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SBB-Chef Andreas Meyer zeigt sich nach seiner Auszeit vom umstrittenen Sommerfahrplan überzeugt. Wo sich die SBB in Zukunft verbessern wollen und was der Ceneri-Basistunnel einst bewirken wird, darüber spricht er im Interview.
Rund zwei Monate war SBB-Chef Andreas Meyer in einem Sabbatical. Etwas, was alle Kadermitarbeiter bei den Bundesbahnen nach zehn Jahren im Betrieb machen können. Am Donnerstag zeigte sich Meyer nun an einer Medienorientierung das erste Mal wieder in seiner Funktion als CEO. Meyer plädiert im Gespräch mit der «Nordwestschweiz» unter anderem dafür, die Entschädigungspraxis für Verspätungen während des Sommerfahrplans der SBB etwas lockerer zu sehen. Momentan werden nur Reisende in der Romandie entschädigt. Und auch das nur, wenn sie sich über eine App angemeldet haben. Pendler in der Deutschschweiz gehen hingegen leer aus.
Andreas Meyer: Ganz hervorragend. Seit über 25 Jahren war es das erste Mal, dass ich nicht geschäftliche E-Mails und SMS angeschaut habe, was ich sonst täglich tue. So eine Auszeit bekommt einem persönlich gut, und man erhält auch eine realistische Distanz zum eigenen Tun.
Überhaupt nicht, auch wenn ich all die Menschen ein wenig vermisst habe, mit denen ich normalerweise tagtäglich zusammenarbeite. Wir haben eine sehr enge Verbindung. Die SBB liegen mir am Herzen. Aber auch ohne die SBB würde es sonst nicht langweilig.
Ich denke, ab und zu richtig abzuschalten, muss auf allen Ebenen gefördert werden. Dies hilft bei vielen Herausforderungen, Gas zu geben, aber auch locker zu bleiben.
Das ist so und muss für eine gewisse Zeit auch so funktionieren. Mit einem kompetenten Führungsteam war das für mich der Fall und ich fühlte mich komfortabel. Ich habe die laufenden Diskussionen aus der Ferne mitbekommen, etwa über die Konzession des Fernverkehrs oder die Entschädigung bei Verspätungen. Mit den Kadern und dem Verwaltungsrat haben wir zuvor ein Agenda- and Target-Setting gemacht. Es ist ein gelebtes Vertrauensverhältnis. Generell will ich ohnehin mehr Verantwortung delegieren – nach unten und in die Regionen.
Das Thema wurde lange Zeit im Voraus vorbereitet. Wir wurden deshalb nicht überrascht. Die SBB haben ihre Kunden sehr gut informiert. Und die meisten haben auch viel Verständnis gezeigt, dass wir mehr Unterhaltsarbeiten ausführen und dadurch 30 Prozent an Kosten sparen können. Ich habe mir jetzt die Kundenreaktionen angeschaut. Und die Klagen liegen auf einem sehr niedrigen Niveau. Ich danke den Kunden für Ihr Verständnis.
Aus der Distanz betrachtet, muss ich dazu sagen: Das sollten die Schweizer doch etwas lockerer und im grösseren Rahmen sehen. Tatsache ist, dass die SBB bei Zugsausfällen oder gravierenden Verspätungen den Kunden mehr Fahrpreise erstatten wollen. Damit haben wir nun begonnen. Digital ist es leichter, die Kunden und ihre Fahrstrecken verfolgen zu können. Es ist ein Versuch, als solcher war er angekündigt. Und ich bin froh darüber. Wir werden daraus lernen und bei weiteren Schritten berücksichtigen.
Wir wollen primär den Güterverkehr verbessern, jedoch auch den Regionalverkehr im Tessin, denn aus SBB-Gesamtsicht geht es nicht einfach darum, mit dem Ceneri 2020 einfach einen weiteren Tunnel in Betrieb zunehmen. 2020 wird dann mit dem Schweizer InterCity Giruno ein neuer Zug über die Nord–Süd-Achse fahren, um die Verbindung Mailand–Zürich unter drei Stunden zu bewältigen. Diese Fahrzeit ist sehr wichtig, um international konkurrenzfähig zu sein und attraktive Anschlüsse zu ermöglichen. Deshalb werden wir auch unterwegs nicht überall halten könnten, zum Beispiel in Chiasso.
Das stimmt. Tatsächlich besteht eine weitere grosse Herausforderung im Güterverkehr, wo die internationale Zusammenarbeit verbessert werden muss – von den Niederlangen über Deutschland und die Schweiz bis Italien. Die Wartezeiten für Güterzüge müssen verkürzt werden. Daran arbeiten wir mit unseren europäischen Partnern. Die Krise von Rastatt, wo vor einem Jahr die wichtigste Nord–Süd-Bahnlinie unterbrochen war, hat auch etwas Positives ausgelöst. Der Handlungsbedarf wurde europäisch erkannt. Und die SBB gehen aus der Krise mit Rückenwind hervor, denn wir haben viel initiiert und sind international Treiber, um die Branche voranzubringen.