SVP-Wirtschaftspolitiker Thomas Matter will, dass Gewinne der Schweizer Notenbank in die AHV fliessen. Gemäss Matter soll sich dieser Beitrag auf 37 Milliarden Franken belaufen. Der Vorschlag stösst allerdings auf breiten Widerstand.
Die Nationalbank-Milliarden wecken in der Politik immer wieder Begehrlichkeiten. Doch in der demokratischen Ausmarchung erweisen sich Vorschläge zur Verteilung der Notenbank-Gelder erfahrungsgemäss als äusserst tückisch und unbeliebt. Trotzdem unternahm der Zürcher SVP-Nationalrat Thomas Matter gestern einen weiteren Versuch.
Der Wirtschaftskommission der grossen Kammer (WAK) unterbreitete der Banker die Idee, die Nationalbank zu verpflichten, die Hälfte der potenziellen Gewinne, die aus einem in unbestimmter Zukunft vielleicht möglich werdenden Rückbau der Bilanz resultieren, in die AHV zu lenken. Nach Matters eigenen Berechnungen könnte sich der Betrag dereinst auf bis zu 37 Milliarden Franken belaufen. Die finanziellen Engpässe der AHV wären damit vorerst gelöst.
Die scheinbar elegante Lösung hat aber Haken. Für den UBS-Chefökonomen Daniel Kalt ist Matters Idee «schlecht», weil sie den Verwendungszweck möglicher SNB-Gewinne festlegen will, bevor sich die Politik und die Nationalbank überhaupt grundsätzlich Gedanken darüber gemacht haben. Kalt hatte im vergangenen Jahr die Schaffung eines Staatsfonds angeregt. Dieser solle allein durch die potenziellen Gewinne aus den Verkäufen von Wertpapieren in ausländischen Währungen alimentiert werden, welche die SNB seit 2008 im Kampf gegen eine übermässige Aufwertung des Frankens erworben hatte. Nach Kalts Vorschlag müsste der Fonds die ihm zugewiesenen SNB-Mittel so anlegen, dass diese wieder genügend laufende Erträge generieren, die dann nach einer demokratischen Entscheidung über den Verwendungszweck ausgeschüttet werden. Nur so blieben die potenziellen SNB-Gewinne für künftige Generationen erhalten, erklärt Kalt. Wenig begeistert zeigt sich auch der altgediente Basler SP-Politiker und aktuelle Ethos-Präsident Rudolf Rechsteiner. Er gilt als Vater der Kosa-Initiative, welche die SNB-Gewinne nach Berücksichtigung einer Ausschüttung an die Kantone jährlich wiederkehrend in die AHV einspeisen wollte. Die Initiative wurde 2006 in einer Volksabstimmung deutlich abgelehnt. Zum aktuellen Vorschlag sagt Rechsteiner: «Eine vorübergehende Ausschüttung an die AHV, die dann plötzlich wieder verschwindet, halte ich nicht für zielführend, im Gegenteil. Das Risiko besteht, dass sich die latente Unterfinanzierung der AHV vergrössert und der Handlungsbedarf später umso grösser wird.»
Das ist der Grund, weshalb auch die SP wenigstens zum aktuellen Zeitpunkt wenig von Matters Vorschlag halten. Zurzeit ist das Parlament mit einer Neufassung der dringlichen Steuervorlage 2017 befasst. Die erste Version der Unternehmenssteuerreform wurde Anfang 2017 vom Volk abgelehnt, weil sie allzu einseitig die Interessen der Unternehmen begünstigt hatte. Nach den Niederlagen wurden im Parlament Möglichkeiten zur Erhöhung der Familienzulagen diskutiert, um einen sozialen Ausgleich zu schaffen. Die Vorschläge stiessen aber auf vielseitige Kritik, weshalb jetzt die offenbar mehrheitsfähige Idee im Vordergrund steht, dass für jeden gesparten Steuerfranken der Unternehmen auch ein Franken in die AHV fliessen soll. Dafür sollen unter anderem die AHV-Beiträge erhöht werden. Der Basler SP-Nationalrat und WAK-Mitglied Beat Jans sagt, Matters Vorschlag bringe nichts im Rahmen der Diskussion um die neue Steuervorlage, denn diese sei dringend, und Matters Idee, die eine Verfassungsänderung nötig mache, würde das Projekt nur verzögern und den gefundenen Kompromiss torpedieren. Genau das sei auch Matters Ziel, spekulierte SP-Nationalrat Corrado Pardini in der «Sonntagszeitung». Beat Jans sagt aber, er stehe Matters Antrag grundsätzlich positiv gegenüber, weshalb er in der WAK angeregt habe, die Idee im Rahmen der geplanten AHV-Reform zu diskutieren.
Aber wie realistisch ist es, dass die SNB überhaupt einmal Gewinne aus dem Bilanzrückbau ausschüttet? «Die politischen Turbulenzen im Frühjahr in Italien und die aktuelle Krise der Türkei zeigen, wie schnell der Franken wieder zum sicheren Hafen werden kann», gibt Kalt zu bedenken. «Es ist nicht auszuschliessen, dass wir gar nie etwas verteilen können.» Dennoch wäre es nach Auffassung des Ökonomen sinnvoll, politisch zumindest eine Einigung über den Verteilmechanismus zu finden. «Welche Löcher wir damit stopfen, können wir dann immer noch schauen, wenn es einmal so weit ist.»