STELLENMARKT: Augen und Ohren offen halten

Für jede dritte offene Stelle erscheint nie ein Inserat. Sie wird über persönliche Beziehungen besetzt. Wer solche hat, ist gut dran.

Rainer Rickenbach
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Bevor es zum Bewerbungsgespräch kommt, muss die richtige Kandidatin erst noch gefunden werden. (Bild: Getty/Robert Daly)

Bevor es zum Bewerbungsgespräch kommt, muss die richtige Kandidatin erst noch gefunden werden. (Bild: Getty/Robert Daly)

RAINER RICKENBACH

Personelle Fehlbesetzungen kommen Firmen teuer zu stehen. «In den mehrheitlich dienstleistungsorientierten Betrieben sind die Mitarbeiter das Kapital. Man spricht von Kosten für einen halben bis einen ganzen Jahreslohn, die entstehen, wenn eine Stelle mit der falschen Person besetzt wird», sagt Verena Glanzmann, HR-Fachfrau und Dozentin an der Hochschule Luzern.

Mitarbeitende und Kunden

So wundert es nicht, dass die Unternehmen auf Nummer sicher gehen wollen, wenn sie neue Leute einstellen. Sie tun das, indem sie für die Suche ihre Mitarbeitenden, Geschäftspartner und sogar Kunden einspannen. Eine Studie der Universität Zürich verdeutlicht es: Drei von vier Unternehmen nutzen das Beziehungsnetz ihrer Mitarbeitenden, wenn sie Arbeitsplätze zu vergeben haben. Rund die Hälfte nimmt auch gerne Empfehlungen von Geschäftsfreunden oder Kunden entgegen. Fast jede dritte Stellenbesetzung kommt tatsächlich auf diesem Weg zu Stande.

Es handelt sich dabei nicht um ein schweizerisches Unikum. In Deutschland spielen die Mitarbeitenden bei der Besetzung freier Stellen ebenfalls eine zentrale Rolle. Im grossräumigen Nachbarland wird jede vierte Stelle auf Vermittlung des eigenen Personals vergeben. Bei den Personalchefs machte man die Erfahrung, so die Gefahr von Anstellungsflops gering zu halten. «Die Mitarbeitenden würden ihrem Arbeitgeber keine Bekannten empfehlen, von denen sie nicht überzeugt sind», heisst es in der Studie. Die Erfolgsquote der «Beziehungsdelikte» sei darum hoch. Im Umkehrschluss darf der Arbeitgeber solche Vermittlungsdienste der Angestellten durchaus als Kompliment auffassen. «Sie würden ihren Bekannten nicht zu einer Stelle im eigenen Unternehmen raten, wenn sie dort selber nicht gerne arbeiteten», sagt Verena Glanzmann.

Kleine Prämie für Vermittlung

Bei der Unternehmensberaterin BDO Zentralschweiz zum Beispiel kam seit dem Juli 2015 tatsächlich ein Drittel der Stellenbesetzungen über das Beziehungsnetz des eigenen Personals zu Stande. «Die Zentralschweiz ist kleinräumig, man kennt sich», sagt Geschäftsleiter Heinz Vogel. Als Berater von zahlreichen kleineren und mittelgrossen Betrieben hat er auch Einblick in die Personalstrategien in der Region. «Auch bei den KMU dürfte der Wert von einem Drittel etwa hinkommen», so Heinz Vogel.

BDO hilft dem internen Engagement bei der Ausschau nach geeigneten Kandidaten mit einer kleinen Prämie im Erfolgsfall nach. «Zudem haben wir eine Personaldatei mit Namen von Leuten, mit denen wir in Kontakt standen und die bei der Personalabteilung einen guten Eindruck hinterlassen haben», so Vogel. Es handelt sich um Namen von ehemaligen und talentierten Lernenden, Praktikanten oder Bewerbern.

Kaderstellen haben eigene Gesetze

Es gibt freilich Un- terschiede: Je ländlicher die Umgebung der Niederlassung, desto häufiger sind Anstellungen auf interne Empfehlungen hin.

Doch je höher in der Personalhierarchie der zu vergebende Job angesiedelt ist, desto weniger spielen die persönlichen Kontakte der Mitarbeitenden eine Rolle. Vogel: «Bei der Suche nach Kaderleuten gehen wir direkt auf die Personen zu oder schalten ein darauf spezialisiertes Personalvermittlungsbüro ein.» Headhunter, die gezielt Führungspersonen bei der Konkurrenz abwerben, kommen bei der BDO indes nicht zum Zug. «Sie sind in unserer Branche verpönt», so Vogel.

Was können Stellensuchende, Studenten und Lehrlinge tun, um ihre Chancen bei der Stellenrekrutierung zu erhöhen, wenn sich ein schöner Teil davon über persönliche Beziehungen vollzieht? Selber aktiv werden, empfiehlt Verena Glanzmann von der Hochschule Luzern. «Blindbewerbungen zu verschicken und das Netzwerk seines Bekanntenkreises zu nutzen, ist bestimmt nicht falsch», sagt sie. Wenn es nicht im ersten Anlauf klappt, bestünde doch immerhin die Chance, in der Namensdatei der Personalverantwortlichen in Erinnerung zu bleiben.

Arbeitsmarktfähigkeit einschätzen

«Unseren Studierenden, die kurz vor dem Abschluss stehen, empfehle ich die Absolventenmessen. Dort treffen sie die richtigen Personalverantwortlichen und Unternehmensvertreter», so Glanzmann. Für hilfreich hält sie auch eine Internetrecherche. Auf den Webseiten der Firmen finden sich nämlich auch die neu zu besetzenden Stellen, für die auf den Stellenportalen des Internets und in den Zeitungen keine Inserate geschaltet werden.

Stelleninserate zu studieren, empfiehlt Glanzmann auch Berufsleuten, die nicht auf der Suche sind. «Die Inserate machen die Anforderungen deutlich, die heute verlangt werden. Jeder kann sich bei der Lektüre selber Gedanken über seine Arbeitsmarktfähigkeit machen.»


So suchen die Unternehmen

INSERATErr. Die Unternehmen gehen bei der Personalsuche auf verschiedenen Wege gleichzeitig vor. Gemäss der Studie «Personalsuche und Stellenbesetzung» der Universität Zürich spielen nebst dem Beziehungsnetz von Mitarbeitenden und Geschäftspartnern die eigene Firmen-Internetseite eine wichtige Rolle. Danach folgen Stelleninserate in Internetportalen, gedruckten Zeitungen und die firmeninternen Ausschreibungen.

Grosse Beachtung in den Personalabteilungen finden Blindbewerbungen. Das sind Bewerbungsschreiben, die nicht auf ein bestimmtes Inserat hin eingegangen sind und bei den Personalabteilungen für eine spätere Personalsuche in einem Pool landen.

Stellensuche über Facebook

Bei jungen Stellensuchenden spielen soziale Medien wie Facebook und Twitter eine zunehmend wichtige Rolle. «Die junge Generation sucht anders. Die Firmen werden künftig soziale Medien viel stärker für die Personalrekrutierung nutzen», so Verena Glanzmann von der Hochschule Luzern. Bei einer Absolventenbefragung an Hochschulen stellte sich heraus, dass über die Hälfte der Befragten sich bei Facebook & Co. über Karrieremöglichkeiten, Bewerbungen und offene Stellen schlau macht.