Der Luzerner Patrik Schär will mit seinem Jungunternehmen Selma Finance die Vermögensverwaltung digitalisieren. Der internetbasierte Anlageassistent steht schon bald allen Interessierten offen.
Maurizio Minetti
Viele Worte braucht die Anlageberaterin nicht: «Hoi! Ich bin Selma.» Dann geht es gleich ums Geschäft. «Lass uns kurz über deine Finanzen chatten.» Selma ist keine Frau aus Fleisch und Blut, Selma ist ein sogenannter Finanzbot; ein internetbasiertes Programm, das Kunden bei der Verwaltung ihres Vermögens berät. Erfunden hat es Patrik Schär. Der 33-jährige Luzerner ist CEO des Jungunternehmens Selma Finance AG mit Sitz in Arth. Er sagt: «Die Zeit ist reif für digitale Vermögensverwalter.»
Glaubt man einschlägigen Studien, ist der klassische Vermögensverwalter, wie man ihn seit Jahrzehnten kennt, vom Aussterben bedroht. Die Generation der Digital Natives ist zurzeit dabei, in der Unternehmenswelt Fuss zu fassen. Ihr angehäuftes Vermögen wollen sie unkompliziert verwalten lassen. Am liebsten jederzeit und digital übers Internet.
Davon ist Schär überzeugt. Er muss es wissen, denn er ist selbst einer von ihnen. Die Bankenwelt kennt er aus eigener Erfahrung. Nach einer KV-Lehre bei der Luzerner Kantonalbank hat er länger in der Finanzindustrie gearbeitet. Später verschlug es ihn nach Kopenhagen, wo er sich zum Finanzanalysten weiterbilden liess. In Dänemark kam er mit der lokalen Start-up-Szene in Kontakt und stellte fest: «Die Skandinavier sind in Sachen Start-ups viel dynamischer. Produkte werden viel schneller auf den Markt gebracht und direkt zusammen mit den Kunden entwickelt.»
So lancierte Schär im Jahr 2014 mit einem finnisch-österreichischen Geschäftspartner eine App namens Nau, die es Nutzern erlaubt, sich spontan mit Fremden zu treffen. Zwar hatte Nau mehrere Tausend Benutzer, «doch wir haben relativ schnell gemerkt, dass es für einen weltweiten Erfolg einer solchen App viel Geld und vor allem einen sprachlich homogenen Markt wie Amerika braucht», sagt Schär. Die App wird heute nicht mehr weiterentwickelt.
Zurück in der Schweiz, liess ihn der Gedanke nicht mehr los, dass die Digitalisierung der Vermögensverwaltung viele Chancen bietet. «Ich kenne mich im Bankengeschäft aus, es gibt hier viel Potenzial für Vereinfachungen der Prozesse.» Insbesondere die in seinen Augen antiquierte Vermögensverwaltung sei für eine Digitalisierung prädestiniert, glaubt Schär.
So entstand die Idee, einen persönlichen digitalen Investor zu entwickeln, mit dem man chatten kann. Im April 2016 gründete er in Helsinki die Selma Finance OY, später folgte die AG-Gründung in Arth SZ. Selma heisst auf Arabisch Harmonie oder Frieden, auf Keltisch steht der Ausdruck für «gute Aussicht». Das von Schär entwickelte System ist keine künstliche Intelligenz, es stellt vordefinierte Fragen und bezieht Informationen aus einer Datenbank.
Wer mindestens 5000 Franken zur Verfügung hat, kann bei Selma ein Konto eröffnen und sein Portfolio zusammenstellen – wobei bei Selma nicht von einem Portfolio die Rede ist, sondern vom «Investment-Planet». Patrik Schär und seine Kollegen kümmern sich um die Geldvermehrung. Selma verlangt eine im Vergleich zu normalen Vermögensverwaltern kleine Gebühr von 0,72 Prozent pro Jahr. Ohne Bank kommt das Fintech-Unternehmen aber nicht aus: Die Saxo Bank fungiert als Depotbank.
In Helsinki beschäftigt Schär ein Entwicklungsprozess- und Designteam. In Arth kümmert sich das Schweizer Team um Kundenbetreuung und Vermögensverwaltung. Seit April 2017 ist Selma nun in der Schweiz auf Einladung verfügbar. In dieser auch «Closed Beta» genannten Phase geht es darum, möglichst viel Feedback von potenziellen Usern zu erhalten, um das Produkt zu verbessern. «Wir haben Hunderte Rückmeldungen erhalten und arbeiten nun daran, Selma weiterzuentwickeln und zum besten Investmentservice der Schweiz zu machen», sagt Schär.
Am 4. September folgt nun die nächste Stufe. Mit der Lancierung der Open-Beta wird jedermann in der Lage sein, das System kostenlos mit virtuellem Geld zu testen oder gleich mit echtem Geld zu starten. Danach will Schär versuchen, Selma europaweit zu etablieren.
Einfach wird das nicht. Der Markt für digitale Vermögensverwalter ist noch sehr klein – und bereits stark umkämpft. Mitbewerber von Selma sind Descartes Finance, True Wealth, Swissquote oder der Investomat der Glarner Kantonalbank. Selma habe aber ein Alleinstellungsmerkmal, glaubt Patrik Schär: «Nur mit Selma erhält man bereits ab kleinem Vermögen einen digitalen Assistenten, der einem die mühsamen Dinge des Geldanlegens abnimmt. Jedermann hat damit seinen eigenen Privatbanker direkt auf dem Handy.» Und wenn Selma mal nicht weiter weiss, greift der Firmengründer höchstpersönlich ein.
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