US-Börsen
Die Aktienmärkte spielen verrückt – was das mit Schweizer Hypotheken zu tun hat

Erst stürzen die Aktienkurse ab, dann raketenhaft in die Höhe – und dann wieder ab. Warum es an der amerikanischen Börse rauf und runter geht und was die Folgen sind.

Niklaus Vontobel
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Grosse Aufregung: Die amerikanischen Börsen erlebten eine aufsehenerregende Aufholjagd.

Grosse Aufregung: Die amerikanischen Börsen erlebten eine aufsehenerregende Aufholjagd.

Keystone

«Die Börsen spielen verrückt.» So wird das aktuelle Geschehen kurz und knapp beschrieben auf dem Schweizer Börsenportal Cash. Angelsächsische Finanzmedien bezeichnen den Handel als «wild». Und nochmals andere drücken das Gleiche technisch aus: «Die Volatilität ist zurück.» Es geht aktuell also drunter und drüber an den Börsen, und das weltweit.

In der Schweiz legte der Swiss-Market-Index am Dienstag leicht zu. Immerhin um 0,5 Prozent ging der Bluechip-Index nach oben. Am Montag sauste er noch in den Keller. Am Ende hatte er 3,8 Prozent eingebüsst. Damit ist zum Jahresanfang ein Verlust von rund 7 Prozent zusammengekommen. Der Pharmazulieferer Lonza beispielsweise hat schon 20 Prozent seines Börsenwertes verloren.

Der Zugewinn am Dienstag war eine Überraschung. Denn im Verlaufe des Tages waren Bad News aus den USA gekommen. Dort brachen die Börsen erneut ein. Am Abend verzeichnete der Index S&P 500 ein Minus von 2,2 Prozent. Dabei hatte es am Montag an der amerikanischen Börse ein spektakuläres Comeback gegeben.

Um die Mittagszeit waren die Verluste noch gross. Der Dow Jones war 3,25 Prozent im Minus, der S&P 500 um 4 Prozent, der Nasdaq Composite Index gleich um 4,9 Prozent. Die Börsenindizes wurden vor allem von den Technologiefirmen hinuntergezogen. Selbst Giganten wie Tesla stürzten ab, ebenso Apple, Amazon oder Microsoft. Und die letztes Jahr noch himmelhochfliegenden Kryptowährungen setzten ihren Sturzflug fort. Im Vergleich zu ihrem November-Hoch haben sie nun 40 Prozent eingebüsst.

Enorme Schwankungen

Dann kam die grosse Wende, über welche die Finanzpresse staunte. Das «Wall Street Journal» sah ein «massives Comeback» und einen «raketenhaften» Aufstieg. Die britische «Financial Times» titelte ebenso verwundert: «US-Aktien kehren schwere Verluste um, da Käufer auf den Plan treten.» Anscheinend nutzten Investoren die Kursverluste, um sich zu etwas günstigeren Kursen einzukaufen in einen teuren Aktienmarkt. Auch der Index Dow Jones schloss leicht im Plus, was ihm nach solchen Tagesverlusten noch nie gelungen war.

Am Ende des Börsentages war es, als wäre nichts geschehen. Die Börsenindizes schlossen mit leichten Gewinnen. Der Ökonom Paul Krugman konnte auf Twitter witzeln: «Ich war den ganzen Tag unterwegs, aber wenn ich mir die aktuellen Preise ansehe, ist wohl nicht viel auf dem Markt passiert?»

Hinter den Schwankungen steht die Angst vor einem möglichen Krieg in der Ukraine. Vor allem aber nagt die bevorstehende Zinswende an den Nerven. Die Börsianer rätseln, wie aggressiv die amerikanische Notenbank gegen die hohe Inflation vorgehen wird. Im Dezember war die Teuerung in den USA auf 7 Prozent geschnellt, es war der höchste Wert seit 1982. Mit einer solch hohen Teuerung hatte die US-Notenbank zunächst nicht gerechnet. Nun muss sie schneller reagieren als gedacht. Diese Woche wird sie bekanntgeben, wie sie weiter vorgeht, und sie wird die Märkte auf erste Leitzinserhöhungen vorbereiten. Ihr Chef Jay Powell tritt am Mittwoch vor die Öffentlichkeit.

Kausalkette reicht bis zu den Schweizer Zinsen auf Hypotheken

Höhere amerikanische Leitzinsen entfalten ihre Wirkung im ganzen Finanzsystem, und das weltweit. Tendenziell ziehen sie auch in der Schweiz das Zinsniveau in die Höhe. Aktien könnten tendenziell an Wert verlieren. Weil die Gewinne der Unternehmen mit einem höheren Zins abdiskontiert werden müssen. Bankanalysten unken, für Aktien sei nun ein strenger Winter angebrochen. Sinken die Aktienkurse über längere Zeit, wird es unter anderem für Pensionskassen schwieriger, die zukünftigen Renten zu finanzieren.

Höhere Leitzinsen in den USA drücken auch in der Schweiz das Zinsniveau nach oben. Unter anderem könnten darum die Zinsen auf Hypotheken weiter steigen. Mit einem allzu kräftigen Anstieg rechnet zwar niemand, doch die Rekordtiefststände wären dann vorbei. Hypotheken würden leicht teurer. Die Banken könnten dies nutzen, um ihre Angebote zu erhöhen und auch wieder leicht höhere Margen durchzusetzen. Wobei sich die Hypothekarschuldner sich diesem Trend entgegenstemmen können, indem sie fleissig nach dem besten Angebot shoppen.

Doch ist es nicht eindeutig, wie sich höhere Leitzinsen auf Aktienkurse auswirken. Zugleich gehen höhere Leitzinsen zumeist einher mit höherem Wirtschaftswachstum – und das bedeutet wiederum höhere Gewinne, was gut ist für die Aktien. Es ist also auch gut möglich, dass der aktuelle Börsenboom noch weiter geht trotz höherer Zinsen. Wer weiss: Vielleicht überwinden die Aktienmärkte ihre Ängste vor einer Zinswende. Dann hätte der aktuelle Boom auch eine Zinswende weggesteckt. Es könnte sich endgültig der Irrglaube durchsetzen, dass Aktien nur immer weiter steigen können. Und die Kurse würden noch höhere Rekordsphären erreichen.

Ein Teenager-Hacker kontrolliert aus der Ferne die Hupen von Teslas

Am börsenhistorischen Montag kamen die Techgiganten mit blauen Augen davon. Zumindest galt dies für Amazon, Microsoft und Apple. Hingegen verlor Elon Musk mit Tesla immerhin 1,5 Prozent. Damit hat der Elektroautohersteller seit Jahresanfang fast einen Viertel seines Wertes verloren. Die Investoren spekulieren, dass eine starke Zinswende solchen Börsenüberfliegern wie Tesla besonders wehtun könnte. Im Vergleich zum Anfang der Coronapandemie stand der Börsenkurs auf dem Höchststand um über 14 Mal höher. Also eine Steigerung um 1330 Prozent!

Zuletzt musste Musk jedoch eine Schmach über sich ergehen lassen: Ein Teenager konnte eine von Tesla genutzte Software hacken. Wie Bloomberg berichtete, konnte der Hacker damit aus der Ferne einige Funktionen von Tesla-Automobilen übernehmen: etwa das Hupen sowie das Öffnen und Schliessen von Türen. Auch derlei Missgeschicke nehmen etwas weg vom Börsenglanz von Tesla und Elon Musk.

Hatte schon mehr zu lachen: Tesla-Gründer Elon Musk.

Hatte schon mehr zu lachen: Tesla-Gründer Elon Musk.

Keystone

Netflix hat bereits einen Drittel seines Werts wieder verloren

Und Netflix ergeht es ohnehin übel. Gestern war wieder 2,5 Prozent des Börsenwertes weg, insgesamt sind nun bereits 35 Prozent verschwunden. Der Streamingdienst überbrachte letzte Woche Bad News: Es werde sich deutlich verlangsamen, das Wachstum seiner Abonnentinnen und Abonnenten. Netflix tut unter anderem weh, dass Giganten wie Walt Disney nun mit aller Macht in den Streamingmarkt drängen. Das Medienunternehmen kann unter anderem locken mit Superhelden-Serien aus dem Marvel-Universum, wie Loki oder Hawkeye.

Seine Ideen helfen Disney und machen Netflix zu schaffen: Der verstorbene Marvel-Gründer Stan Lee.

Seine Ideen helfen Disney und machen Netflix zu schaffen: Der verstorbene Marvel-Gründer Stan Lee.

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