die Konkurrenz die Rettung zu durchkreuzen. Die irische Billiglinie Ryanair legte in Deutschland beim Bundeskartellamt und in Brüssel bei der EU-Kommission Beschwerde ein. «Das ist ein völlig abgekartetes Spiel. Es geht nur darum, Ryanair daran zu hindern, in Deutschland weiter zu wachsen, aber das wird uns nicht aufhalten», erklärte Ryanair-Chef Michael O’Leary der Nachrichtenagentur Reuters. Seine Berechnungen: Wenn die Lufthansa als grösste deutsche Airline den bisherigen Zweiten, eben Air Berlin, übernehme, dann könne sie ihren Marktanteil bei Inlandflügen von 68 auf 95 Prozent ausbauen und käme in Deutschland auf einen Anteil von 60 statt wie bisher 47 Prozent. «Das würde jede bekannte Kartellgrenze in Deutschland und der EU verletzen», sagte O’Leary.
Er wirft der deutschen Regierung und Air Berlin vor, den Insolvenzantrag so arrangiert zu haben, dass die Lufthansa eine «schuldenfreie» Fluglinie übernehmen könne. O’Leary rechnet nicht damit, selbst Teile von Air Berlin übernehmen zu können. Die Transaktion werde zu schnell über die Bühne gehen, Ryanair nur unattraktive Slots (Start- und Landerechte) angeboten.
Das deutsche Wirtschaftsministerium unter Führung von Brigitte Zypries (SPD) hat hingegen keine Kartellbedenken. Das sei eine «abwegige These», erklärt Staatssekretär Matthias Machnig (SPD), denn es werde ja nicht der Fall sein, dass Air Berlin nur von einer einzigen Fluggesellschaft übernommen werde. Dies wäre «kartellrechtlich gar nicht zulässig».
Auch die EU-Kommission wird ein Auge auf das weitere Vorgehen werfen. «Wir stehen in dieser Angelegenheit im konstruktiven Kontakt mit Deutschland», sagte ein Sprecher. Der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) geht davon aus, dass Brüssel schnell entscheiden wird.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel schaltete sich am Mittwoch in die Debatte ein und rechtfertigte die Rettung, die mit ihr abgesprochen war. Zehntausende Reisende im Stich zu lassen, «weil Benzin nicht bezahlt werden kann und die Tickets verfallen, das wäre glaube ich nicht angemessen gewesen», sagte sie. Und sie erklärte auch: «Wir können mit grosser Wahrscheinlichkeit sagen, dass der Steuerzahler das nicht bezahlen muss.» Die Wahrscheinlichkeit sei «relativ gering, sonst hätten wir diesen Überbrückungskredit oder Brückenkredit gar nicht geben dürfen». Das sehen in ihrer Partei aber nicht alle so. «Die 150 Millionen Euro werden wir nie wieder sehen», ist der wirtschaftspolitische Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag, Michael Fuchs (CDU), überzeugt. Dennoch sei es richtig gewesen, die deutschen Urlauber nicht von heute auf morgen an den Flughäfen festsitzen zu lassen.
Um die Slots ist inzwischen ein heisser Kampf entbrannt. Allgemein bekannt ist, dass die Lufthansa und der britische Billigflieger Easyjet Interesse haben. Die «Süddeutsche Zeitung» berichtet, Lufthansa wolle so viele der Air-Berlin-Jets wie möglich übernehmen. Es soll von bis zu 80 Maschinen die Rede sein. Damit könnte die Billigsparte Eurowings vergrössert werden. An Unternehmensteilen hingegen soll die Kranich-Airline kein Interesse haben.
Air Berlin betreibt derzeit eine Flotte von rund 140 Flugzeugen. 38 davon, mitsamt dazugehörigen Besatzungen, fliegen bereits seit Februar für die Lufthansa. Diese Flugzeuge sollen auf jeden Fall übernommen werden. Laut SZ hat es die Lufthansa vor allem auf die Standorte Düsseldorf und Berlin abgesehen.