Trendwende
«Im Homeoffice wird mehr geraucht»: Tabak-Verkäufe steigen erstmals seit zehn Jahren wieder

In der Coronakrise haben die Schweizerinnen und Schweizer wieder mehr Tabakwaren gekauft. Nun zeigt sich: Es liegt nicht nur am vorübergehend eingeschränkten Einkaufstourismus. Bei «Sucht Schweiz» setzt man umso stärker auf die bevorstehende Abstimmung.

Pascal Ritter und Andreas Maurer
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Erstmals seit langem wird in der Schweiz wieder mehr geraucht.

Erstmals seit langem wird in der Schweiz wieder mehr geraucht.

Bild: Getty

Am 13. Februar entscheidet das Stimmvolk über die Initiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung». Reklame für Zigaretten soll überall dort verboten werden, wo Kinder und Jugendliche sie sehen können.

Die Gegner der Vorlage argumentieren unter anderem damit, dass das Rauchen unter Jugendlichen in den letzten Jahren ohnehin an Popularität verloren habe. Die bisherige Präventionspolitik der Schweiz habe sich bewährt. Die Zahl der regelmässig Rauchenden unter den 15-Jährigen sei in den letzten 8 Jahren um 49,7 Prozent gesunken.

Welche Rolle spielt der Einkaufstourismus?

Tatsächlich wurden Zigaretten in den letzten Jahren unbeliebter. Sowohl bei Jugendlichen als auch bei Erwachsenen. Seit rund fünfzehn Jahren nimmt der Tabakkonsum ab. Er ist von 33 Prozent (15- bis 65-Jährige) im Jahr 2001 auf 27,1 Prozent im Jahr 2017 zurückgegangen (Bevölkerung ab 15 Jahren).

Der abnehmende Konsum liess die Verkaufszahlen von Zigaretten einbrechen. Vor zwanzig Jahren wurden in der Schweiz fast 15 Milliarden Zigaretten pro Jahr verkauft. Danach sanken die Zahlen kontinuierlich. Anfangs gab es zwischendurch noch einmalige Anstiege, doch seit zehn Jahren nehmen die Verkäufe nur noch ab – bis auf ein Rekordtief von weniger als neun Milliarden Stück im Jahr 2019. Im Jahr 2020 aber sind die Verkaufszahlen plötzlich um 4 Prozent angestiegen.

Ein Grund dafür ist, dass der Einkaufstourismus im ersten Lockdown verboten war. In der Schweiz kostet eine Schachtel 8.40 Franken. In Deutschland nur 7 Euro. Diese Einsparmöglichkeit fiel vorübergehend weg. Das trieb die Verkaufszahlen im Inland nach oben. Bisher ging man davon aus, dass dieser Effekt den Anstieg im Jahr 2020 erklärt und es sich also um eine einmalige Zunahme handelte.

Nun gibt es Anzeichen, dass nicht nur der Verkauf, sondern auch der Konsum zugenommen hat und die Bevölkerung tatsächlich zum ersten Mal seit Jahren wieder mehr raucht. Im Interview mit dieser Zeitung sagt Denner-Chef Mario Irminger: «Der Tabakmarkt ist schwierig, aber in der Coronazeit ist er gewachsen. Im Homeoffice wird mehr geraucht, da mehr Möglichkeiten bestehen. In der Pause steht man auf dem Balkon und raucht. Das führte zu steigender Nachfrage nach Tabakprodukten.»

Denner-CEO Mario Irminger.

Denner-CEO Mario Irminger.

Bild: Alex Spichale

Trend hält gemäss Denner-Chef an

Auch Coop verkauft mehr Rauchwaren. Eine Sprecherin sagt auf Anfrage:

«Wir haben in den vergangenen beiden Jahren eine erhöhte Nachfrage nach Tabakwaren verzeichnet.»

Tabak zum selber Zigaretten drehen sei besonders beliebt. Denner-Chef Irminger geht davon aus, dass der Trend anhält, weil auch nach der Pandemie mehr von zuhause aus gearbeitet werde.

Die Beobachtungen aus dem Verkauf decken sich mit Befunden einer Studie von «Sucht Schweiz», die zeigt, dass während und nach dem Lockdown der Tabakkonsum teilweise zugenommen hat. Eine Befragung von Berufsschülern und Gymnasiasten im Kanton Aargau zeigt zudem, dass rund ein Drittel wöchentlich Nikotinprodukte konsumiere. Markus Meury von «Sucht Schweiz» nennt Stress und Verunsicherung in der Coronapandemie als möglichen Grund. «Solche Faktoren erhöhen den Nikotinkonsum, speziell bei jüngeren Menschen.»

Eine Raucherquote von 14 Prozent unter den 15-Jährigen nennt er «inakzeptabel», umso mehr, wenn nun klar werde, dass diese Quote noch zugenommen haben könnte. «Insofern ist es dringend nötig, dass Jugendliche nicht weiterhin von Tabak- und Nikotinprodukteproduzenten umworben werden», sagt Meury im Hinblick auf die Abstimmung.

Initiativ-Gegnerin: Verbot macht Rauchen interessanter

Die Luzerner Mitte-Nationalrätin Ida Glanzmann-Hunkeler kann sich gut vorstellen, dass während der Pandemie wieder mehr geraucht werde. An ihrer Einschätzung zur Initiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung» ändert dies jedoch nichts. «Ich habe selbst in jungen Jahren geraucht, wurde damals aber nicht vom Marlboro-Mann, sondern von meiner Clique inspiriert.»

Sie geht davon aus, dass Rauchen für Jugendliche eher noch interessanter werde, je mehr Verbote es gebe. Glanzmann-Hunkeler ist im Vorstand des­­­ Nein-Komitees.