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Obwohl immer mehr Menschen reisen, nimmt die Nachfrage nach Postkarten ab. Die Gründerin des Weltpostkartentags versucht dem entgegenzuhalten. Auch Produzenten und Verkäufer hoffen auf ein Revival.
Wissen Sie, wer das Postkartenschreiben erfunden hat? Dieselben, die auch auf die Idee gekommen sind, zwei Brotscheiben aufeinanderzulegen und mit leckeren Sachen zu befüllen: die Engländer. Als sie gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit der Verbreitung des Eisenbahnnetzes zu reisen begannen, schickten sie ihre Grüsse in die Heimat – und prahlten auf diese Weise gleichzeitig mit ihren teuren Ferien. Vom Statussymbol entwickelte sich die Postkarte dann rasch zum Massenphänomen, von überall her auf der Welt wurden seither Milliarden von physischen Urlaubsgrüssen verschickt.
Und heute? Sind Postkarten im Zeitalter von Whats App und Instagram überhaupt noch gefragt? Hört man sich in der Branche um, fällt die Antwort relativ ernüchternd aus. Beispielsweise ist laut Valora, der Betreiberin der grössten Kioskkette K Kiosk sowie Press&Books, nicht nur der Postkartenverkauf rückläufig. Auch die Zahl der Verkaufsstellen, an denen Postkarten angeboten werden, ist seit 2015 leicht auf 750 gesunken. Einen Umsatzrückgang im Postkartengeschäft bestätigt auch Photoglob, der einzige schweizweite Postkartenhersteller. «Der Rückgang ist seit 20 Jahren feststellbar und liegt im einstelligen Prozentbereich pro Jahr», sagt Geschäftsführer Werner Steiger. «Allerdings ist der Umsatz nicht abrupt zusammengebrochen, wie von vielen fälschlicherweise angenommen wird.» Bei Trendpostkarten (zum Beispiel Karten mit Sprüchen) sei der Umsatz noch ziemlich stabil.
Die meisten Menschen dürften den langsamen Niedergang der Postkarte mit einem Schulterzucken hinnehmen. Nicht so Sandra Vogel aus Nürnberg: Die Inhaberin des Piepmatz Verlags rief 2012 den Weltpostkartentag ins Leben, der heute Dienstag zum siebten Mal stattfindet. «Eine Message per Handy ist schnell getippt und verschickt. Man nimmt sich keine Zeit mehr, alles ist so schnelllebig», schreibt sie auf Anfrage. «Deswegen wollte ich der Postkarte einen Ehrentag geben, auf dass man sie nicht vergisst», so Vogel.
Zu Beginn ist dies offenbar gelungen. Tausende Menschen auf der ganzen Welt hätten über Facebook kleine Postkartentauschgruppen gebildet. Danach flaute das Interesse jedoch von Jahr zu Jahr ab. Vogel glaubt, dass die Nachfrage nach Postkarten auch in Zukunft sinken wird.
Damit ist sie nicht alleine: Auch in der Branche geht man von dieser Entwicklung aus. So rechnet Photoglob weiterhin mit rückläufigen Umsätzen. Ein Grund dafür ist laut Geschäftsführer Werner Steiger, dass das Postkartenschreiben in der grossen Tourismusnation China keine Tradition geniesst, im Gegensatz zum Kaufen von Souvenirs.
Wird die Postkarte bald also definitiv verschwinden? Ganz so schlimm ist die Lage doch nicht. Noch immer werden in der Schweiz pro Jahr mehrere Millionen physische Postkarten verkauft. Ausserdem biete die steigende Bedeutung des haptischen Erlebnisses Anlass zur Hoffnung, wie Steiger sagt. «Bei der medialen Übersättigung hebt sich die physische Postkarte ab. Entsprechend haben Veredelungen wie Prägungen in den letzten Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen.»
Während man geheime Informationen heute digital verschlüsseln kann, musste man sich früher kreativere Wege einfallen lassen. So wurde unter anderem auch die Postkarte als Trägerin für Geheimbotschaften benutzt. Nicht selten verbarg sich unter der Briefmarke nämlich eine vertrauliche, strategische oder einfach auch liebevolle Nachricht, wie die Post in ihrem Blog schreibt. Zahlreiche Beispiele davon sowie weitere Kuriositäten aus der Welt der Spionage sind im Privatmuseum «Schein und Sein» im bernischen Lyss ausgestellt. Ein Raum der Ausstellung ist ausschliesslich über 100-jährigen Postkarten und Briefen gewidmet, die geheime Inhalte bergen. Getarnt wurden die Schreiben jeweils mit scheinbar harmlosen Grussbotschaften. (gjo)
Optimistisch stimmen auch personalisierte E-Postkarten, die zwar einen kleinen Teil des Marktes ausmachen, sich aber immer grösserer Beliebtheit erfreuen. Solche können für wenige Franken zum Beispiel über entsprechende Apps von Ifolor oder der Post verschickt werden. Bei der App der Post ist es zudem möglich, eine Postkarte pro Tag kostenlos innerhalb der Schweiz und Liechtenstein zu verschicken. Für eine Postkarte ins Ausland zahlt man zwei Franken. Wie viele solche kostenpflichtige Karten pro Jahr verschickt werden und wie viel sie einbringen, gibt die Post nicht preis. Dafür publiziert sie Zahlen zu den Gratiskarten: Waren es im ersten Jahr 2014 noch 874 000 Stück, wurden 2018 bereits 7,3 Millionen verschickt.