TEST: Teuer ist nicht gleich sicher

Kindersitze sorgen für Sicherheit von Kindern im Auto. Doch nicht alle halten, was sie versprechen. Oft sind sogar die teuersten Modelle nicht sicher genug, wie ein neuer Test des TCS zeigt.

Bernard Marks
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So erkennt man einen guten Sitz (Bild: PD)

So erkennt man einen guten Sitz (Bild: PD)

Jährlich verunfallen in der Schweiz 500 Kinder in Autos im Strassenverkehr. Ein Kind, das ohne Kindersitz im Auto transportiert wird, ist laut Angaben der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU) dreimal mehr gefährdet, bei einem Unfall schwer verletzt oder getötet zu werden, als ein Kind, welches mit einem Kindersitz transportiert wird.

Enorme Kräfte wirken

Wer sich Videos von Crashtests mit Kindern im Auto anschaut, dem wird schnell deutlich, wie gering die Überlebenschancen für die kleinen Mitfahrer bei einem schweren Unfall eigentlich sind. Die enormen Kräfte, die dabei frei werden, treffen oftmals genau auf die schwächste Stelle des kleinen Körpers – die Wirbelsäule. Aus diesem Grund schreibt der Gesetzgeber Kindersicherungen für Kinder bis 12 Jahre oder bis zu einer Körpergrösse bis zu 1,50 Meter vor.

Sitzerhöhungen sind zwar für ältere Kinder immer noch vom Gesetzgeber erlaubt und besser als die Sicherung nur mit dem Gurt, doch bieten diese bei einem Unfall keinen seitlichen Schutz. Auch der Rücken ist nicht geschützt. Empfehlenswert sind deshalb Kindersitze mit einer Rückenlehne sowie einem ausreichenden Seitenaufprallschutz. Auch die Schadstoffbelastung spielt heute eine grosse Rolle bei der Bewertung von guten oder schlechten Kindersitzen (siehe Grafik).

Fehler bei der Auswahl

Doch einen guten Kindersitz zu erkennen, ist nicht einfach. «Bei der Wahl eines Kindersitzes werden viele Fehler gemacht», sagt Anton Keller vom Touringclub Schweiz. Er ist Leiter der Abteilung Technik und Wirtschaft mit Sitz in Emmen. Nicht ohne Grund führt der TCS jedes Jahr einen umfangreichen Test durch. Viele Kindersitze fallen in diesen Tests regelmässig durch.

Nachdem in den vergangenen Jahren bei den getesteten Kindersitzen oftmals haarsträubende Sicherheitsmängel auftraten, hellt sich in diesem Jahr das Bild etwas auf. «Weniger Kindersitze haben Mängel», erzählt Anton Keller. Zwar gibt es immer noch einige Sitze, die erhebliche Mängel aufweisen, aber insgesamt seien die Sitze sicherer geworden.

4 von 13 Sitzen fielen durch

Im zweiten Teil des TCS-Kindersitztests 2013 wurden insgesamt 13 Kindersitze aus allen Gewichtsklassen untersucht. Geprüft wurden die Eigenschaften Sicherheit bei einer Kollision, Bedienung und Ergonomie, Schadstoffgehalt und Reinigung sowie Verarbeitung.

Der Test zeigt, dass nicht der Preis den Ausschlag für die Qualität eines Kindersitzes gibt. Bei dem diesjährigen Kindersitztest des Touringclubs Schweiz sind 4 von 13 Modellen durchgefallen. Darunter zum Beispiel der Römer Max-Fix, der 490 Franken kostet, sowie der Axkid Kidzofix, der mit Abstand teuerste Sitz mit 650 Franken. Diese Modelle schützten bei bestimmten Aufprallszenarien nicht oder enthielten zu viele schädliche Chemikalien.

Auf Schadstoffwerte achten

Das überarbeitete Kindersitzmodell Cybex Juno 2 Fix für 300 Franken wurde mit fünf Sternen ausgezeichnet. «Sicherheit und auch die Bedienung sind auf höchstem Niveau», so das Urteil des TCS. Im Vorjahrestest erreichte die erste Version Juno Fix unter anderem wegen grosser Gurtlänge vier Sterne. Die Babyschalen Aton – ebenfalls von Cybex – wiesen mit und ohne Isofix-Basis erhöhte Schadstoffwerte auf, was sich im Testergebnis negativ niederschlug. Untersucht wurden die Sitze unter anderem auf den Gehalt von Schadstoffen wie Phthalaten, Flammschutzmitteln, phenolischen Verbindungen, Formaldehyd und Schwermetallen. Dabei wurden alle Teile des Sitzes untersucht, mit denen ein Kind in Berührung kommt.

Fehler beim Einbau

Ein wichtiges Kriterium für die Beurteilung von Kindersitzen ist die einfache Bedienung eines Sitzes. «Denn jedes zweite Kind ist im Auto nicht richtig gesichert», sagt Anton Keller.

Anschnallen sei nicht gleich anschnallen. «Das sollte man nicht unterschätzen», sagt Keller. Aus diesem Grund untersuchte der TCS intensiv, wie einfach ein Sitz eingebaut werden kann und wie das Kind darin untergebracht ist. Die Liste möglicher Anwendungsfehler ist lang. Sie beginnt damit, dass der Kindersitz zu locker eingebaut ist oder die Kinderhaltegurte zu locker oder verdreht sind. Oft kommt es vor, dass der Gurt zu nahe am Hals verläuft, was bei einem Aufprall verheerend sein kann. Ein Fakt ist auch, dass Kinder wie Erwachsene im Winter oft zu viele Kleider tragen, wodurch das Rückhaltesystem an Wirkung einbüsst.

Passt jeder Sitz in jedes Auto?

Die Anforderungen an die Qualität der Kindersitze hat zugenommen. Das schlägt sich in den Preisen nieder. Eine Familie mit drei Kindern gibt heute spielend 1500 Franken für die Sicherheit ihres Nachwuchses im Auto aus.

Anton Keller, muss ein guter Kindersitz heute 500 Franken kosten?
Anton Keller:
Das muss er nicht. Aber wenn er gut ist, dann ist dies immer noch eine wirksame und über die Jahre gerechnet auch eine günstige Lebensversicherung für das Kind.

Sind teure Kindersitze denn in jedem Fall gut?
Keller:
Der einzige Kindersitz im aktuellen Test, der mit maximalen fünf Sternen abschneidet, kostet 300 Franken. Andere, die das Doppelte kosten, schneiden teilweise viel schlechter ab. Somit sind gute Kindersitze nicht eine Frage des Preises. Es gibt bei einigen Discountern regelmässig Aktionen, die in den Tests nicht schlechter abgeschnitten haben als teure Modelle.

Passt jeder Sitz in jedes Auto?
Keller:
Es gibt viele Fahrzeuge und viele Kindersitze. Die Kombination von beidem kann zu Problemen führen. Wichtig ist, dass man einen Kindersitz zuerst im Auto ausprobiert. Sind Isofix-Haltungen vorhanden oder nicht? Die Gurten sind oft zu kurz, da gibt es bei den Autoherstellern grosse Unterschiede.

Ist es nicht sinnvoller, die Kindersitze in Autos zu integrieren?
Keller:
Integrierte Kindersitze werden vereinzelt von Autoherstellern in Familienfahrzeugen angeboten. Allerdings liegen die Kosten für solche Sitze eher höher als bei herkömmlichen Produkten, und der Einsatzzeitraum (drei bis zwölf Jahre) ist eingeschränkter. Wir haben solche Systeme schon geprüft. Die Sicherheit ist nicht das Problem. In der Praxis ist man aber nicht immer mit dem gleichen Auto unterwegs, und das andere hat vielleicht keine integrierten Kindersitze. Ergo schaffen sich Eltern trotzdem herkömmliche Kindersitze an.

Anton Keller ist Leiter Technik und Wirtschaft beim Touring Club Schweiz in Emmen

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