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Daniel Birnbaum hat die israelische Wassersprudler-Firma Sodastream gross gemacht – und für 3,2 Milliarden Dollar an Pepsi verkauft. Im exklusiven Interview spricht er über Plastikmüll, den Streit mit Coop und den Nahost-Konflikt.
Als Daniel Birnbaum sieben Jahre alt war, zog seine zionistische Familie von New York nach Israel in die Negev-Wüste. Dort, 22 Kilometer vom Kriegsgebiet Gaza entfernt, steht heute die Fabrik der Wassersprudler-Firma Sodastream. Ihre Maschinen versetzen Hahnenwasser per Knopfdruck Gas. Für Geschmack sorgen zahlreiche Sirup-Mixe. Der 56-Jährige, der mit US-Akzent Englisch spricht, führt die Firma seit 2007 und verkaufte sie letztes Jahr an den US-Getränkeriesen Pepsi. Sodastream setzt über 700 Millionen Dollar um und wächst jährlich um 30 Prozent. Der ehemalige U-Boot-Kommandant und Nike-Manager Birnbaum lud kürzlich Journalisten aus 23 Ländern nach Israel ein. Diese Zeitung war als einziges Schweizer Medium vor Ort.
Daniel Birnbaum: Natürlich, ich bin immer wieder Mal mit meiner Familie in der Schweiz, vor allem im Winter. In St. Moritz oder in Preda, um von dort nach Bergün zu schlitteln – herrlich! Wenn ich aber in der Schweiz weile, trinke ich fast nur Hahnenwasser. Ich finde es verrückt, in der Schweiz Wasser aus der Flasche zu trinken. Das ist doch ein Verbrechen, euer Hahnenwasser ist so gut! Meine Vision ist, dass künftig in jedem Hotel eine Sprudelmaschine von uns steht. Nicht nur in der Schweiz. Überall.
Auch Hahnenwasser hat Mineralien. Und vor allem macht es für mich keinen Sinn, schweres Wasser in Plastikflaschen herumzuschleppen, aus Umwelt- und aus Gesundheitsgründen. Wir wissen heute schlicht nicht, welche Langzeitschäden Mikroplastik-Teilchen verursachen können. Sie kommen mit Lebensmitteln in Kontakt, und landen so in unserem Körper. Hahnenwasser hingegen ist gesund, und es ist gratis.
Das war nicht sehr klug. Wasser sollte nicht monetarisiert werden. Aber leider haben es Firmen wie Nestlé geschafft, Wasser zu einem Imageprodukt zu machen. In den USA trinkt eine Familie im Schnitt pro Jahr 2000 Plastikflaschen. 2000! Immerhin macht die EU nun vorwärts, indem sie Plastikprodukte wie Geschirr oder Wattestäbchen verbietet. Leider sind aber die Einweg-Plastikflaschen davon ausgenommen. Auch sie gehören verboten.
Da habe ich meine Zweifel. Wir haben das mal getestet, in dem wir Leuten San Pellegrino und Hahnenwasser auftischten, letzteres angereichert mit Gas aus unseren Maschinen. Das Resultat war entlarvend. Der Geschmackssinn wird überschätzt. Übrigens hat der britische Starkocher Jamie Oliver in seiner Sendung mal Weisswein mit unserem Gas versetzt – was man nicht tun sollte – und es den Leuten als Champagner ausgeschenkt. Auch da, das gleiche Resultat.
Die Schweiz ist einer der kompliziertesten Märkte für uns.
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...ja, das war keine schöne Aktion. Sie haben uns öffentlich als Monopolisten bezeichnet, dabei gibt es viele Alternativprodukte. Da war ich nicht glücklich.
Das ist nicht unsere Schuld. Die Schweiz ist einer der kompliziertesten Märkte für uns. Es ist das einzige Land, das darauf besteht, eigene Aufseher in unsere Fabriken zu schicken, um uns zu kontrollieren. Und im Gegensatz zu allen anderen EU-Ländern müssen wir die Schweizer CO2-Zylinder vor dem Wiederauffüllen komplett reinigen. Wir machen das, denn wir halten uns an nationale Gesetze, aber das kostet nun mal etwas. Wir sind mit Coop in Gesprächen und hoffen auf eine Lösung.
Wir haben ein Mini-Maschine entwickelt, speziell für den japanischen Markt, weil sie dort alles was klein ist, niedlich finden. Wir lancieren eine Plastikflasche, die man in den Geschirrspühler legen kann. Und natürlich arbeiten wir an neuen Geschmäckern, an Colas, Tonics, Energydrinks...
Ja, auch Bier. Vor zweieinhalb haben wir einen Bier-Mix einmal als Aktion verkauft. Wir werden das auf jeden Fall wieder auf den Markt bringen.
Das Recycling ist in vielen Ländern einfach nur ein Sammeln. Ein Grossteil der Flaschen wird in Drittweltländer verfrachtet.
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Im Gegenteil. Denn das war mit ein Grund, weshalb Pepsi uns gekauft hat. Sie möchten sich verbessern und ihren ökologischen Fussabdruck minimieren. Da können wir helfen. Sie nehmen in Kauf, dass sie weniger Pepsi-Flaschen verkaufen, dafür mehr Sodastream-Maschinen.
Das ist ein Mythos. Das Recycling ist in vielen Ländern einfach nur ein Sammeln. Ein Grossteil der Flaschen wird in Drittweltländer verfrachtet. Dort werden sie entweder verbrannt oder in andere Plastikprodukte umgewandelt, zum Beispiel als Schalen für Früchte und Gemüse im Supermarkt. Oder für synthetische Kleider. Fakt ist: Jede Flasche, die Sie kaufen, ist neu. Reden Sie sich bloss nicht ein, dass Sie neue Flaschen verhindern, wenn Sie eine PET-Flasche in die Recycling-Box werfen.
Vielerorts ist es aber so. Entweder wird der Plastik verbrannt und gerät in Form von Nanoplastik in die Atmosphäre, oder er endet in den Ozeanen. Ich war in Honduras und habe gesehen, wie dort der Plastikmüll entsorgt wird: In einem riesigen Käfig gleich neben dem Meer. Jedes Mal, wenn ein Sturm durchs Land fegt, landet der Müll im Wasser.
Früher war ich ein sehr rechter Israeli und war der Ansicht, die Westbank gehöre uns.
Natürlich, es ist die einzig mögliche Lösung für einen Frieden. Die Frage ist: Wie kommt sie zustande? Da musste ich meine Meinung ändern. Früher war ich ein sehr rechter Israeli und war der Ansicht, die Westbank gehöre uns. Aber das Palästinensische Volk ist heute nun mal dort, und das wird sich nicht ändern. Ich bin aber gegen das geforderte Rückkehrrecht, so dass mehrere Generationen von Palästinensern nach Israel kommen können. Dann wären sie hier in der Mehrheit und den jüdischen Staat gäbe es nicht mehr.
Ja, was nicht heisst, dass ich ein Trump-Supporter bin. Aber er hat eine sehr direkte Art. Was in der Vergangenheit war, ist ihm egal. Er setzt sich mit jedem an den Tisch.
Jerusalem ist die Hauptstadt Israels. Und sie wird irgendwann auch die Hauptstadt Palästinas sein. Es wird eine Lösung geben. Aber klar, ich fand den Zeitpunkt für diesen Schritt der USA alles andere als optimal. So haben sie sich klar als Pro-Israel geoutet, und das hilft in Verhandlungen nicht. Dennoch habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben. Was wäre denn die Alternative, dass wir uns weitere 70 Jahre bekriegen? Als Jude bete ich jeden Tag 15 Mal für Frieden.
Ich habe Benjamin Netanyahu nie in unsere Fabrik eingeladen. Ich will nicht, dass Sodastream politisch angehaucht ist. Kürzlich habe ich aber den Palästinenserführer Mohammed Abbas für unsere Feier zum Ende der Fastenzeit eingeladen, nicht um über Politik zu sprechen, sondern um mit ihm Brot zu brechen. Wobei ich mir sicher war: Wenn Abbas kommt, kommt auch Netanyahu.
Abbas kam nicht. Wahrscheinlich aus Angst, weil ihm das von der Terrororganisation Hamas als Schwäche ausgelegt worden wäre. Schade.
Das war eine mühsame Sache. Der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu wollte den Palästinensern zeigen, was Sie mit ihrer Politik für ihre eigene Bevölkerung verursachen. Auch weil er glaubte, dass die terroristische Bewegung BDS, die gegen israelische Export-Produkte in der Westbank kämpft, uns dazu brachte, die Fabrik zu schliessen...
...natürlich gab es Kritik. Fakt ist aber, dass wir ganz einfach eine grössere Fabrik benötigten. Wir prüften, die bestehende Fabrik in der Westbank zu vergrössern, aber die palästinensische Politik war dagegen. Wir wollten mehr Jobs schaffen, stattdessen verloren am Schluss 500 Palästinenser ihre Stelle in einer Firma, die allen Angestellten gleich viel bezahlt, sie mit Respekt behandelt und das friedliche Zusammensein fördert.
Nein, dann würde die Fabrik sofort in Flammen stehen. Wir werden die Fabrik auch nicht selber betreiben, sondern mit einem Sub-Unternehmen. Die Materialien fahren wir bis zur Grenze, wo sie umgeladen werden nach Gaza. Wenn ich selber ginge, käme ich in tausend Stücken zurück.
Das sind vor allem Geschäfte für die Wirtschaft vor Ort, Kleidershops, Supermärkte, und so weiter. Praktisch nichts ist für den Export bestimmt. Gemäss internationalen Gesetzen hat eine besetzende Nation die Pflicht, Jobs und Infrastrukturen für die Bevölkerung bereitzustellen. Wir müssen das tun! Wie können Sie Israel dafür kritisieren, Arbeitsstellen zu schaffen? Das ist eine unehrliche Debatte. Es gibt viele anti-israelische Gruppen, die Bullshit-Lügen erzählen. Fakt ist: Wo die Wirtschaft floriert, kann es Frieden geben.
Dieses Problem müssen die Politiker lösen. Ich sage einfach: Gebt den Palästinensern Jobs. Wieso sollten wir sie aushungern lassen? Aber leider gibt es unter den Palästinensern einen gewissen Selbst-Hass. Sie attackieren Israel dafür, dass wir Fabriken und Geschäfte in der Westbank haben. Aber ohne diese würde ihr Volk verhungern. Das würden sie in Kauf nehmen. Nachdem Israel sich von Gaza zurückgezogen hat, ist die Arbeitslosigkeit auf 70 Prozent gestiegen. Diese Leute mit ihren Boykott-Aufrufen haben ein destruktives Gen in sich. 300 israelische Geschäfte in der West-Bank? Gut! Es sollten tausende sein!
Israelis sehnen sich nach Frieden. Ich würde es gerne sehen, wenn die Palästinenser aufhören würden, Strassen und Plätze nach Selbstmordattentätern zu benennen. Die palästinensische Führung muss uns zeigen, dass wir ihnen vertrauen können. Darauf warten wir.
Nein, Politik ist nicht mein Ding, schon gar nicht in Israel. Aber ich lade die Politiker beider Seiten ein, hier bei Sodastream, wo wir friedlich zusammenarbeiten, Friedensgespräche zu halten.
Dieses Interview entstand auf Einladung von Sodastream.