Die Schweizer Wirtschaft entwickelt sich gut. Zufrieden ist die Nationalbank aber nicht. Es gebe international zu viele Unsicherheiten. Auch die Risiken auf dem heimischen Immobilienmarkt steigen.
Festhalten am Euro-Mindestkurs von 1.20 Franken und am Null-Leitzins: Das ist die wenig überraschende Message der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zum Jahresende. Vor den Medien in Bern bekräftigte Präsident Thomas Jordan zugleich, den Mindestkurs notfalls mit Devisenkäufen in unbeschränkter Höhe durchzusetzen und bei Bedarf weitere Massnahmen zu ergreifen. «Wir schliessen insbesondere auch (...) Negativzinsen nicht aus, sofern das notwendig ist, um die adäquaten monetären Bedingungen in der Schweiz sicherzustellen», sagte der SNB-Präsident.
Das Szenario von Negativzinsen war in den vergangenen Monaten von der Europäischen Zentralbank (EZB) ins Spiel gebracht worden, als Befürchtungen über ein Abgleiten der Eurozone in die Deflation aufkamen. Die klaren Worte Jordans, dass auch die Schweiz notfalls nicht vor diesem Griff in den geldpolitischen Giftschrank zurückschrecken würde, sind vor allem ein Signal an die Märkte, nicht auf einen neuen Aufwertungsschub des Frankens zu setzen.
Im zu Ende gehenden Jahr ist es den Schweizer Währungshütern gut gelungen, die Player auf den Devisenmärkten davon zu überzeugen, dass es sinnlos ist, gegen die SNB zu wetten und den Mindestkurs anzugreifen. Seit September 2012 musste die Nationalbank gemäss Jordan keine Euro mehr aufkaufen, um die Marke von 1.20 Franken durchzusetzen.
Dass der Devisenberg – Ende September waren es 443 Milliarden Franken – dennoch eher steigende Tendenz aufweist, hängt gemäss SNB-Direktoriumsmitglied Fritz Zurbrügg damit zusammen, dass die Erträge auf den Fremdwährungsanlagen normalerweise wieder in Anlagen investiert werden. Das Hauptrisiko auf den Devisenreserven sind die Wechselkurse. Am 31. Dezember macht die Nationalbank Kassensturz. Dann muss sich zeigen, ob zu den dannzumaligen Kursen noch genügend Geld in der Kasse ist, um eine Milliarde Franken an Bund und Kantone zu verteilen. Kritisch könnte es werden, weil aller Voraussicht nach auch auf den Goldreserven ein hoher Buchverlust resultieren wird. Es ist aber nicht die Frage der Gewinnausschüttung, die der SNB-Spitze am meisten Sorge bereitet. Vizepräsident Jean-Pierre Danthine bezeichnete vielmehr die Risiken auf dem Immobilienmarkt als grösste Herausforderung. Eine Trendwende sei nicht erkennbar, sagte das für die Finanzstabilität zuständige Direktoriumsmitglied und untermauerte dies mit folgenden Zahlen: Das Volumen der Hypothekarkredite stieg in den ersten drei Quartalen dieses Jahres um rund 27 Milliarden Franken oder aufs Jahr hochgerechnet um 4,4 Prozent (siehe Grafik). Die gesamte Wirtschaftsleistung nahm demgegenüber bloss um 8,4 Milliarden Franken oder 1,9 Prozent zu. «Das bedeutet, dass (...) die bereits hohe Verschuldung weiterhin rascher zunimmt als die Fähigkeit, diese Schuld mit dem Einkommen auch zu tragen», sagte Danthine. Die Immobilienpreise nahmen seit Anfang Jahr je nach Segment um 2,6 bis 3,5 Prozent zu. Keine Trendwende macht die Nationalbank überdies bei der Risikobereitschaft der Inlandbanken aus.
Etwas milder fällt das SNB-Urteil bezüglich der Widerstandskraft der Banken aus, wenn man diese an den regulatorischen Vorschriften misst. Danthine warnte die Banken aber vor der Gefahr, sich aufgrund dieser Kennzahlen zu überschätzen. Auch bei einem Szenario stark fallender Immobilienpreise und gleichzeitig steigender Zinsen müssten die Banken in der Lage sein, ihre volkswirtschaftlich wichtigen Funktionen wahrzunehmen. Für Danthine ist auch klar, dass die Massnahmen zur Reduktion der Risiken auf dem Immobilienmarkt bis jetzt nicht ausreichend waren, um eine Verstärkung der Ungleichgewichte zu verhindern. Zur naheliegenden Frage, ob die Nationalbank deshalb dem Bundesrat eine Erhöhung des antizyklischen Kapitalpuffers beantragt habe, hielt sich die SNB-Spitze bedeckt.
Die Situation werde sehr aufmerksam verfolgt und eine Erhöhung des Puffers regelmässig geprüft, sagte Danthine weiter. Jordan fügte hinzu, die Kommunikation über den Puffer erfolge ausschliesslich über den Bundesrat. Auf Antrag der Nationalbank hatte der Bundesrat im Februar beschlossen, die Banken zu verpflichten, die risikogewichteten Wohnbauhypotheken vom 30. September an mit einem zusätzlichen Eigenmittelprozent zu unterlegen. Gemäss der einschlägigen Verordnung kann der Puffer bis auf 2,5 Prozent erhöht werden.