Studie
Risiken, Sorgen, Chancen, Wünsche: So geht es der Zentralschweizer Wirtschaft

Der neue «Finanzmonitor Zentralschweiz» soll ein jährliches Stimmungsbild der Zentralschweizer Wirtschaft liefern. Die erste Ausgabe zeigt: Der Fachkräftemangel bleibt die grösste Sorge. Digitalisierung wird hingegen vorwiegend als Chance gesehen. In Bezug auf die Gewichtung müssen die Studienautoren aber nachbessern.

Maurizio Minetti
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Es ist eine Premiere für den Wirtschaftsraum Zentralschweiz: Zum ersten Mal soll eine Studie ein datenbasiertes Bild des wirtschaftlichen Geschehens in der gesamten Region liefern. Möglich macht dies eine Befragung der Finanzverantwortlichen in Zentralschweizer Unternehmen. Die am Montag erstmals vorgestellte Studie «Finanzmonitor Zentralschweiz» ist eine gemeinsame Initiative der Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz IHZ und des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) der Hochschule Luzern. Ein jährliches Update soll künftig ein möglichst genaues wirtschaftliches Stimmungsbild in den sechs Zentralschweizer Kantonen zeichnen.

Coronakrise insgesamt gut überstanden

Studienautor Stefan Behringer und IHZ-Direktor Adrian Derungs.

Studienautor Stefan Behringer und IHZ-Direktor Adrian Derungs.

Bild: Patrick Hürlimann (Rotkreuz, 28. März 2022)

Die erste Ausgabe der Studie zeigt: In der Zentralschweiz ist die aktuelle wirtschaftliche Stimmung leicht besser als im Schweizer Durchschnitt. «Wir haben die Zentralschweizer Daten mit anderen Studien, etwa der OECD und der ETH, verglichen», erklärt IFZ-Studienautor Stefan Behringer. Nur 3 Prozent der befragten Zentralschweizer CFO schätzen die wirtschaftliche Lage ihres Unternehmens als schlecht ein, und nur 7 Prozent erwarten in den nächsten zwölf Monaten eine schlechtere Umsatzentwicklung im Vergleich zum Vorjahr.

Behringer zeigt sich insbesondere überrascht davon, wie positiv Zentralschweizer Firmen in die Zukunft blicken. Zwar war der Ukraine-Krieg noch kein Thema in der Studie, wurde diese doch zwischen Anfang November und Ende Dezember durchgeführt (siehe Box).

Neue Lieferschwierigkeiten wegen Ukraine-Kriegs

Unternehmen leiden seit dem vergangenen Jahr unter Lieferengpässen und Preiserhöhungen in sehr vielen Beschaffungsbereichen. Grund dafür ist einerseits die schnelle wirtschaftliche Erholung nach den diversen Betriebsunterbrüchen im Zuge der Pandemie; Hersteller von Komponenten haben ihre Produktion nicht schnell genug der starken Nachfrage angepasst. Hinzu kommen Transport- und Logistikprobleme. Eine Umfrage des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse und der Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz IHZ zeigt nun, dass sich die Problematik zwar leicht entschärft hat, aufgrund des Ukraine-Krieges aber neue Lieferschwierigkeiten hinzukommen. Sechs von zehn befragten Unternehmen in der Zentralschweiz geben an, in der Geschäftstätigkeit vom Konflikt betroffen zu sein. In der Zentralschweiz wie auch auf nationaler Ebene vermelden 65 Prozent der Unternehmen noch immer Probleme beim Bezug von Vorprodukten. Der Wert liegt zwar signifikant tiefer als bei den beiden Erhebungen 2021, als noch mehr als acht von zehn Unternehmen betroffen waren. Dennoch erwarteten Experten mit dem Auslaufen der Coronamassnahmen weltweit eine raschere Erholung. Im Vergleich zum gesamtschweizerischen Durchschnitt beklagen Zentralschweizer Unternehmer öfters Absatzprobleme im Ausland sowie Arbeitsausfälle. Über alle Branchen hinweg rechnen Firmen in der Zentralschweiz mit einem Preisanstieg von bis zu 6 Prozent im nächsten halben Jahr.

Dennoch: «Wir wissen, dass die Zentralschweizer Wirtschaft aufgrund ihrer Heterogenität Krisen recht gut wegstecken kann», sagt IHZ-Direktor Adrian Derungs. Auch aufgrund der Antworten in der ersten Ausgabe gehen die Studienautoren davon aus, dass die Zentralschweizer Firmen nach der Coronakrise weitere Krisen insgesamt gut überstehen werden. «Natürlich haben Unternehmen insbesondere aus dem Bereich Gastronomie und Tourismus stark gelitten», sagt Behringer. In diesen Branchen macht man sich aktuell vor allem Sorgen darüber, wie man in Zukunft investieren soll, angesichts der Tatsache, dass sich die Coronakrise nach wie vor finanziell auswirkt.

Danach gefragt, was die grössten Risiken in den nächsten zwölf Monaten sind, antworteten die meisten Unternehmen: Fachkräftemangel (siehe Grafik). Das sei auch der einzige Punkt, bei dem sich die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer wünschen, die Politik würde aktiver werden, sagt Behringer. Konkrete Forderungen formulierten die CFO allerdings nicht. Hochschulvertreter Behringer vermutet, eine Stärkung der Hochschulen könnte auf der Wunschliste stehen.

Adrian Derungs von der IHZ hingegen plädiert für eine differenzierte Betrachtungsweise: «Es bringt nichts, Fachkräfte in einem gewissen Bereich auszubilden, wenn sie von den Unternehmen dann doch nicht angestellt werden. Wir werden in Zukunft genauere Daten und Antworten von Unternehmen brauchen, um zu erfahren, welche Eigenschaften gefragt sind.» Er stellt im Alltag als IHZ-Direktor fest, dass Unternehmen nicht unbedingt akademische Eigenschaften suchen, sondern Kandidatinnen und Kandidaten wollen, die genau auf ein Profil passen. «Eine Quereinsteigerin, die intern weitergebildet wird, kann wertvoller sein als ein Studienabgänger», bringt es Derungs auf den Punkt.

Die grössten Chancen sehen die Zentralschweizer Unternehmen in den nächsten drei Jahren im Bereich der Digitalisierung, aber auch in neuen Produkten und der Nachhaltigkeit. Für Behringer ist dies eine überraschende Erkenntnis, denn in anderen Studien sehen viele Firmen Nachhaltigkeit und Digitalisierung eher als Risiken. Diese Bedenken teilen die Zentralschweizer Unternehmen mehrheitlich nicht.

Zug ist unterrepräsentiert

An der Studie haben insgesamt 168 Finanzverantwortliche von Zentralschweizer Unternehmen teilgenommen. Zumindest die erste Ausgabe der Studie ist nicht repräsentativ. Je nach Datenlage könnte sich das künftig ändern, sagen die Studienautoren. Der Finanzmonitor Zentralschweiz soll «mit jeder jährlichen Umfrage an Tiefenschärfe gewinnen», schreibt der CEO der Luzerner Kantonalbank, Daniel Salzmann, im Vorwort der Studie. Mit der Zeit sollen langfristige Trends und Verschiebungen ersichtlich sein.

Nachbessern wollen die Studienautoren auch bei der Gewichtung: Ausgerechnet der wirtschaftsstarke Kanton Zug ist in der Umfrage mit lediglich 9 Prozent der antwortenden Unternehmen unterrepräsentiert, was nicht seine wirtschaftliche Bedeutung in der Region widerspiegelt. Einer der Gründe dafür ist, dass der Kanton Zug nicht Teil der IHZ ist. Ausserdem ist in Bezug auf die befragten Branchen die Industrie recht stark vertreten. IHZ-Direktor Adrian Derungs stellt für die kommenden Ausgaben der Studie eine bessere Gewichtung in Aussicht.