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CNN Money Switzerland baut in der Romandie ein zweites Studio und zielt auf Firmen wie Nestlé, Richemont oder Pictet vor die Kamera locken. Ein Augenschein vor Ort in Gland - und ein Gespräch mit dem Chef über die Trennung zwischen PR und Journalismus.
Live from New York. Live from London. Live from Washington. Wenn es irgendwo brennt, sind die Journalisten des US-Senders CNN stets vor Ort. In den 80er-Jahren hat CNN die amerikanische Fernsehwelt revolutioniert mit seiner Non-Stop-Newsschlaufe und den «Breaking News»-Einblendern. Moderatoren wie Anderson Cooper, Richard Quest oder Christiane Amanpour sind die heutigen Stars des Senders.
In Gland fehlt dieser Glamour. In der verschlafenen Gemeinde im Kanton Waadt, zwischen Genf und Lausanne, sollen künftig aber ebenfalls CNN-Nachrichten entstehen. Im Industriequartier Nähe des Bahnhofs baut der Schweizer Medienunternehmer Christophe Rasch ein zweites Studio für seinen Sender CNN Money Switzerland. Das erste steht in Zürich-Altstetten.
Bei einem Rundgang, bei dem Rasch durch das Gelände führt, funktioniert das Licht in der TV-Halle noch nicht. Trotz Dunkelheit sieht Rasch alles vor Augen:
Hier kommt die Green Box hin, hier stehen die Kameras, hier das Moderatorenpult. Wir werden jederzeit live nach Zürich, Atlanta oder New York schalten können oder eine Facebook-Live-Übertragung starten.
250 Quadratmeter sind es insgesamt. Kostenpunkt: 2 Millionen Franken, wobei ein Teil von der Gemeinde bezahlt wird, damit der Lokalsender die Infrastruktur ebenfalls benutzen darf. Ab Januar sollen in Gland die ersten Sendungen aufgezeichnet werden.
CNN Money Switzerland startete Anfang 2018 als Schweizer Ableger des berühmten US-Senders. Berichtet wird mit Hintergrundberichten und Interviews, aber ohne «Breaking News» wie beim grossen Bruder. Rasch hat eine Lizenz mit einer Laufzeit von zehn Jahren gekauft. Dafür erhält der Romand die renommierte Marke, technischen und journalistischen Support – für Finanzielle ist er aber alleine besorgt. Beim Bau der Studios konnte Rasch auf das Know-how der Amerikaner zurückgreifen.
Von Anfang an gab es Unkenrufe. Würde ein Schweizer Spartensender mit nationalen Wirtschaftsthemen und nur Englisch sprechenden Moderatoren genügend Werbung generieren können? Zu reden gab zudem die Aktionärsstruktur, über die Rasch erst keine Angaben machte, ausser dass ihm 80 Prozent gehörten. Später wurde dann bekannt, dass neben Schweizer Investoren auch solche aus Bangladesch und aus Dubai am Sender beteiligt sind. Als heikel gilt aber vor allem Raschs Doppelrolle. Er ist nicht nur Mitinhaber und Chef des Senders. Er führt parallel auch die Welsche Marketingagentur Media Go. Heisst: Rasch verhilft Firmen zu Medienpräsenz.
Laut Rasch sollen dank des neuen Standorts in Gland vermehrt Manager aus Westschweizer Firmen vor die Kamera treten; von Nestlé, Richemont, von den Uhrenfirmen und Genfer Privatbanken, oder kluge Köpfe der ETH Lausanne sowie den vielen Start-ups in der boomenden Genfersee-Region. Auch andere Medienunternehmen sollen die Infrastruktur mieten können, so wie jetzt schon in Zürich.
In den Büroräumlichkeiten herrscht an diesem Tag Ruhe, nur wenige Redaktoren arbeiten bereits hier. Künftig sollen es etwa 20 sein. Insgesamt zählt der Sender heute 40 Angestellte. Rasch nimmt in einem Sitzungszimmer Platz. Der 52-Jährige, der einst als 16-Jähriger seine Karriere bei einem Lokalradio startete, und später auch als Zeitungs- und TV-Journalist tätig war, macht aus seinem Geschäftsmodell mit kommerziellem und journalistischem Inhalt keinen Hehl. Gesponserte Inhalte («Branded Content») seien aber stets als solche gekennzeichnet. Zuständig dafür ist eine eigene Abteilung samt Moderatorin – das verlangen die CNN-Standards.
Das Resultat sind in diesen Fällen Wohlfühl-Interviews mit Managern von Firmen wie EY, Deloitte, Swissquote, KPMG, Vontobel, Emirates und Privatschulen aus der reichen Gegend. Auch für interne Zwecke können Firmen beim Sender Interviews in Auftrag geben. Mit diesen Produktionen erwirtschaftet Rasch am meisten Umsatz, nicht mit klassischen Werbespots. Noch sind die Zahlen rot, er sagt jedoch:
In drei Jahren wollen wir profitabel sein und wir sind auf gutem Weg.
Bei dieser Konstellation stellt sich die Frage, inwiefern die PR auf den redaktionellen Inhalt abfärbt, insbesondere bei Beiträgen über diese Firmen. Was ist zum Beispiel mit dem Me-too-Fall bei der Beratungsfirma EY, der 2018 publik wurde? Wurde er totgeschwiegen, weil die Firma mit dem Sender kooperiert? «Nein, im Gegenteil», sagt Rasch. «Wir haben am WEF in Davos ein ausführliches Interview mit dem globalen Chef der Firma dazu geführt.» Dennoch gäbe es ab und zu interne Konflikte zwischen ihm und der Redaktion. Dann ruft Rasch Atlanta an, den Hauptsitz von CNN. In der Abteilung «The Row» kümmert sich ein grosses Team um Qualitäts- und Ethikstandards des Senders. Für den Schweizer Ableger dient «The Row» in solchen Streitfällen als Schlichtungsstelle.
Erfolgreich sind laut Rasch insbesondere Hintergrund-Sendungen wie «On the Block» über die Blockchain-Wirtschaft oder «The Executive Talk» mit CEO-Interviews. Hört man sich bei renommierten Wirtschaftsjournalisten in der Deutsch- und Westschweiz um, fällt die Bilanz allerdings nüchtern aus: «Ich lese nur den Newsletter», sagt einer. «Die Ankündigungen tönen gut, die Berichte sind dann aber oft zu lang und unkritisch, es fehlt die Relevanz», sagt ein anderer. Immerhin: «Angesichts des tiefen Budgets, das sie angeblich haben, machen sie es nicht schlecht», sagt ein Fernsehjournalist.
Die Qualität der Sendungen schwankt. Im Studio aufgenommene Sendungen sind technisch einwandfrei, so wie man es vom Original-CNN kennt. Besonders kritisch sind sie aber nicht. Und wenn der Rivella-Chef, der seine Getränke in erster Linie in der Schweiz verkauft, ein Interview auf Englisch gibt, wirkt das komisch. Dennoch schafft es der Sender regelmässig, spannende Gesprächspartner vor die Kamera zu holen, wie Novartis-Chef Vas Narasimhan, Deutschlands ehemaligen Aussenminister Joschka Fischer oder Historiker Tobias Straumann. Sobald diese Interviews aber nicht im Studio stattfinden, hapert es oft bei der Qualität. Das ist dann eher «Tele Diessenhofen» als «The Situation Room with Wolf Blitzer.»
Rasch gibt sich von allen Kritikpunkten unbeeindruckt. Er sieht das Glass halbvoll. Die tiefen Zuschauerzahlen, die monatlich im Schnitt 115‘000 betragen, bedeuten gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung von 3500 auf gerade mal 3700 Zuschauer pro Tag. Rasch schenkt diesen Zahlen aber wenig Bedeutung:
Diese Methode mit TV-Zählboxen in ein paar Haushalten ist veraltet.
Wichtiger seien ihm die Onlinezugriffe auf die Sendungen, und die seien sehr gut. Zahlen nennt er keine. «Unser Zielpublikum ist nicht nur in der Schweiz, sondern in Hongkong, Singapur, New York - überall. Denn viele Schweizer Grosskonzerne wie Nestlé, Roche oder ABB, über die wir berichten, haben Tochterfirmen auf der ganzen Welt.» Jeder zweite Zuschauer schaue die Sendungen aus dem Ausland.
Das neuste Projekt von CNN Money Switzerland ist die Sendung «Global Agenda» in Kooperation mit dem World Economic Forum mit Sitz in Genf. In der Medienmitteilung heisst es: «Die Sendung ist unverkennbar vom WEF inspiriert und wird auch in enger Zusammenarbeit mit diesem produziert.» Als Gastgeber war Aushängeschild und Ex-«Tagesschau»-Moderator Urs Gredig angekündigt, der seit Beginn beim Sender an Bord ist. Doch nur einen Monat nach der Show-Ankündigung, wurde kürzlich bekannt, dass Gredig zum SRF zurückkehrt.
Hinweis: In einer früheren Version hiess es, die Sendung «Global Agenda» sei vom WEF gesponsert. Das trifft nicht zu. «CNN Money Switzerland» legt Wert auf die Tatsache, dass die Sendung durch das WEF nicht gesponsert ist und das WEF auch inhaltlich auf keine Art und Weise Einfluss nimmt. Die Themen der Sendung folgen denjenigen, die das WEF schwerpunktmässig in den Vordergrund stellt.