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«Sehr enttäuscht»: Detailhändler kritisieren die verkürzten Öffnungszeiten – erste Daten geben ihnen recht

Seit zwei Wochen müssen Läden zur Corona-Bekämpfung um 19 Uhr schliessen. Das führe dazu, dass mehr Leute gleichzeitig einkaufen wollten, kritisiert die Branche. Damit dürfte sie recht haben.

Stefan Ehrbar
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Shopping bleibt ein Publikumsmagnet: Menschen stehen vor dem Warenhaus Jelmoli in Zürich Schlange (Samstag, 19. Dezember 2020).

Shopping bleibt ein Publikumsmagnet: Menschen stehen vor dem Warenhaus Jelmoli in Zürich Schlange (Samstag, 19. Dezember 2020).

Keystone

Die Schlange vor der Kasse reicht quer durch den Laden an diesem Montag in einem Zürcher Warenhaus. «Man kommt schneller dran mit Bezahlen, als es aussieht», muntert eine Mitarbeiterin die Kunden auf. Kein Zweifel: Das Geschäft brummt. Doch seit dem 12. Dezember brummt es etwas weniger lang. Um 19 Uhr ist seit dann für alle Geschäfte Ladenschluss. Das hat der Bundesrat verordnet. Detailhändler kritisierten den Entscheid: Eine gleichmässige Verteilung der Kunden werde «massiv erschwert», monierte der Verband Swiss Retail Federation. Das führe zu Warteschlangen und belaste die Schutzkonzepte. Gesundheitspolitisch sei der Entscheid «absolut unverständlich».

Damit hat die Branche einen Punkt. Das legen zumindest Daten des Autoverkehrs bei der Gessnerallee in der Zürcher Innenstadt nahe. Die von der Stadt Zürich betriebene Messstelle liegt in der Nähe von grossen Parkhäusern und der Bahnhofstrasse. Dort sind die Läden üblicherweise bis 20 Uhr geöffnet, in der Vorweihnachtszeit teils auch länger. Ein Blick auf die Wochentage Montag bis Donnerstag der Kalenderwoche 51, in welcher der verkürzte Ladenschluss erstmals galt, zeigt: Insgesamt waren weniger Autos in der Innenstadt unterwegs. In der Zeit zwischen 9 und 19 Uhr aber wurden sogar mehr Autos gezählt als im Jahr zuvor.

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Das war schon in der Woche zuvor der Fall, aber deutlich weniger ausgeprägt. Am höchsten war der Anstieg in der Stunde zwischen 12 und 13 Uhr: Über 10 Prozent mehr Autos wurden dann im Vergleich zur selben Woche des Vorjahrs gezählt. Möglicherweise trug auch die Schliessung der Gastrobetriebe ab 19 Uhr zu diesem Bild bei. Über den Mittag waren diese in der betreffenden Woche noch geöffnet. Erst seit dem vergangenen Samstag sind sie geschlossen.

Die Detailhändler fühlen sich in ihrer Kritik bestätigt. Christa Markwalder, Präsidentin der Swiss Retail Federation, sagt, die verkürzten Öffnungszeiten seien nicht zielführend. Sie dienten nicht der Glättung von Kundenströmen. «Diese konzentrieren sich und es kann zu Wartezeiten und Menschenansammlungen vor den Läden kommen», sagt Markwalder. Die Branche wehre sich jedoch nicht gegen Massnahmen. Sie habe von sich aus zusätzliche Kapazitätsbeschränkungen ins Spiel gebracht – als Alternative zu einem erneuten Lockdown.

«Kapazität wird um Hälfte reduziert»

Diese Massnahmen gelten seit Dienstag und sehen in Lebensmittelläden eine Fläche von mindestens zehn Quadratmetern pro Kunde vor, für grössere Warenhäuser mit einer Fläche ab 1500 Quadratmetern sind es 20 Quadratmeter. «Das entspricht in diesen Geschäften einer Reduktion der Kapazität um die Hälfte», sagt Markwalder. Die Warenhauskette Manor bestätigt dies: Die Zahl der Zutritte reduziere sich nochmals um die Hälfte, sagt ein Sprecher.

Markwalder sagt, der Detailhandel sei dank den Schutzkonzepten kein Ansteckungsort. Das zeigten die krankheitsbedingten Ausfälle, die beim Personal der Lebensmittelläden während des Lockdowns im Vergleich zum Vorjahr nicht zugenommen oder sogar abgenommen hätten. Hinzu komme die Tatsache, dass sich die Menschen in den Läden bewegten. Der Bund kennt keine Daten zu Ansteckungen in Läden, wie Bundesrat Alain Berset in der Fragestunde des Nationalrats sagte. Es gehe bei den Massnahmen vielmehr darum, die Mobilität und die Kontakte der Menschen zu verringern.

Scharfe Kritik an den Massnahmen übt die Kioskbetreiberin Valora. «Wir sind sehr enttäuscht, dass unsere avec-Läden und Kioske von den verschärften Massnahmen betroffen sind», sagt ein Sprecher. Während des ersten Lockdowns sei das nämlich nicht der Fall gewesen. «Wir konnten damals einen Beitrag zur Grundversorgung leisten.»

Eine Lidl-Sprecherin sagt: «Aus unserer Sicht wäre es sinnvoller, die Öffnungszeiten auszudehnen, damit sich die Kunden besser verteilen können.» Man empfehle den Kunden nun, über den Tag verteilt einzukaufen, etwa zwischen 14 und 17 Uhr. Eine Sprecherin von Aldi sagt, der Detailhändler würde «eine Rückkehr zu den regulären Öffnungszeiten begrüssen». Aldi zähle auf sein digitales Zählsystem in stark frequentierten Filialen, bei Bedarf sei auch der Einsatz von Sicherheitspersonal denkbar. Für den 28. Dezember – den ersten verkaufsoffenen Tag nach der dreitägigen Schliessung aller Läden über die Festtage – habe man die Filialen «sensibilisiert, aufgrund des zu erwartenden Andrangs genügend Personal einzuplanen.»

Staatstragender geben sich die grossen Detailhändler. Eine Coop-Sprecherin antwortet auf eine Frage zu den Öffnungszeiten nur, man halte sich konsequent an die behördlichen Vorgaben. Eine Migros-Sprecherin sagt, der Händler setzte die Regelungen des Bundes um. Den Kunden empfehle man, Einkäufe für Silvester im Voraus zu planen und möglichst frühzeitig zu erledigen. Für die Altjahreswoche sei der Warenfluss von den Verteilzentren in die Filialen erhöht worden. Die Kunden nähmen die Empfehlungen an, das zeige sich an «deutlich grösseren Warenkörben». Die Bewältigung des Weihnachtsgeschäftes habe nun Priorität, so die Sprecherin: «Zum Lamentieren bleibt keine Zeit.»